Ipf- und Jagst-Zeitung

„Ich will ich sein“

Jung, hübsch, lesbisch: Wie Cynthia Schneider die Kommunalpo­litik auf der Ostalb erlebt

- Von Eva-Marie Mihai

- In Gremien ist Cynthia Schneider mit ihren 36 Jahren oft die Jüngste. Ihre Eigenschaf­ten als Frau und Lesbe in der Politik vertreten auf der Ostalb nicht eben den Mainstream. „Man muss ein dickes Fell bewahren und das Beste draus machen“, sagt sie schulterzu­ckend in ihrem Büro in der Friedrichs­traße in Aalen. Die zierliche Frau macht das, was ihr an Körpergröß­e fehlt, durch Energie wieder wett. Sie ist Stadträtin in Schwäbisch Gmünd, Kreisrätin und Gewerkscha­ftssekretä­rin bei der IG Metall und hat noch unzählige andere Ämter.

Angefangen hatte sie mit den Ämtern recht früh. Als Gewerkscha­ftssekretä­rin wurde sie mit zarten 18 Jahren hauptamtli­che Bildungsre­ferentin beim DGB in Stuttgart, anschließe­nd wechselte sie zur IG Metall. Gleichzeit­ig begann sie, sich kommunalpo­litisch zu engagieren. Ursprüngli­ch bei der SPD. Aber: „Der Kurs hat mir nicht mehr gefallen.“Sie wechselte zu den Linken. Der Wechsel passt zu ihr: Wenn ihr etwas nicht passt, verleiht sie dem Ausdruck.

Hohe Anforderun­g in Pflegeberu­fen

So auch den Themen, die sie politisch vertritt. Vorne dabei sind die Zustände in der Pflege. Dort gebe es hohe Anforderun­gen und die Belastunge­n seien sehr hoch, sagt sie. Und der Notstand trifft vor allem Frauen. Und Frauen im Beruf sind auch eines ihrer Haupttheme­n. Da gebe es noch einiges aufzuarbei­ten auf der Ostalb ebenso wie bundesweit. „Die Frage ist mit der Kindererzi­ehung, wie finden Frauen wieder zurück in den Job?“Teilzeitst­ellen würden oft abgelehnt. „Es gibt keine gesunde Grundlage für flexible Arbeitszei­ten.“

Um Frauen den Weg zu ebnen, bräuchten sie noch bessere und genauere Gesetze, sagt Schneider. Förderunge­n und Strukturen seien notwendig, da müsse von Anfang an vom Arbeitgebe­r unterstütz­t werden. „Dann wären beispielsw­eise auch viel mehr Frauen bereit, in den Betriebsra­t zu gehen.“Frauen müssten im Berufslebe­n anders begleitet werden. Und Frauen ihrerseits dürften sich nicht aufgrund ihrer gesellscha­ftlichen Rolle den Mut nehmen lassen. Das sei auch im Bezug auf politische Ämter oft Thema: Das weibliche Geschlecht sei den Ämtern gegenüber oft skeptisch. „Viele sagen, dass es nicht geht.“Das Problem: Es gebe oft auch Macht-Struktursp­iele in Betrieben. „Viele wollen da nicht mitmachen.“

„Es gibt manchmal ostälbleri­sches, eigenbrötl­erisches Getue.“Dabei seien Frauen mindestens ebenso fähig wie Männer, bei denen es schon mal vorkomme, dass das Gespräch von der Sachfrage abdrifte hin zu einem „Schwanzlän­genmessen“. „Hauptsache, sie sind wieder dran beim Reden.“Auch wenn es manchmal nur noch „Bullshit“sei – „das nervt, weil die Zeit dabei drauf geht.“

Sie würde sich wünschen, dass Frauen mehr zusammenar­beiten, sagt Schneider. Dann könne mehr erreicht werden. „Nur zusammen kann man was erreichen – auch heutzutage.“Dabei müsse die Solidaritä­t auch auf das Wahlverhal­ten übertragen werden. „Viele Wählerinne­n wählen nicht die Frau.“Aus Gewohnheit sei es oft doch wieder der Mann, der am Ende das Rennen mache.

Sie selbst hat sich vor den Ämtern nicht geängstigt: Bevor sie hauptamtli­ch zur IG Metall kam, hatte sie eine Lehre als Automobilk­aufrau in einem KFZ-Handwerksb­etrieb gemacht. Dabei hatte sie sich schon als Frau in einer von Männern dominierte­n Welt behaupten müssen. „Ich bin klein, war früher noch blonder und hatte oft offene Haare“, erzählt sie. „Das mach´ ich schon lange nicht mehr.“Die Männer hatten ihr zwar hinterherg­eschaut, aber weniger auf den Inhalt geachtet. „Ich trage sie jetzt streng hochgestec­kt, das wirkt seriöser.“

Allerdings baumeln mehrere Ketten um ihren Hals, „Ich liebe Glitzer und Pink.“Für ihre Tätowierun­gen bekäme sie manchmal kritische Blicke. Anders möchte sie es aber nicht haben. „Ich will ich sein, in der Arbeitsund in der politische­n Welt.“ Das erfordere zwar ein bestimmtes Maß an Mut – aber „sonst ändert sich ja bei Tätowierun­gen nichts mehr.“

Seit 10 Jahren hat sie mit ihrer Frau eine eingetrage­ne Lebenspart­nerschaft, letztes Jahr wurde dann offiziell geheiratet. „Zum Zehnjährig­en“, sagt Schneider. Es sei lustig gewesen auf dem Standesamt. „Wir wurden gefragt, ob wir den Ringtausch machen wollen“. Sie habe den ganzen „Kladeradat­sch“noch einmal machen müssen. Zu ihrer Familie zählen noch zwei Schäferhun­de und ein Pferd. Allerdings sei sie in erster Stelle mit der IG Metall verheirate­t und erst an zweiter Stelle mit ihrer Partnerin.

„Es gibt manchmal ostälbleri­sches, eigenbrötl­erisches Getue.“ „Ich will ich sein, in der Arbeits- und in der politische­n Welt.“

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FOTO: THOMAS SIEDLER „Man muss ein dickes Fell bewahren und das Beste draus machen“, sagt Cynthia Schneider.

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