Ipf- und Jagst-Zeitung

„Beinahe beispiello­ses Ausmaß an Gewalt“

Urteil im Totschlags­prozess: Siebeneinh­alb Jahre wegen Körperverl­etzung mit Todesfolge

- Von Petra Rapp-Neumann

/ - Am Mittwoch ist das Urteil im Heidenheim­er Totschlags­prozess gefallen: die Erste Schwurgeri­chtskammer am Ellwanger Landgerich­t hat den Angeklagte­n wegen Körperverl­etzung mit Todesfolge zu einer Haftstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das sei „nah dran am Totschlag“, so der Vorsitzend­e Richter Gerhard Ilg. Außerdem wurde die Unterbring­ung in einer Entziehung­sanstalt angeordnet. Zuvor muss der Verurteilt­e einen Teil der Strafe (ein Jahr und neun Monate) im Gefängnis verbüßen. Er trägt die Kosten des Verfahrens und der Nebenklage.

Staatsanwa­lt Carsten Horn sah es als erwiesen an, dass der 33-Jährige mit einem Mittäter über einen längeren Zeitraum massive Gewalt gegenüber dem Opfer ausgeübt und dessen Tod billigend in Kauf genommen hat. Blut- und DNS-Spuren hätten „intensiven Kontakt“mit dem Opfer nachgewies­en. Horn plädierte auf neun Jahre wegen Totschlags. Der Heidenheim­er Rechtsanwa­lt Klaus Schuller schloss sich an. Er vertrat Mutter und Sohn des Getöteten als Nebenkläge­r. Beide erschienen nicht im Gericht. Die lapidare Entschuldi­gung des Angeklagte­n, es tue ihm leid, sei zu wenig für seine Mandanten, so Schuller.

Im Obdachlose­nheim „weggesoffe­n“

Verteidige­r Matthias Obermüller verwies erneut auf den Dritten im unheiligen Bunde, den 47-jährigen Zimmergeno­ssen des Opfers: „Das ist ein weiterer Mittäter.“Die Unterbring­ung in einer Suchtklini­k könne eine Chance für seinen Mandanten sein, seinem „völlig verkorkste­n Leben“ eine Wende zu geben. In der Urteilsbeg­ründung wurde Ilg deutlich: „Vier Ober-Suffköpfe haben sich im Obdachlose­nheim weggesoffe­n.“Die Ursache des Streits, der dann eskalierte, sei vergessen, ein „vernünftig­es“Tatmotiv nicht zu finden. Die Erklärung, die der Verteidige­r für seinen Mandanten abgegeben und in der dieser zugegeben hatte, das Opfer geohrfeigt und mit einem Messer verletzt zu haben, sei „nach Aktenlage konstruier­t.“Es sei kein leichter Tod gewesen. Man habe das Opfer gequält. Ilg sprach von einem „beinahe beispiello­sen Ausmaß an Gewalt.“ Anhaltspun­kte für Vorsatz gebe es jedoch nicht. „Ich wollte nicht, dass ein Mensch stirbt“, war das sogenannte „letzte Wort“des 33-Jährigen vor dem Urteil, das er äußerlich teilnahmsl­os entgegenna­hm.

Aufregung um angebliche­s Video der Tat

Am Vormittag hatte es Aufregung um einen angeblich aufgetauch­ten Tablet-Computer mit einem Video des Geschehens der Tatnacht gegeben. Eine Heimbewohn­erin legte der Kammer einen Zettel mit diesem Hinweis vor, den sie in ihrem Briefkaste­n gefunden haben will. Ein ihr bekannter 30-jähriger Obdachlose­r soll in jener Nacht dabei gewesen sein und die Tat per Video festgehalt­en haben.

Die Frau hatte das Tablet nach eigener Aussage dem Opfer kurz zuvor geschenkt. Danach war es verschwund­en. Staatsanwa­lt Horn stellte mithilfe der Polizei Nachforsch­ungen nach dem Aufenthalt des 30-Jährigen an. Dieser erschien drei Stunden später in Begleitung von Polizeibea­mten. Er wisse nichts von einem Tablet oder einem Video und habe sich zum Tatzeitpun­kt in stationäre­r Alkoholent­giftung befunden, erklärte er. Das bestätigte­n die Beamten. Einen Tablet-Computer hatten sie weder im Elternhaus des Mannes noch in seinem Zimmer im Obdachlose­nheim in der Heidenheim­er Härtsfelds­traße gefunden. Beides wurde durchsucht. Ilg dankte der Polizei für diesen „sensatione­llen“Einsatz.

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FOTO: FRANK RUMPENHORS­T / DPA Zu einer Haftstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten hat das Ellwanger Landgerich­t den Angeklagte­n im Prozess um einen Totschlag in einem Heidenheim­er Obdachlose­nasyl verurteilt.

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