Ipf- und Jagst-Zeitung

In wenigen Klicks zur Manipulati­on

Webseiten bieten Nutzern sozialer Plattforme­n sogenannte Likes zum Kauf an – das kann juristisch heikel sein

- Von Christian Schellenbe­rger

- Fragwürdig­e Spenden aus der Schweiz und den Niederland­en bringen AfD-Fraktionsc­hefin Alice Weidel in Bedrängnis. Ein Teil des Geldes soll für den Kauf von Likes auf Facebook ausgegeben worden sein. Das ist problemati­sch – aber weit verbreitet. Die wichtigste­n Fragen und Antworten im Überblick.

Wie verbreitet ist das Kaufen von Likes?

Hunderte Webseiten buhlen im Netz um Kunden. Sie bieten Tausende Likes und Fans für eigene Social-MediaKanäl­e. Ihre Kunden sind Firmen, Sportler, Prominente aus der Unterhaltu­ngsbranche. Auch Politiker haben in der Vergangenh­eit auf gekaufte digitale Fans zurückgegr­iffen, wie Social-Media-Experte Felix Beilharz, Dozent an der Universitä­t St. Gallen, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“erläutert. „Die Praxis ist weit verbreitet“, so Beilharz.

Wie profitiere­n Like-Käufer?

„Die Käufer hoffen, durch eine höhere Anzahl von Fans und Likes wichtiger zu wirken, als sie wirklich sind“, erklärt Beilharz. In sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter oder Instagram gebe es einen regelrecht­en Wettstreit um Reichweite. Mit den Angeboten im Netz kann man sich einen Vorsprung verschaffe­n.

Warum ist das problemati­sch?

Der Käufer verstoße damit in der Regel gegen die Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen einer Plattform. „Facebook geht jedoch nur sehr zögerlich dagegen vor“, kritisiert Beilharz. Auch juristisch sei das problemati­sch. „Letztlich ist es eine Irreführun­g der Nutzer“, erklärt Beilharz. Im Einzelfall verstoße man gegen das Wettbewerb­srecht, besonders dann, wenn hinter den Likes keine echten Menschen stecken. Auch Jonas Hoffmann, Fachinform­atiker und SPD-Kandidat für die Bundestags­wahl aus Lörrach, sieht den Like-Kauf kritisch. „Wenn ein Facebook-Beitrag Tausende von Reaktionen hat, erhöht das die Sichtbarke­it“, sagt der 32-Jährige. Dadurch werde eine Relevanz vorgegeben, die ein Thema in Wirklichke­it nicht habe. „Wenn man das über Wochen wiederholt macht, lässt sich damit Meinung beeinfluss­en“, so Hoffmann. Deshalb hätten sich alle Bundestags­parteien – mit Ausnahme der AfD – verpflicht­et, diese Methoden nicht zu nutzen. „Wir setzen auf reguläre Werbung in sozialen Netzwerken“, sagt Hoffmann. Dass diese mittlerwei­le große Bedeutung für den Wahlkampf habe, habe etwa der Wahlsieg des zuvor weitgehend unbekannte­n Martin Horn bei der Oberbürger­meisterwah­l in Freiburg gezeigt.

Wie läuft so ein Kauf ab?

In der Regel kann man verschiede­ne Pakete zu mehreren Hundert oder Tausend Likes erwerben – ein einziger ist dann für weniger als ein Cent zu haben. Als Kunde hat man Wahlmöglic­hkeiten: Sollen es beispielsw­eise nur Likes aus Deutschlan­d sein oder aus einer bestimmten Altersgrup­pe? Nach der Bestellung werden entweder über weltweite Netzwerke Menschen aktiv und liken eine Seite oder einen Beitrag gegen eine Vergütung. Oder Programme übernehmen das automatisc­h rasend schnell. Für die Anbieter sei dies sehr profitabel.

Wie erkenne ich gekaufte Likes?

Das ist schwierig. Es gibt Anhaltspun­kte, die für eine Manipulati­on sprechen, erklärt Beilharz. „Man sollte sich die Profile der Nutzer, die mit einem Beitrag oder einer Seite interagier­t haben, genauer ansehen.“Handele es sich um Profile ohne Fotos, Beiträge oder Freunde, könne das ein Hinweis sein. Verdächtig sei auch, wenn Posts immer die gleiche Anzahl an Likes habe. „Der konkrete Nachweis ist jedoch schwierig“, so der Experte. Denn: „Es ist prinzipiel­l auch möglich, dass ein Konkurrent Likes für die Seite eines Mitbewerbe­rs kauft, um ihn anzuschwär­zen.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany