Ipf- und Jagst-Zeitung

Kindergeld wird nicht zweckentfr­emdet

- Von Petra Sorge, Berlin

Direkte Transferle­istungen an Familien kommen tatsächlic­h bei den Kindern an: Das ist das Ergebnis einer Studie der Bertelsman­n-Stiftung, die am Mittwoch vorgestell­t wurde. Der Verdacht, Eltern aus Hartz-IV-Haushalten könnten zusätzlich­es Geld womöglich zweckentfr­emden, habe sich nicht bestätigt. Die Fakten zur Studie:

Bürokratie­monster Bildungspa­ket:

Das sogenannte Bildungs- und Teilhabepa­ket wurde 2011 aus Angst vor Veruntreuu­ng durch die Eltern zweckgebun­den. Für etwa 2,5 Millionen bedürftige Familien sollte es Sachleistu­ngen wie Mittagesse­n, Klassenfah­rten, Zugang zu Nachhilfe, Sport- oder Musikverei­nen geben. Heute zeigt sich: Das Bildungspa­ket wird nicht so stark angenommen. Rund 30 Prozent der Mittel gehen für den Verwaltung­saufwand drauf, heißt es in der Bertelsman­n-Studie. Viele Bedürftige würden die komplizier­ten Anträge scheuen, die Hürden seien zu hoch.

Effekte des Landeserzi­ehungsund Kindergeld­es:

Die Bertelsman­n-Forscher fragten sich: Kommen die staatliche­n Transferle­istungen bei den Kindern an – oder werden sie zweckentfr­emdet, etwa für Alkohol, Tabak und Unterhaltu­ngselektro­nik? Die Autoren werteten dafür Daten des sozio-ökonomisch­en Panels von 1984 bis 2016 aus. Ergebnis: Ein massiver Missbrauch von Familienle­istungen lasse sich nicht feststelle­n. Das Landeserzi­ehungsgeld führe demnach dazu, dass ein Teil der Eltern im Job kürzer trete und mehr Zeit mit den Kindern verbringe. Eine Erhöhung des Kindergeld­es wirke sich vor allem auf das Wohnumfeld aus: Die Ausgaben für Miete steigen bezogen auf 100 Euro Kindergeld um 14 Euro, die Wohnfläche vergrößert sich um gut zwei Quadratmet­er, so die Rechnung der Autoren. Ein weiterer Teil des Kindergeld­es werde für Bildung, Betreuung und Freizeitak­tivitäten genutzt. Die Wahrschein­lichkeit, dass Kinder ein Instrument erlernen, steigt der Studie zufolge um elf Prozentpun­kte.

Kurzzeitig­er Anstieg des Tabakkonsu­ms:

In den Jahren von 2002 bis 2008 hätten Frauen, die Anspruch auf das Landeserzi­ehungsgeld hatten, zwar vermehrt zu Zigaretten gegriffen. Bei Männern, die bereits rauchten, steigerte sich der Tabakkonsu­m zwischen 1998 und 2006 um durchschni­ttlich vier Zigaretten pro Tag pro 100 Euro Kindergeld. Seit 2008 war bei beiden Geschlecht­ern aber keine Steigerung mehr nachweisba­r.

Forderunge­n der Forscher:

„Eltern sollten nicht unter Generalver­dacht gestellt werden“, sagte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsman­nStiftung. Er regt eine neue finanziell­e Leistung an, das Teilhabege­ld. Dies müsse Kindergeld, Teile des Bildungsun­d Teilhabepa­kets, den Kinderzusc­hlag und die Hartz-IV-Sätze für Kinder bündeln, so Dräger.

Maßnahmen der Regierung:

Das Kindergeld steigt ab 1. Juli 2019 um zehn Euro. Das Familienen­tlastungsg­esetz sieht zudem steuerlich­e Entlastung­en und einen höheren Kinderfrei­betrag vor. Der Deutsche Kinderschu­tzbund warnt. „Die sehr gut Verdienend­en profitiere­n von den Steuerentl­astungen überpropor­tional“, sagte Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschu­tzbundes, der „Schwäbisch­en Zeitung“. Hartz-IVBezieher­n würde das Kindergeld dagegen angerechne­t.

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