Einhorntunnel: Blitzer falsch eingestellt
Offensichtlich hat die Stadt an 3300 Trucker Bußgeldbescheide verschickt, die laut Gericht nicht berechtigt waren
(rz) - Zwischen Februar und Juli 2018 ist ein Blitzer am Einhorntunnel in Schwäbisch Gmünd falsch eingestellt gewesen. Das Gerät blitzte Lastwagen schon ab Tempo 60. 80 sind erlaubt. In diesem Zeitraum hatte die Stadt knapp 3800 Verfahren gegen vermeintliche Raser, alles Trucker, eingeleitet. 800 davon waren mit Punkten in Flensburg verbunden. Nach dem Urteil wurden 500 Verfahren eingestellt.
Aufgefallen waren die falsch eingestellten Blitzer, als ein Lastwagenfahrer im Sommer gegen seinen Bußgeldbescheid klagte und Recht bekam. Die Stadt räumt den Fehler ein. „Wir bedauern das sehr und können uns bei den Fahrern nur entschuldigen“, sagte Sprecher Markus Herrmann am Donnerstag. Mit einer Rückerstattung des bereits gezahlten Bußgeldes könnten die Fahrer aber nicht rechnen. „Bußgeldverfahren, die bereits abgeschlossen sind, können wir leider nicht neu aufmachen.“, Die Bezahlung des Bußgelds gleiche einem Schuldeingeständnis. Bürgermeister Joachim Bläse reagierte später konzilianter: „Wir werden in den nächsten Tagen zusammensitzen und beraten.“Es geht wohl um einen sechsstelligen Betrag.
Für Autofahrer gilt im Tunnel Tempo 80. Seit Februar wurden Lastwagen dort extra geblitzt – und zwar bereits bei Tempo 60. Die Stadt verwies in einer ersten Einschätzung auf eine generelle Regelung, nach der die Beschränkung auf Tempo 60 bei allen einspurigen Strecken gelte. Laut Stadt beschied das Gericht für die Ein- und Ausfahrten des Tunnels aber Tempo 80.
Bläse nannte in der Sitzung des Bauausschusses als Hintergrund der Misere eine „komplizierte und unklare Rechtssituation“wegen der besonderen Bauweise des Einhorntunnels. Das Problem: An den Kopfstücken der 2,4 Kilometer langen Tunnelröhre gibt es zwei Spuren in jede Richtung, die teils durch Betonwände vom Gegenverkehr getrennt sind. Die Straße verengt sich dann auf eine Spur in jede Richtung – ohne Betontrennwand. Bei einer solchen Gegenverkehrssituation schreibt die Straßenverkehrsordnung laut Stadtverwaltung vor, dass Trucker höchstens mit Tempo 60 unterwegs sein dürfen. Die betrifft derzeit auch noch die komplette B 29 von Gmünd nach Aalen.
Noch ein Problem kommt dazu: Weil es sich aus Sicherheitsgründen um sogenannte „Schwarzblitzer“ handelt, hatten die Fahrer zunächst gar keine Ahnung, dass sie überhaupt geblitzt worden waren. So konnten sich viele beim späteren Bußgeldanschreiben vermutlich gar nicht mehr an die Fahrt erinnern.
Lastwagenfahrer klagte und bekam Recht
Ein betroffener Lkw-Fahrer aus Schorndorf bekam nun Recht. Seine Argumentation: Wo sogar eine Betonwand die Kraftfahrstraße trenne, dürfe er ganz klar 80 fahren. 3300 andere Trucker haben ihre Bußgeldbescheide widerspruchslos hingenommen. In 800 dieser Fälle kam zum Bußgeld noch ein Punkt in Flensburg. Nachdem das Amtsgericht dem Schorndorfer Lkw-Fahrers Recht gegeben hat, sind 500 noch offene Fälle vom Ordnungsamt eingestellt worden.
Die Stadtverwaltung hatte nach dem Urteil das Regierungspräsidium um die Klärung der Frage gebeten, ob an den Portalen doch Tempo 80 erlaubt sei. Die Antwort war eindeutig: Tempo 80 für Lastwagen sei gestattet, die Bewertung der Stadtverwaltung sei „nicht korrekt“gewesen.
Rathaus-Pressesprecher Markus Herrmann betonte, dass die Schwarzblitzer im Tunnel natürlich weiterhin in Betrieb sind, allerdings sei die Lkw-Justierung rückgängig gemacht worden. Bürgermeister Bläse kündigt als Konsequenz an, dass der Einhorntunnel mit einer klaren Beschilderung nachgerüstet werde, um Rechtssicherheit für alle herzustellen. Er betont: „Mir tut das unendlich leid. Da ist ein Fehler passiert. Dazu stehen wir und entschuldigen uns.“Traurig sei es aber auch, mit welcher Häme nun manche Medien über Schwäbisch Gmünd herfallen.
ANZEIGEN