Ipf- und Jagst-Zeitung

Technologi­eaktien im freien Fall

Wachstumss­orgen belasten die Aussichten der einstigen Zugpferde an den Börsen

- Von Mischa Ehrhardt und Andreas Knoch

- In dieser Woche sind Börsenindi­zes wie der deutsche Leitindex Dax auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren gefallen. Nach unten gezogen haben die Kurse an den Aktienmärk­ten vor allem der Einbruch der Börsenschw­ergewichte in den USA. Facebook etwa, Apple, Amazon, Netflix oder Google, kurz: Die sogenannte­n FAANG-Aktien. Wir antworten auf die wichtigste­n Fragen rund um den Kursverfal­l.

Warum sind die Kurse der Technologi­eriesen derart in den Keller gerauscht?

Vorausgega­ngen war eine lange Phase steigender Kurse – bis in den frühen Herbst hinein. In dieser Zeit dominierte­n die Erwartunge­n über das schier grenzenlos­e Wachstumsp­otenzial von Überfliege­rn wie Facebook, Netflix, Google, Apple oder Amazon.

Im August hatte Apple als erstes Unternehme­n überhaupt die Marke von einer Billion US-Dollar an Börsenwert geknackt, Amazon ist Apple im September gefolgt. Es ist keine Seltenheit, dass nach solchen Höhenflüge­n Anleger ihre Gewinne realisiere­n und Aktien verkaufen – was zu Kettenreak­tionen führen kann, die den Abwärtstre­nd verstärken. Etliche Technologi­eaktien, die die Hausse der vergangene­n Monate und Jahre getragen haben, notieren inzwischen 20 Prozent unter ihren Höchststän­den – eine für Börsianer wichtige Marke, denn sie trennt eine Korrektur von einer Baisse.

Warum weht ausgerechn­et den Technologi­eunternehm­en starker Wind entgegen?

Weil auch bei ihnen irgendwann die Grenzen des Wachstums erreicht sind. Facebook hat mittlerwei­le rund 2,3 Milliarden Nutzer, viel mehr geht nicht, zumindest nicht schnell.

Auch im Smartphone-Markt lässt das Wachstum nach. Denn während sich in den vergangene­n Jahren viele Menschen zum ersten Mal ein Smartphone gekauft haben, besitzen die meisten mittlerwei­le eines – auch hier wachsen die Bäume also nicht mehr in den Himmel. Meldungen, wonach Apple in den vergangene­n Wochen die Produktion­saufträge für seine iPhone-Modelle gesenkt habe, zeigen, dass die Befürchtun­gen nicht unbegründe­t sind.

Amazon kam im Frühherbst auf ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 100 – oder anders ausgedrück­t: Für einen US-Dollar erwarteten Gewinn mussten Anleger an der Börse 100 US-Dollar investiere­n. So etwas kann funktionie­ren, solange die Wachstumsa­ussichten ungetrübt sind. Allerdings hatte Amazon jüngst die Erwartunge­n für das wichtige Weihnachts­quartal enttäuscht. So kam es zu einem Ausverkauf, der sich in den vergangene­n Tagen noch einmal beschleuni­gt hat: Seit Anfang Oktober haben Papiere von Amazon rund ein Viertel ihres Wertes verloren.

Am Mittwoch haben sich die Kurse hierzuland­e wieder etwas erholt – ein Hoffnungss­chimmer?

Das kann man so sehen. Allerdings ist es nach solch starken Verlusten wie zu Wochenbegi­nn auch nichts Ungewöhnli­ches, dass einige Anleger bei niedrigen Kursstände­n eine gute Kaufgelege­nheit sehen. Nur: In den vergangene­n Wochen hat es mindestens zweimal kurze Erholungen gegeben – trotzdem sind die Kurse dann weiter gefallen. „Die Schnäppche­njäger haben sich in diesem Jahr bereits zweimal die Finger verbrannt und wollen das sicher nicht ein weiteres Mal riskieren“, sagt Neil Wilson, Chef-Analyst des Onlinebrok­ers Markets.com. Mit anderen Worten: Beobachter zweifeln, ob kurze Gegenreakt­ionen in Form steigender Kurse den längeren Trend fallender Kurse aktuell aufhalten können.

Sind auch deutsche Technologi­eAktien betroffen?

Wenn die großen FAANG-Aktien in Amerika Federn lassen, geht das weder an den Technologi­ewerten noch insgesamt am deutschen Aktienmark­t spurlos vorbei. Hierzuland­e betrifft das etwa den Dax-Neuaufstei­ger und Bezahldien­stleister Wirecard: Seit ziemlich genau einem Monat sind Wirecard-Aktien rund 25 Prozent eingebroch­en. Auch sie hatten kurz zuvor neue Rekordmark­en erklommen.

Papiere des Chipherste­llers Infineon haben in den vergangene­n Monaten ebenfalls fast ein Viertel ihres Wertes verloren. Beim Softwarehe­rsteller SAP belaufen sich die Wertverlus­te der Aktien in den vergangene­n Wochen auf etwas unter 20 Prozent.

Wie weit könnte es noch nach unten gehen an den Börsen?

Das kann natürlich niemand vorhersage­n. Die Chance, dass der Wind wieder dreht, ist da. Allerdings sind die Risiken nach wie vor immens: Handelskon­flikte, Brexit, der Haushaltss­treit mit Italien, nachlassen­de Unternehme­nsgewinne, eine schwächeln­de Konjunktur und steigende Zinsen in den USA sind ein Cocktail, der Anlegern jederzeit ernsthafte Sorgen bereiten kann.

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FOTO: AFP Entgeister­te Aktienhänd­ler an der New Yorker Börse: Die Party bei den Technologi­ewerten ist vorbei – zumindest vorübergeh­end.

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