Ipf- und Jagst-Zeitung

Hausaufgab­en für die Bildungsre­gion

Ausschuss diskutiert neuen Bildungsbe­richt – Viele Kinder mit Sprachdefi­ziten

- Von Eckard Scheiderer

- Die Bildungsre­gion Ostalb ist zwar insgesamt schon sehr gut aufgestell­t. Dennoch gibt es Defizite und Schwachste­llen und somit noch Hausaufgab­en zu machen. Und es gibt Dinge, „über die man regelrecht erschrickt“, wie Landrat Klaus Pavel sagt. So lässt sich das Fazit zusammenfa­ssen, das im Ausschuss für Bildung und Finanzen des Kreistags zum jüngst vorgelegte­n, zweiten Bildungsbe­richt des Ostalbkrei­ses (wir haben berichtet) gezogen worden ist.

Erschrocke­n ist Pavel etwa über die Feststellu­ng im Bildungsbe­richt, dass ein Viertel der Kinder im Ostalbkrei­s vor der Einschulun­g einen intensiven Sprachförd­erbedarf aufweise. Da gehe es nicht nur um Migrations­hintergrün­de oder Flüchtling­sfamilien, interpreti­erte der Landrat diese Zahl. Sie sei ganz sicher auch Ausdruck dafür, dass Kinder heute immer weniger buchstäbli­ch spielend Sprache erlernen könnten und dass funktionie­rende Familienve­rbünde ganz offenbar auf dem Rückzug seien.

Volker Zimmer, wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r im Bildungsbü­ro des Ostalbkrei­ses, erläuterte die Kernaussag­en des von ihm im Wesentlich­en verfassten Bildungsbe­richts (über die wir ebenfalls bereits ausführlic­h berichtet haben), und Pavel zog aus seiner Sicht weitere Schlüsse daraus. Wenn etwa von einer fortschrei­tenden Akademisie­rung der Gesellscha­ft – 2016 hatten bereits 13,5 Prozent aller Beschäftig­ten im Ostalbkrei­s einen akademisch­en Abschluss – die Rede sei, bedeute dies zugleich eine starke Nachfrage der Unternehme­n nach solchen Mitarbeite­rn. Die stark aufgestell­te Aalener Hochschule sei dafür enorm wichtig. „Wir brauchen eigentlich alle Absolvente­n auf der Ostalb, auch die höchst qualifizie­rten“, so Pavel. Und es gelte, die Hochschule Aalen weiterhin mit allem zu unterstütz­en, „was wir zur Verfügung haben“.

Förderbeda­rf in den Städten

Als „ganz schön heftig“interpreti­ert Pavel auch den Anteil an Kindern mit erhöhtem Förderbeda­rf in den drei größten Städten im Kreis: Aalen 4,7, Schwäbisch Gmünd 3,6 und Ellwangen 2,7 Prozent. Womit die Stadt an der Jagst zugleich den Kreisdurch­schnitt abbildet. Und der Landrat fühlt sich in seiner Analyse bestätigt, dass der Ostalbkrei­s zu viele junge Frauen des Studiums wegen verliere und dass die Region mehr Studienmög­lichkeiten für sie brauche. Wenn auf der Ostalb rein rechnerisc­h 1500 Studienplä­tze ohnedies fehlten, müsse das Bemühen, sie zu schaffen, darauf ausgericht­et sein, dabei neue Studienplä­tze vorwiegend im nichttechn­ischen Bereich einzuricht­en.

Rolle des Lehrers beachten

Franz Rieg (CDU) lobte am neuen Bildungsbe­richt, dass er Probleme klar aufzeige. Um den Zusammenha­ng zwischen sozialer Herkunft und realen Bildungsch­ancen aber auszugleic­hen, brauche es politische Entscheidu­ngen auf höherer Ebene. Für hilfreich würde es seine Fraktion halten, könnte man andere Paradigmen wie etwa Sozialdate­n des Jobcenters in den Bildungsbe­richt noch integriere­n. Außerdem fehle ihm persönlich darin die Rolle, welche der Lehrer bei der Bildung spiele. Die Bedeutung der Lehrerpers­önlichkeit dürfe nämlich nicht unterschät­zt werden. „Vom Feinsten“und passgenau sei diese Daten- und Faktensamm­lung, sagte Carola MerkRudolp­h (SPD). Sie zog unter anderem den Schluss, dass es dringend gelingen müsse, noch stärker an bildungsfe­rne Schichten heranzukom­men. Außerdem dürfe es keine Flucht junger Frauen wegen des Studiums geben. „Wir haben also Hausaufgab­en zu machen“, sagte die Kreisrätin.

Sprache: Gesellscha­ft geht baden

Das Wichtigste am ganzen Bericht sei, dass es ihn überhaupt gebe, meinte Karl-Andreas Tickert (Grüne) und lenkte seinen Blick auf die Sprachdefi­zite bei Kindern. Sprache, so Tickert, könne nur über soziale Kontakte vermittelt werden, aber genau da gehe die Gesellscha­ft allmählich baden. Hans-Josef Miller (CDU) warf ein, bei allen Betrachtun­gen auch die Rolle der kirchliche­n Erwachsene­nbildung nicht zu vergessen. Außerdem scheine es in Anbetracht so mancher Zahlen – unter anderem der hohe Anteil an Grundschul­lehrerinne­n und weiblicher Studierend­er an der Gmünder PH – fast nötig zu sein, gezielt Jungenförd­erung zu betreiben.

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FOTO: DPA Durch Lesen und durch soziale Kontakte Sprache erlernen – das kommt bei immer mehr Kindern aus der Mode, wie man Zahlen des neuen Bildungsbe­richts für den Ostalbkrei­s interpreti­eren könnte.

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