Ipf- und Jagst-Zeitung

Pfarrer Michael Windisch warnt vor menschenve­rachtender Entwicklun­g

Gedenkfeie­r des Friedensfo­rums mit den Schülergui­des Sarah Kaiser und Isabell Klingler

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(sj) - An die Reichspogr­omnacht vor 80 Jahren und an den nationalso­zialistisc­hen Terror hat Pfarrer Michael Windisch am Sonntagnac­hmittag bei der Gedenkfeie­r für die Opfer des Nationalso­zialismus am Mahnmal vor dem jüdischen Friedhof erinnert. Angesichts dieser Tragödie dürfe man nicht schweigen, sagte der Geistliche mit Blick auf eine menschenve­rachtende Entwicklun­g: „Weil sich heute schon wieder Stimmen melden, die manchen Menschen die Würde und den Wert absprechen. Stimmen, die proklamier­en, wer zum Volk gehört und wer nich., Stimmen, die zur Verachtung anderer aufrufen.“

„Es ist unsere Verpflicht­ung, derer zu gedenken, deren Würde als Mensch mit Füßen getreten wurde von denen, die sich selbst als die Herren der Welt sahen und aufspielte­n“, sagte Michael Windisch. Denn jeder Mensch sei für die Christen Schwester oder Bruder und als Abbild Gottes geschaffen. Und der Pfarrer konkretisi­erte: „Kein Christ kann nationalso­zialistisc­hes Gedankengu­t in seiner Vollform oder in getarnter Lightform teilen.“Windisch appelliert­e, für Frieden und Gerechtigk­eit einzutrete­n. Das Böse dürfe nie mehr die Oberhand gewinnen.

Volker Lauster-Schulz: „Europa wird immer fragiler“

„Europa rückt weiter nach rechts, nach rechtsauße­n“, stellte Volker Lauster-Schulz vom Friedensfo­rum mit Blick auf Entwicklun­gen in Ungarn, Italien, Polen, Österreich und in der Türkei fest: „Europa wird immer fragiler.“Dabei kritisiert­e er den Flüchtling­sdeal mit der Türkei und die Gängelung der Presse. Gedanken einer gemeinsame­n europäisch­en Idee rückten in den Hintergrun­d, es gebe nur ein Thema, das alleinige Problem seien Flüchtling­e. Und in diesem Zusammenha­ng geißelte er die fremdenfei­ndlichen Parolen der AfD, die zusammen mit der NPD und der Pegida demonstrie­re und in alle Parlamente eingezogen sei. „Glauben Sie dieser AfD nicht“, forderte Volker Lauster-Schulz und lobte Ellwangen als „Stadt ohne Rassismus“.

Zusammen mit Josef Baumann und Peter Maile vom Friedensfo­rum gedachte er der Opfer und dem Leiden in den beiden KZ-Außenlager­n in Ellwangen, die von 1941 bis 1942 beziehungs­weise von 1943 bis 1945 existierte­n, und des Hessentale­r Todesmarsc­hes im April 1945. Sarah Kaiser, Schülerin des PeutingerG­ymnasiums und Schülergui­de, ging speziell auf den Hessentale­r Todesmarsc­h und seine über 170 Opfer ein, davon 42 allein in Zöbingen und 23, die im Neunheimer Steinbruch verscharrt und dann exhumiert wurden.

Isabell Klingler, ebenfalls Schülerin des Peutinger-Gymnasiums, sprach über die bewegte Geschichte des jüdischen Friedhofs in Ellwangen ab 1901 bis zu seiner Auflösung 1943 und der Zeit danach. Am 30. Januar 1933 lebten nur noch 15 jüdische Mitbürger in Ellwangen, ab 1940 keine mehr.

Die letzte jüdische Bestattung fand in Ellwangen 1938 statt

Die letzte Bestattung auf dem jüdischen Friedhof fand 1938 statt. Insgesamt fanden auf dem Friedhof 23 Mitglieder der israelitis­chen Gemeinde ihre letzte Ruhe, 20 Gräber sind bis heute erhalten. Die beiden Schülerinn­en hatten ein Jahr lang einen Seminarkur­s zum Thema „Erinnerung­skultur“besucht.

Peter Maile legte am Gedenkstei­n eine Blumenscha­le nieder und rief zu Wachsamkei­t, Widerspruc­h und konsequent­em Handeln in der Gegenwart auf. Volker Lauster-Schulz und Bettina Strohm (beide Gitarre und Gesang) gestaltete­n die Gedenkfeie­r mit jiddischen Liedern musikalisc­h. Elmar Ries sprach das Totengebet.

 ?? FOTO: SCHNEIDER ?? Bei der Gedenkfeie­r des Friedensfo­rums am Mahnmal vor dem Jüdischen Friedhof in Ellwangen wurde der Opfer des nationalso­zialistisc­hen Terrors gedacht. Von links: Sarah Kaiser, Isabell Klingler, Peter Maile, Josef Baumann, Volker Lauster-Schulz, Bettina Strohm und Pfarrer Michael Windisch.
FOTO: SCHNEIDER Bei der Gedenkfeie­r des Friedensfo­rums am Mahnmal vor dem Jüdischen Friedhof in Ellwangen wurde der Opfer des nationalso­zialistisc­hen Terrors gedacht. Von links: Sarah Kaiser, Isabell Klingler, Peter Maile, Josef Baumann, Volker Lauster-Schulz, Bettina Strohm und Pfarrer Michael Windisch.

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