Evolution 2.0
Darwins Hauptwerk in einer neuen Übersetzung
Auf den Galapagos-Inseln reitet er Schildkröten und wirft Echsen ins Meer, um herauszufinden, ob es sich um Land- oder Wasserbewohner handelt. Wissenschaft kann so einfach sein. Wie unterhaltsam Charles Darwin (1809 1882) über seine Theorien zu schreiben wusste, belegt auch die Tatsache, dass sein am 24. November 1859 erschienenes Hauptwerk „Über die Entstehung der Arten“in nur 24 Stunden ausverkauft war.
Bis heute gilt Darwins Evolutionstheorie als bahnbrechend. Nachdem er von so manchem Biologen ein Jahrhundert lang nur als „verkappter Lamarckist“verlacht wurde, haben neueste DNA-Analysen die Thesen des 1809 geborenen Engländers bestätigt. Nicht nur, weil sich mit ihnen die Varianz innerhalb einer Art erklären lässt, sondern auch, weil sie belegten, dass alle Lebewesen miteinander verwandt sind. Darwin ist gerade „besonders aktuell“, allein das schon rechtfertige eine Neuübersetzung seines Hauptwerkes, schreibt der Zoologe Josef H. Reichholf in seinem Nachwort zu derselben. Nötig sei diese, weil auch die Sprache gewissen Veränderungen unterliege, die sich mit denen der Evolution durchaus vergleichen ließen.
Spannend zu lesen
Schon der Titel der Neuausgabe „Der Ursprung der Arten“macht deutlich, dass es die neue Übersetzung ernst meint. Charles Darwin sei es eher um den „Ursprung der Vielfalt“als um „neue Arten“gegangen, erklärt Reichholf den Grund für den geänderten Titel. Das mag ein wenig übers Ziel hinausschießen. Sonst aber lässt sich an der Neuübersetzung nicht viel aussetzen. Eike Schönfeld schafft es, die Sprache aus dem 19. Jahrhundert in ein modernes Deutsch zu übersetzen, ohne dass dabei der Charakter des Werkes verloren geht. Er bezieht sich auf die letzte von Darwin selbst überarbeitete 6. Auflage aus dem Jahr 1872 und ist nicht zimperlich, wenn es darum geht, Sätze auf den Kopf zu stellen. Der Text liest sich deutlich besser als die bisherige Standardübersetzung von Victor Carus.
Bestimmte Begriffe und Formulierungen wie „Rasse“oder „Kampf ums Überleben“behält die Neuübersetzung zwangsläufig bei, obwohl sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von totalitären Regimen vereinnahmt wurden und heute als belastet gelten. Allerdings geht das Nachwort auf dieses Problem dezidiert ein. Lateinische Fachbegriffe wurden ebenso wie fremdsprachige Passagen eingedeutscht, und ein neues Glossar ergänzt den Band. Lediglich ein paar mehr Bildtafeln hätte das Buch vertragen. Der bunte Schuber verspricht mehr als die Ausgabe einlöst. So hätte Darwin heute im Internetzeitalter sicher noch mehr Leser erreicht.
Neu übersetzt von Eike Schönfeld. Klett-Cotta Verlag, 612 Seiten, 48 Euro.