Wie wichtig Schutzwohnungen nach wie vor sind
Angebot für misshandelte Frauen ist seit jeher aktuell: Stadt zieht nach 25 Jahren Bilanz
- In Aalen gibt es sechs Schutzwohnungen. Dort finden Frauen eine Zuflucht, die zuhause misshandelt werden. Seit 25 Jahren gibt es das Konzept in Aalen – und bitter benötigt wird es seit jeher. Aktuell sind alle Schutzwohnungen in Aalen belegt.
Die Idee war damals von einer Kreisrätin gekommen. Ihr Name: Ursula Barth. „Es war 1993 Thema im Kreistag“, berichtet Barth. Im Ostalbkreis hatte es noch keine Schutzeinrichtungen gegeben und die Frauenhäuser in den angrenzenden Kreisen waren überbelegt. Auch, weil es für die Zeit nach dem Frauenhaus keine Perspektive gab.
Diskussion wird im Kreisrat hochemotional
Diethelm Winter, der damals Landrat war, brachte das Thema auf den Tisch. „Die Diskussion war sehr emotional belegt“, erzählt Barth. Sie hatte für die CDU-Fraktion ein Konzept entwickelt, dass sowohl ein Frauenhaus als akute Hilfe beinhaltete, aber als neue Idee auch Schutzwohnungen anbot. Allerdings habe es dann großen Aufruhr gegeben, dass die CDU es wage, ein eigenes Konzept zu erarbeiten. Der Kreisrat sei zu keiner Einigung gekommen – bis irgendwann eine neue Frauenbeauftragte bei der Stadt Aalen begann: Uta-Maria Steybe.
Ihr stellte Barth die Ausarbeitung vor – und fand endlich Gehör. „Es war eine Zeit, in der viele gesagt haben, dass es Gewalt gegen Frauen in Aalen nicht gibt“, sagt Steybe. Sie nahm sich des Themas an und setzte es um. „Du kannst als Politiker gute Ideen haben. Wenn du niemand hast, der sie ausführt, bringt das überhaupt nichts.“Steybe sei damals die Idealbesetzung gewesen und habe sich des Projekts sofort angenommen. Wie richtig das war, beweisen die Zahlen: Seit 2010 hat Steybe 43 Frauen und 56 Kinder durch die Wohnungen geschleust. Das sei aber nur die Spitze des Eisbergs einer Dunkelziffer, die weit höher liegen könne, sagt Steybe.
Sie betreut die sechs Schutzwohnungen der Stadt Aalen. Wenn Frauen Hilfe suchen, ist Steybe es, die mit ihnen Kontakt aufnimmt und sie während der ersten Wochen betreut. Heißt auch Alltagsarbeiten wie Einkaufen gehen zu erledigen. Denn während dieser ersten Zeit sollen die Frauen die Schutzwohnungen eigentlich gar nicht verlassen. Zu hoch ist die Gefahr, dass sie von den Männern, vor denen sie Schutz suchen, gefunden werden. „Die Polizei fährt Streife, aber wir haben auch schon böse Erfahrungen gemacht“, sagt Steybe. Es gebe Täter, die sich Urlaub nehmen, um ihre Frauen zu stalken.
Zwei Männer wenden sich in 25 Jahren an die Stadt
Das Profil der Männer sei dabei ganz unterschiedlich. „Das können Lehrer, Ärzte oder Ausländer sein – es geht quer durch die Gesellschaft“, sagt Steybe. In ihren 25 Jahren als zuständige Frau habe sie nur einmal einen Mann betreut, der vor seiner Frau geflüchtet war und einen Mann, der zwangsverheiratet wurde, ansonsten nur Frauen.
Es gebe außer den Schutzwohnungen noch andere Möglichkeiten für Frauen, die aus ihrem Zuhause fliehen müssen. Zum einen das Platzverweisverfahren: Der Mann wird von der Polizei abgeholt, bis zum nächsten Werktag eingebuchtet und muss dann dem gemeinsamen Zuhause fern bleiben. Das ginge aber nur bei fünf bis sieben Prozent der Fälle.
Dann gebe es noch das Frauenhaus, wo Frauen rundum versorgt werden. Dorthin dürfen aber keine Mütter, deren Söhne älter als 12 Jahre sind. Die Bewohner leben in einer Art Wohngemeinschaft. Wenn dort pubertierende Mädchen auf pubertierende Jungs träfen, hätten die Betreuerinnen alle Hände voll zu tun, ohne sich ihren eigentlichen Aufgaben widmen zu können, sagt Steybe. Für solche Mütter böten sich die Schutzwohnungen an.
Allerdings auch nicht für alle: „Frauen mit einem ganz starken Suchtproblem, massiven psychischen Einschränkungen oder die gar kein Deutsch sprechen, können nicht ambulant betreut werden.“Schutzwohnungen müsse es in jeder vergleichbaren Stadt geben. Die nächstgelegene Stadt mit Schutzwohnungen
„Das können Lehrer, Ärzte oder Ausländer sein – es geht quer durch die Gesellschaft.“Beauftragte für Chancengleichheit Uta-Maria Steybe über Täterprofile „Mir wäre es lieber, wir bräuchten diese Einrichtung überhaupt nicht mehr.“Oberbürgermeister Thilo Rentschler über Schutzwohnungen
ist Ellwangen. Dort gibt es mittlerweile zwei. Die Anschlussunterbringung sei aktuell schwierig, sagt Steybe. Der Wohnungsmarkt in Aalen sei katastrophal. Es gebe fast keine endgültigen Wohnungen für die Frauen, die normalerweise etwa ein halbes Jahr in der Schutzwohnung verbringen.
Außer einem ganz kleinen Kreis weiß niemand, wo die sechs Wohnungen in Aalen sind – nicht mal der Oberbürgermeister, der findet, dass es an der Zeit sei, einen Schritt weiter zu gehen. Man müsse das Thema noch einmal im Kreistag auf den Tisch bringen. „Wir hätten uns manchmal gewünscht, dass der Landkreis das stärker begleitet“, sagt OB Rentschler. Auch wenn es die Wohnungen seit 25 Jahren gebe, das sei kein Grund, ein Jubiläum zu feiern: „Mir wäre es lieber, wir bräuchten diese Einrichtung überhaupt nicht mehr.“