„Wenn ich’s nicht selbst erlebt hätte...“
In einem Buch erinnert sich Aalens ehemaliger OB Ulrich Pfeifle an seine Erlebnisse in fast 30 Jahren Amtszeit
- Fast 30 Jahre als Oberbürgermeister haben Aalen geprägt. Diese lange Zeit hat aber auch Ulrich Pfeifle geprägt. Und vor allem: Er hat in diesen fast 30 Jahren viel erlebt und gesehen: Bedeutendes, aber auch schier Unglaubliches. Jetzt, mit 13 Jahren Abstand vom Amt, hat er seine Erlebnisse und Geschichten aus drei Jahrzehnten OB in Aalen in einem Buch verewigt. Titel: „Wenn ich’s nicht selbst erlebt hätte...“. Und die gedankliche Ergänzung dieses Satzes fällt weder dem Leser noch Ulrich Pfeifle sonderlich schwer: „...dann würde ich es fast selbst nicht glauben.“
Neugierig macht nicht nur der Titel, neugierig macht auch das Coverfoto auf dem Einband: Ein junger, ranker und schlanker Ulrich Pfeifle im Outfit eines Zirkusdirektors vor einem Zirkuswagen. Moment mal – Zirkus und Kommunalpolitik? Aber langsam: Beim Lesen der insgesamt zwölf Kapitel des Buches wird sich so manches aufklären, auch dieses Motiv.
Nach seinem Abschied aus dem OB-Amt, so erzählt Ulrich Pfeifle bei der offiziellen Buchpräsentation in der Jugendstilbibliothek von Schloss Fachsenfeld, habe er zwölf Jahre lang überhaupt nicht an ein Buch gedacht. Als Rechtsanwalt dann tätig, hätte er dafür auch gar keine Zeit gehabt. In seinem großen Freundeskreis allerdings hat Pfeifle seine Erinnerungen und Geschichten, sehr zum Amüsement seiner Zuhörer, schon immer gerne zum Besten gegeben. Und dort war man dann vor gut einem Jahr zu der Überzeugung gelangt, diese Erinnerungen dürften einfach nicht untergehen.
Auf „Schmierzetteln“und alles von Hand
Sozusagen nun endgültig im Ruhestand, hat Ulrich Pfeifle dem Ansinnen schließlich nachgegeben, sich zwischen Januar und Juli diesen Jahres ans Werk gemacht und begonnen, das Erzählenswerte aufzuschreiben. Konsequent, wie er ist, täglich zwei Stunden lang, zuhause ebenso wie bei den Enkeln in Berlin, wie er aus dem Nähkästchen plaudert – und zunächst alles handschriftlich auf „Schmierzetteln“, wie er erzählt. Und ebenso konsequent alles aus dem Kopf, ohne Blick in Archive oder Zeitungsbände. Erst am Schluss hat er alles im Zwei-FingerSystem in den Computer geklopft. In Bernhard Theiss mit seiner Edition Ostalb hat Pfeifle schließlich einen Verleger gefunden, der daraus ein Buch machte.
Ganz bewusst, so plaudert Aalens Ex-OB weiter, wollte er weder eine Autobiografie verfassen noch eine Stadtgeschichte schreiben. Aber es sei halt einfach fast unglaublich, was man in fast 30 Jahren als schwäbischer OB so erlebe. Unter anderem jene Geschichte, als Anfang der 80erJahre der Direktor des kleinen und Not leidenden Zirkus’ „Bonanza“zu ihm aufs Rathaus kam und um ein Gastspiel ansuchte. Die Schilderungen des Zirkuschefs bewegten den OB schließlich dermaßen, dass er am Ende selbst in die Uniform des Zirkusdirektors schlüpfte und zu Werbezwecken auf einem der Zirkuselefanten über den Aalener Marktplatz ritt. Womit die Geschichte mit dem Titelfoto auch aufgeklärt wäre. Und weshalb Pfeifle noch heute sagt: „OB ist für mich nach wie vor der schönste Beruf auf Gottes Erdboden.“
Nur kleine Spitzen auf die aktuelle Stadtpolitik
„Ich bin sehr schonend vor allem mit den noch lebenden Zeitgenossen umgegangen“, erzählt Pfeifle in seiner knitzen Art weiter, „und noch viel schonender mit der heutigen Stadtpolitik.“Die komme ja eigentlich in dem Buch gar nicht vor – bis auf ganz wenige, gut versteckte Spitzen.
Aufgeteilt hat Ulrich Pfeifle seine lesenswerten Erinnerungen in zwölf Kapitel, in denen er in seine Geschichten und Geschichtchen geschickt auch allgemein gültige Betrachtungen und Anmerkungen mit einfließen lässt. So etwa zur badenwürttembergischen Kommunalverfassung, zum Verhältnis zwischen OB und Gemeinderat oder zum Nutzen einer Freiwilligen Feuerwehr. Freilich überwiegt das, was er zu erzählen hat, eindeutig. Manchmal auch unter Kapitelüberschriften, die sich erst auf den zweiten Blick oder beim Lesen erschließen. Kapitel vier etwa über die Anfänge des Aalener Thermalbads ist deshalb mit „Konfirmandenbläsle“überschrieben, weil er es einst als solches bezeichnet hatte, wie droben am Heuchelbach die ersten Tropfen Aalener Thermalwassers zum Vorschein kamen. „Der Zungenbrecher“, Kapitel sechs, schildert Entstehung und Werdegang des Besucherbergwerks Tiefer Stollen, was Pfeifle am Ende auch noch die Präsidentschaft im deutschen Speliotherapieverband einbrachte. Ein Wort, das zunächst kein Mensch aussprechen konnte. Relativ eindeutig hingegen die Überschrift von Kapitel fünf: „Der Puff brennt.“Als das alte Aalwirtshaus dem Bau der Westumgehung weichen sollte, war es sozusagen rechtzeitig einfach von selbst in Flammen aufgegangen.
Margret Pfeifle: Ohne sie wär’s nicht gegangen
Vorangestellt hat Pfeifle seinen zwölf Kapiteln ein Wort des österreichisch-britischen Philosophen Karl Raimund Popper: „Wer’s nicht einfach und klar sagen kann, der soll schweigen und weiterarbeiten, bis er’s klar sagen kann.“Eine Philosophie, die, wie Pfeifle bekennt, für seine ganze Amtszeit gegolten habe. Gewidmet hat Pfeifle das Buch allen voran seiner Ehefrau Margret. „Ohne sie hätte ich den Job 30 Jahre lang überhaupt nicht machen können“, sagt Pfeifle.
Dem übrigens jetzt, nachdem das Buch fertig ist, noch viel mehr einfällt, das ebenfalls wert wäre, aufgeschrieben zu werden. „Material für eine Fortsetzung wäre also sicher vorhanden“, meint er. Allerdings will er sein Erstlingswerk jetzt „erst mal sacken lassen“. Konkrete Gedanken an ein zweites Projekt, so sagt er, gebe es jedenfalls im Moment nicht.
Daten zum Buch: Ulrich Pfeifle: Wenn ich’s nicht selbst erlebt hätte...; Hardcover, 204 Seiten, Farb- und Schwarz-Weiß-Bilder; Edition Ostalb, ISBN 978-39815899-9-3; Preis: 20 Euro. Verkaufsstart im Buchhandel: Freitag, 30. November.