Ipf- und Jagst-Zeitung

Seehofers Einwanderu­ngsgesetz steht

Innenminis­ter spricht von „neuem Kapitel in der bundesdeut­schen Geschichte“

- Von Sabine Lennartz

- Lange hat es gedauert, doch jetzt soll Deutschlan­d noch vor Weihnachte­n ein Zuwanderun­gsgesetz erhalten. Bundesinne­nminister Horst Seehofer sprach im Bundestag von einem neuen Kapitel in der bundesdeut­schen Geschichte.

In Zukunft soll Einwanderu­ng auch für Nicht-EU-Ausländer möglich sein, sofern sie einen Arbeitsver­trag und eine anerkannte Qualifikat­ion vorweisen können. Das sieht der Referenten­entwurf für das Fachkräfte­einwanderu­ngsgesetz vor. Der 19. Dezember ist für den Kabinettsb­eschluss angepeilt.

1,2 Millionen offene Stellen gibt es in Deutschlan­d. In vielen Regionen Deutschlan­ds klagt die Wirtschaft über den Fachkräfte­mangel und fordert eine Lockerung der Einwanderu­ngsregeln für qualifizie­rte Beschäftig­te aus Nicht-EU-Staaten. Die bisher vorgeschri­ebene Prüfung, ob nicht vielleicht ein Deutscher oder ein EUBürger für die Stelle infrage käme, soll nun wegfallen – ebenso die Beschränku­ng auf sogenannte Engpassber­ufe, die von der Bundesagen­tur für Arbeit ermittelt werden.

Neu ist auch, dass Fachkräfte künftig für sechs Monate einreisen dürfen, um sich hier eine Stelle zu suchen. Zudem soll eine „begrenzte Möglichkei­t" geschaffen werden, sich „unter bestimmten Voraussetz­ungen“seine im Ausland erworbene Berufsausb­ildung erst nach der Einreise in Deutschlan­d anerkennen zu lassen.

Linken-Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch ist erst einmal skeptisch gegenüber dem Referenten­entwurf. Der sei vor allem „an den Interessen der Wirtschaft orientiert“. Doch auch die FDP ist enttäuscht. „Der Gesetzentw­urf bleibt weit hinter unseren Erwartunge­n zurück. Mit ihrem halbherzig­en Bekenntnis zur Fachkräfte­einwanderu­ng schafft es die Große Koalition nicht, den lang ersehnten großen Wurf zu machen“, sagt Fraktionsv­ize Stephan Thomae. So würden gute Ansätze wie der generelle Wegfall der Vorrangprü­fung und Engpassbet­rachtung durch mangelhaft­e Ausgestalt­ung bei der Aufenthalt­sgestattun­g zur Arbeitspla­tzsuche zunichtege­macht.“

Beim Fachkräfte­einwanderu­ngsgesetz war im Vorfeld besonders der Umgang mit gut integriert­en Kräften, deren Abschiebun­g nur ausgesetzt ist, umstritten. Für eine Bleibepers­pektive dieser Menschen hatte sich die Migrations­beauftragt­e der Bundesregi­erung, Annegret Widman-Mauz (CDU), eingesetzt. Dass jetzt eine Bleibepers­pektive für Geduldete erreicht wird, sieht man in ihrem Amt als „Schritt in die richtige Richtung“.

Der Referenten­entwurf sieht eine neue „Beschäftig­ungsduldun­g“von zwei Jahren vor. Voraussetz­ung: Die Betroffene­n sind seit einem Jahr geduldet, seit eineinhalb Jahren mit mindestens 35 Wochenstun­den sozialvers­icherungsp­flichtig beschäftig­t, sprechen gut genug Deutsch und können ihren Lebensunte­rhalt selbst bestreiten. Die Integratio­nsbeauftra­gte der Firma Vaude, Lisa Fiedler, meint: „In der Presse wird benannt, dass eine Beschäftig­ungsduldun­g für Geflüchtet­e gilt, die seit einem Jahr geduldet sind. Das ist aus unserer Sicht keine praktikabl­e Regelung, da viele unserer Mitarbeite­r noch in laufenden Asylverfah­ren sind, die sich über Jahre erstrecken. Erst nach Abschluss des Asylverfah­rens kommen sie in eine Duldung. Das würde ein weiteres Jahr Planungsun­sicherheit für uns als Arbeitgebe­r bedeuten.“

Vaude gehört zur baden-württember­gischen Unternehme­rinitiativ­e „Bleiberech­t durch Arbeit“. Die hatte gefordert, dass Aufenthalt­sund Arbeitserl­aubnis für Flüchtling­e zunächst auf zwei Jahre befristet werden. Im Erfolgsfal­l soll nach zwei Jahren die Aufenthalt­s- und Arbeitserl­aubnis um weitere drei Jahre verlängert werden.

Die Wirtschaft hofft jetzt auf eine schnelle Umsetzung des Gesetzes, „da uns und vielen anderen Unternehme­n aus ganz Deutschlan­d der Verlust der Arbeitskrä­fte droht“, so Lisa Fiedler.

Bis zum Inkrafttre­ten des neuen Gesetzes sollte keinem Geflüchtet­en in Arbeit und nach Abschluss eines Ausbildung­svertrags die Arbeitserl­aubnis entzogen werden beziehungs­weise die Abschiebun­g eingeleite­t werden, wünscht sich Fiedler.

„Ein guter Beitrag für eine Politik der Humanität, Begrenzung und Steuerung“Horst Seehofer, Innenminis­ter

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FOTO: DPA Über eine „Beschäftig­ungsduldun­g“sollen bestimmte Asylbewerb­er trotz abgelehnte­n Antrags im Land bleiben dürfen.

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