Unter Geiern
Das französische Beárn überrascht mit lautem Motorengeräusch und stillen Wandergebieten gleichermaßen
Die Stadt, der Frankreich seinen menschenfreundlichsten König verdankt, ist erfüllt vom Röhren der roten Wagen der Formel 3, die über den Rundkurs zwischen den Häusern brettern. Hoch darüber thront unbeeindruckt das Schloss mit den viereckigen Türmchen, in dem der spätere Henri IV. 1553 auf die Welt kam. Der Herrscher, der jedem seiner Bauern sonntags ein Huhn in den Topf wünschte.
Heute könnte er gerührt feststellen, dass jedes Restaurant neben der traditionellen Kohlsuppe „Garbure“auch sein Sonntagshuhn auf der Karte hat: „Le Poule au Pot“, geschmort mit Karotten, Thymian, Lauch und Zwiebeln. Geradezu entzückt würde er über den Boulevard de Pyrénées mit seinen herrschaftlichen Fassaden flanieren, mit dem sich Pau Anfang des 19. Jahrhunderts ein elegantes Gepräge verschafft hat. Fast zwei Kilometer lang ist dieser Balkon der Stadt, auf dem die weißen Gipfel der Pyrenäen in der Ferne zu sehen sind.
Besuch im Fort
Pau mit seinen heute 80 000 Einwohnern ist die Hauptstadt des Beárn im Südwesten Frankreichs. In dieser heiteren Landschaft wuchs Henri IV. auf. Fährt man nach Süden, steigt das Land allmählich sanft an. Die Berge werden höher, das Tal von Aspe kommt in Sicht. Die Viehzucht bildet hier die wichtigste Einnahmequelle. Kleinbetriebe produzieren Kuh- und Schafskäse, der in Paris hochgeschätzt wird und dort schon mal das Doppelte kostet wie vor Ort.
Im Tal steht bei Urdos ein riesiges Fort an der Verbindungsstraße zum Nachbarland Spanien. Fast 100 Meter hoch wurde es in den Fels gehauen und gemauert. Treppenfluchten ziehen sich hoch und runter, Wachgänge wurden in den Fels geschlagen, in der Küche rosten die gewaltigen Suppenschüsseln vor sich hin, aus denen 400 Soldaten verköstigt wurden.
Der Blick geht zur benachbarten Felswand. Es scheint, als sei eine Schnur schräg an den steil abfallenden Stein geklebt worden. Tatsächlich aber ist es der Mastenweg, Chemin de la mature, der von hier aus alles andere als begehbar erscheint. Ende des 18. Jahrhunderts wurde er in den Fels gesprengt, um darüber Holz für Schiffsmasten aus dem Tal der Sesconé transportieren zu können. Die zwei Meter breite Rinne in der Wand ist heute für Wanderer zugänglich. Über Schotter und scharfkantige Kalksteinbrocken geht es aufwärts, rechts fällt der Fels 200 Meter senkrecht ab, links steigt er steil an. Haselnussbüsche und Birken klammern sich an die Abbruchkante, mit Schauder geht man auf die Knie und blickt in die Tiefe, wo an schönen Tagen ambitionierte Kletterer in den Felsen hängen.
Sieben bis acht Stunden dauert es, bis man bei den Seen von Ayous ankommt und damit schon im Nachbartal, dem Valle d’Ossau. Schnee liegt auf 1800 Meter Höhe. In den tiefer gelegenen Hochebenen pfeifen Murmeltiere und hoch am Himmel kreisen Geier. Sie sind inzwischen wieder feste Bewohner des Nationalparks Pyrenäen. 340 Paare Gänsegeier nisten in den Bergen. Die Patrouille der Lüfte nutzt den Luftstrom entlang der Wände und frisst nur Aas. Dies und noch anderes Wissenswerte über die Krummschnäbel erfährt man im Geierhaus von Aste-Béon. Dort lernt man auch, dass 25 Paare Lämmergeier im Nationalpark brüten. Sie greifen sich schon mal ein Lamm, überlassen das Fleisch allerdings gern Milanen und Füchsen und tun sich dann an den Knochen gütlich, welche sie von sehr weit oben auf Felsen zersplittern lassen. Auch Bären sind wieder heimisch geworden: 43 sind es derzeit, nachdem 1995 nur noch drei übriggeblieben waren.
Mysteriöse Steinkreise
Mal weißschäumend, mal gläserntürkis schießt die Gave d’Ossau zwischen Felsen und Wiesen dahin. Auch hier gibt es wunderbare Wanderwege. Zwei Stunden nur dauert der Rundkurs zu den „Cromlechs“, den Steinkreisen auf dem Plateau von Bénou. Welche Kultur auch immer es war, die das Dutzend Kreise mit einem Durchmesser von vier bis fünf Metern zusammengetragen hat – die Baukünstler haben mit ausgeprägtem Gespür für Erhabenheit einen der schönsten Plätze gewählt. Weit geht der Blick von hier ins Tal mit seinen grün gepolsterten Hügeln und den schroffen, grauen Felsen, und schweift über die Seitentäler, aus denen Nebel wie dünne Rauchschwaden aufsteigen.
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