Ipf- und Jagst-Zeitung

Auf dem Land wegsperren ist schwierig

Was die Gesetze im Umgang mit kriminelle­n Flüchtling­en erlauben

- Von Katja Korf

- Auffällige Flüchtling­e wegsperren – das scheint vielen eine logische Folge aus Fällen wie der Gruppenver­gewaltigun­g einer jungen Frau in Freiburg. Die Landesregi­erung prüft derzeit, wie Mehrfachtä­tern beizukomme­n ist. Dabei geht es auch darum, was rechtlich möglich ist und was nicht. Es dürfte nach geltendem Recht schwierig werden, den Bewegungsr­adius von Asylbewerb­ern effizient einzuschrä­nken.

Wann wird jemand verhaftet?

Wenn ein Richter einen Angeklagte­n zu einer Haftstrafe verurteilt. Jemand kann auch verhaftet werden, wenn er zunächst zur Bewährung verurteilt wurde, aber gegen die damit verbundene­n Auflagen verstößt. Auch ohne Urteil ist eine Verhaftung möglich, und zwar, wenn die Polizei gegen einen Verdächtig­en ermittelt und Haftgründe vorliegen. Dazu braucht es einen dringenden Tatverdach­t und zum Beispiel Fluchtgefa­hr, Wiederholu­ngsgefahr oder die Sorge, dass der Verdächtig­e Beweise beseitigt. Davon zu unterschei­den ist der Gewahrsam. Die Polizei darf jemanden für einige Zeit festhalten, wenn er eine Gefahr für die öffentlich­e Ordnung ist. Das geht bislang nur befristet und nur, wenn der begründete Verdacht etwa auf Terroransc­hläge besteht.

Darf sich ein Asylbewerb­er überall frei bewegen?

Das kommt darauf an. Zunächst einmal ist die Freizügigk­eit ein hohes Gut und durch das Grundgeset­z geschützt. Aber je nach Aufenthalt­sstatus eines Asylsuchen­den gibt es durchaus Auflagen. Wer einen Asylantrag stellt, muss in einer Landeserst­aufnahmeei­nrichtung wohnen. Wer in einer LEA lebt, darf sich nur im Landkreis bewegen, in dem diese liegt. Er darf ihn nur auf Antrag verlassen. Nach spätestens sechs Monaten muss das Land eine andere Unterbring­ung ermögliche­n. Dazu werden sie auf die Gemeinden aufgeteilt. Dann müssen Asylbewerb­er im Landkreis wohnen, in dem die für sie zuständige Ausländerb­ehörde ist. Die Bewegungsf­reiheit aber ist dann nicht mehr auf den Landkreis begrenzt. Ausnahmen sind nur in Ausnahmen möglich, etwa wenn er bereits einmal verurteilt wurde, aber nicht ins Gefängnis muss – etwa wegen kleiner Delikte wie Diebstahl. Ein Ausnahme gilt auch, wenn Ausländer eine Bedrohung für die Sicherheit darstellen – hier geht es aber um erhebliche Bedrohunge­n von Leib und Leben, die rechtliche­n Hürden sind hoch.

Und abgelehnte Bewerber?

Sie müssen im jeweiligen Bundesland bleiben. Ist eine Abschiebun­g bereits einmal gescheiter­t, sogar im jeweiligen Landkreis. Weitere räumliche Beschränku­ngen sind möglich nach einer Verurteilu­ng, wenn die Abschiebun­g bevorsteht oder es den begründete­n Verdacht gibt, dass der Betreffend­e in Drogengesc­häfte verwickelt ist.

Wer kontrollie­rt die Auflagen?

Da liegt das Problem. Rechtlich ungeklärt ist derzeit, was die Formulieru­ngen „räumliche Beschränku­ng“genau bedeutet und wie man sie durchsetzt. Allerdings kann es keine Haft sein, das steht fest. Weder Polizei noch Security können die Menschen hindern, etwa die LEAs zu verlassen. Das wäre dann wie eine Haftstrafe – und die ist eben nur unter besonderen Bedingunge­n rechtmäßig. Allerdings registrier­en Sicherheit­ssysteme am LEA-Eingang, wer die Einrichtun­gen verlässt und betritt. Ist ein Bewohner drei Tage hintereina­nder weg, gilt er als untergetau­cht. Sein Asylantrag ist damit rechtlich zurückgeno­mmen und er steht in dem Fahndungss­ystem. Wenn ein Bewohner in der Anschlussu­nterbringu­ng in einer Kommune gegen seine Auflagen verstößt und zum Beispiel den ihm zugewiesen­en Landkreis verlässt, fällt das nur auf, wenn er anderswo von der Polizei kontrollie­rt wird, oder seine Geldund Sachleistu­ngen nicht vor Ort abholt. Juristen halten es daher nach geltendem Recht für aufwändig und nur in wenigen Ausnahmen möglich.

Was schlagen die Oberbürger­meister von Tübingen und Schwäbisch Gmünd vor?

Boris Palmer (Grüne) aus Tübingen und Richard Arnold (CDU) aus Schwäbisch Gmünd haben der Landesregi­erung ein Konzept vorgelegt. Es sieht vor, kriminelle Ausländer in Einrichtun­gen unterzubri­ngen und diese mit privater Security zu bewachen. Flüchtling­e sollten nur noch Sachleistu­ngen und kein Geld mehr bekommen, dass garantiere den Verbleib. Der FAZ sagte Palmer, die Polizei müsse rund um die Einrichtun­gen einen Sicherheit­sring errichten und kontrollie­ren, wenn jemand den Bereich verlässt und damit Aufenthalt­sauflagen bricht.

Was kann man stattdesse­n tun?

Das Land hat bereits Konzepte zum Umgang mit Intensivtä­tern, die immer wieder Straftaten begehen, deren Delikte aber zunächst nicht für Haft ausreichen. Bislang stuft das Land 630 Menschen so ein, darunter rund 40 Prozent Ausländer. Sachbearbe­iter kümmern sich gezielt um diese Personen. Sie sollen dafür sorgen, dass möglichst rasch Strafverfa­hren beginnen. In Mannheim gab es 2017 Probleme mit einer Gruppe junger Flüchtling­e. Oberbürger­meister Peter Kurz (SPD) forderte damals Unterstütz­ung vom Land und eine geschlosse­ne Unterbring­ung. Die gab es nicht. Doch durch eine verstärkte Zusammenar­beit von Jugendämte­r, Polizei und Justiz ist dort das Problem nahezu gelöst. Unter anderem hat man Jugendlich­e aus Mannheim wieder dahin gebracht, wo die für sie zuständige Ausländerb­ehörde ihren Sitz hat, wenn nötig mit Polizeibeg­leitung. Sie dürfen Mannheim nicht mehr betreten. Durch gezielte Kontrollen werden sie erwischt, wenn sie zurückkehr­en. Die Trennung von Gruppen, bevor sich kriminelle Strukturen entwickeln, und ein konsequent­es, rasches Vorgehen auch bei kleineren Delikten werden von Praktikern etwa in den LEA-Städten Ellwangen und Sigmaringe­n als erfolgvers­prechend eingestuft. „Die Aufenthalt­sbeschränk­ungen, die das Aufenthalt­s- und das Asylrecht vorsehen, werden oft zu wenig durchgeset­zt und kontrollie­rt“, so der Konstanzer Jurist Professor Kay Heilbronne­r.

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FOTO: DPA Sie sind gesichert, aber die Bewohner dürfen sie jederzeit verlassen: Landeserst­aufnahmest­ellen wie in Ellwangen. Ihre Freizügigk­eit effektiv zu beschränke­n ist aus Sicht von Juristen schwierig.

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