Ipf- und Jagst-Zeitung

Mehr Geld, weniger Bürokratie

Entschädig­ungen für Verspätung­en sollen höher ausfallen und einfacher werden

- Wolfgang Mulke

- Die Rechte der Kunden von Bahnen und Fluggesell­schaften könnten bald deutlich gestärkt werden. Das wäre der Fall, wenn die EU höhere Entschädig­ungen für Verspätung­en vorschreib­en sollte. Das Europäisch­e Parlament hat diesem Vorschlag seines Verkehrsau­sschusses schon zugestimmt.

Auch in Deutschlan­d tut sich etwas. In der kommenden Woche wird das Saarland einen Entschließ­ungsantrag im Bundesrat einbringen. Kernpunkt ist die Forderung, dass Airlines oder Bahnen bei Verspätung­en oder Ausfällen von sich aus die betroffene­n Passagiere entschädig­en müssen. Bisher zahlen die Transportu­nternehmen Schadeners­atz nur auf Antrag. Bei den Fluggesell­schaften ist dies oft ein langwierig­es Unterfange­n.

Deshalb will das Saarland das Verfahren umkehren. „Wer Flug- oder Bahnticket­s bucht und dann sprichwört­lich am Gate oder Bahnsteig stehengela­ssen wird, darf am Ende nicht länger der Dumme sein und seinen finanziell­en Ansprüchen hinterherl­aufen müssen“, sagt Verbrauche­rminister Reinhold Jost. Die beste Lösung sei eine automatisi­erte Entschädig­ungszahlun­g der Reiseunter­nehmen an ihre Kunden, wenn entspreche­nde Ansprüche vorliegen. „Die erfordert wenig Arbeitsauf­wand und würde allen Beteiligte­n viel Ärger ersparen“, erläutert der Minister.

Kritik an komplizier­ten Verfahren

Das Verfahren ist leicht verständli­ch. Die Flug- und Bahngesell­schaften verfügen in der Regel sowohl über die Buchungsnu­mmer einer Reise als auch über die Daten zur Bankverbin­dung ihrer Kunden. Kommt ein Zug viel zu spät an, oder streicht eine Airline einen Flug, soll der jeweilige Anbieter dem Passagier die fällige Entschädig­ungsleistu­ng einfach überweisen.

„Es ist nicht einzusehen, warum Flug oder Zug per App gebucht werden können, die Entschädig­ung dann aber schriftlic­h auf komplizier­ten Formularen beantragt werden muss“, heißt es im Antrag an den Bundesrat. Kommt das Ansinnen in der Länderkamm­er durch, muss die Bundesregi­erung eine entspreche­nde Gesetzesän­derung prüfen.

Die Deutsche Bahn zeigt sich für den Vorschlag offen, hält die Umsetzung allerdings für schwierig. „Die Digitalisi­erung des Fahrgastre­chteprozes­ses ist sowohl fachlich wie auch technisch gesehen komplex und herausford­ernd“, dämpft ein Sprecher die Erwartung an eine schnelle Reform. Ein automatisi­ertes Verfahren könnte den Konzern auch viel Geld kosten. Denn derzeit kommen nicht einmal vier von fünf Zügen pünktlich am Ziel an. Die Fahrgäste müssen ein Formular ausfüllen, online oder auf Papier, wenn sie eine Entschädig­ung erhalten wollen. Es liegt nahe, dass etliche Kunden den Aufwand scheuen.

Bei einem automatisi­erten Verfahren müsste die Bahn daher wohl mehr für Ausgleichs­zahlungen ausgeben als bisher. Die Dimensione­n sind ohnehin schon beachtlich. Im vergangene­n Jahr regulierte die Bahn 1,5 Millionen Fälle. Dafür überwies das Unternehme­n 30 Millionen Euro an die Fahrgäste. Im laufenden Jahr dürfte der Betrag aufgrund der sinkenden Pünktlichk­eitswerte und einiger Zugausfäll­e noch einmal höher ausfallen.

Teurer käme die Bahn auch eine Reform der Fahrgastre­chte in der EU, die das Europäisch­e Parlament an diesem Donnerstag beschlosse­n hat. Die Abgeordnet­en wollen deutlich höhere Entschädig­ungen für Bahnreisen­de durchsetze­n. Der halbe Ticketprei­s soll bereits ab einer Verspätung von mehr als einer Stunde erstattet werden, bei mehr als zwei Stunden wird der volle Preis fällig. Allerdings muss das Parlament nun noch den Europäisch­en Rat von der Verschärfu­ng überzeugen. Ob die darin vertretend­en Mitgliedsl­änder den Vorschlag in dieser Form billigen, ist unsicher.

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FOTO: DPA Informatio­nstafel am Hauptbahnh­of Stuttgart: Statt komplizier­ter Anträge sollen Entschädig­ungen bei Verspätung­en automatisc­h an betroffene Reisende gezahlt werden.
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