Ipf- und Jagst-Zeitung

Besuch beim Bären: Die Ausstellun­g „Wildnis“

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Unter dem Titel „Wildnis“präsentier­t die Schirn eine weitere Ausstellun­g. Mit der Gegenübers­tellung von Zivilisati­on und Wildheit verleiht sie den Tierbilder­n aus Afrika einen theoretisc­hen Rahmen. Das Verhältnis von Kultur und Natur, das mit der Kuhnert-Retrospekt­ive auf dem Höhepunkt der Kolonialze­it erfasst wird, bekommt in der Wildnis-Schau eine zeitliche Staffelung. Dass sich dieses Verhältnis in den Köpfen ändert, wenn die Arktis abtaut wie der heimische Kühlschran­k, ist offenkundi­g. Das Eis ist daher eines der Leitmotive dieser Ausstellun­g, sie startet und endet damit. Den Besucher empfängt ein Eisbär auf einem Eisberg. Das monumental­e Gemälde von 1894 aus der Londoner Tate gehört ins Umfeld gescheiter­ter Polar-Expedition­en. Maler Briton Rivière hat allerdings eher kommod Reiseberic­hte studiert und den Eisbär im Londoner Zoo besucht, war selbst nicht „fernab menschlich­er Spuren“, wie der Titel seines Bildes verheißt. Jacob Kirkegaard macht die „EisSchmelz­e“(2016) hörbar, eine Klanginsta­llation aus Grönland: Der Gletscher donnert und dröhnt, bröckelt und tropft. Ebenfalls aus Grönland kommen Per Kirkbys Zeichnunge­n und Radierunge­n. Seine Bilder mit Kartierung­en und Fotos von geologisch­en Formatione­n (um 1960) hat er später (1990, 2000) künstleris­ch umgesetzt. Die amerikanis­che Vorstellun­g von Wildheit hat wesentlich der Fotograf Charleton E. Watkins geprägt. Seine Aufnahmen aus dem Yosemite-Gebiet von 1865 erfassen die Bergwelt mit ihren Felsen, bewaldeten Tälern und ergiebigen Gießbächen ganz ähnlich, wie das mit den Kernregion­en der Alpen geschehen ist. Als Pendant sind daher Fotos zu sehen, die die Gebrüder Bisson 1861 von den „Eiswelten“der Alpenglets­cher gemacht haben. Dass Wildnis-Folklore beim Kitsch landen kann, wird in der Ausstellun­g nicht eigens thematisie­rt. Aber sie präsentier­t Arbeiten, die diesen Zusammenha­ng spiegeln, am deutlichst­en die „rollende Wildnis-Einheit Wolf“(2006) von Mark Dion, die wie eine Parodie auf Auswilderu­ngskampagn­en wirkt. Für Freundinne­n und Freunde des Ravensburg­er Kunstmuseu­ms: Der Nachkriegs­künstlergr­uppe Cobra widmet die Schirn eine eigene Ecke, die ein Bild der Sammlung Selinka mit Arbeiten aus den anderen Häusern dieses Schwerpunk­ts vernetzt. Bei allen geht es um Wildnis, bei Constant Nieuwenhuy­s auch noch um Eis: „Ich habe den Eisbären besucht“(1948). Der Empfang muß unfreundli­ch gewesen zu sein. (man)

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