Kanzlerin Merkel lehnt militärisches Eingreifen ab
Ukraine hofft im Krim-Konflikt auf deutsche Kriegsschiffe – Trump sagt Treffen mit Putin ab
- Eine klare Absage des Westens handelte sich die Ukraine mit ihrem Wunsch nach militärischer Unterstützung im Krim-Konflikt mit Russland ein. „Es gibt keine militärische Lösung“, erklärte Kanzlerin Angela Merkel am Donnerstag in Berlin. Auch Außenminister Heiko Maas (SPD) sprach sich dagegen aus. Die Nato reagierte reserviert. Eine Sprecherin verwies darauf, dass das Verteidigungsbündnis seit der russischen Annexion der Krim 2014 die Präsenz im Schwarzen Meer bereits erhöht habe.
Am Sonntag hatte Russland drei kleine Schiffe der ukrainischen Marine in der Meerenge von Kertsch vor der Krim aufgebracht und ukrainische Soldaten festgesetzt. Danach hatte Petro Poroschenko, der Präsident der Ukraine, gesagt: „Wir brauchen eine erhöhte Präsenz von Kriegsschiffen aus Deutschland und verbündeten Ländern im Schwarzen Meer als Botschaft der Abschreckung gegen Russland.“
Der Westen setzt jedoch weiter auf Diplomatie. CDU-Außenexperte Roderich Kiesewetter sagte am Donnerstag zur „Schwäbischen Zeitung“: „Deutschland muss vor allem im Rahmen der EU, Nato und den Vereinten Nationen die Aufmerksamkeit für die Krise im Asowschen Meer erhöhen.“Jeder Schritt der Eskalation würde Putins Propaganda in die Hände spielen. Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger (Grüne) zeigte sich besorgt. Putin breche erneut internationales Recht. „Deutschland und die EU müssen in Fragen der gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik zukünftig schneller und geschlossener auftreten“, forderte Brugger. Man müsse mit Nachdruck auf Deeskalation und eine diplomatische Lösung setzen.
Eine Lösung werde es nur im Gespräch geben, erklärte Kanzlerin Merkel. Sie werde das Thema beim heute beginnenden G20-Gipfel in Argentinien mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ansprechen. Den Auftakt wird die Bundeskanzlerin allerdings verpassen: Wegen eines technischen Defekts an ihrem Flugzeug kann Merkel erst am Freitagmorgen fliegen.
Merkel könnte in Buenos Aires die Vermittlerrolle zukommen. USPräsident Donald Trump sagte sein bereits bis ins Detail geplantes Vieraugengespräch mit Putin beim G20Gipfel nämlich ab. Als Begründung gab er an, dass Russland die ukrainischen Seeleute bisher nicht zurückgeführt habe. Der Kreml kommentierte dies spöttisch. Falls die Absage stimme, habe Putin nun „ein paar zusätzliche Stunden für nützliche Treffen“.
- Es hätte keinen unglücklicheren Zeitpunkt für Mauricio Macri geben können, sich und sein Land als G20-Gastgeber der Welt zu präsentieren. Die Wirtschaft Argentiniens steckt mal wieder in einer tiefen Krise, der Internationale Währungsfonds muss das Land retten.
Seit dem vergangenen Wochenende hat der Präsident auch noch ein massives Sicherheitsproblem. Seit den Gewaltexzessen rund um das geplatzte Finalspiel zwischen Boca Juniors und River Plate um die Copa Libertadores wurde klar: Buenos Aires hat kein Sicherheitskonzept – oder falls doch, taugt es nichts. Nun zerbrechen sich die Personenschützer der Staatschefs der größten Wirtschaftsnationen den Kopf, wie sie ihre Schützlinge vor den angekündigten Protesten der Globalisierungsgegner bewahren können. „Argentinien durchlebt einen schwierigen Moment“, sagt Julio Burdman, politischer Analyst.
Noch vor einem Jahr waren das südamerikanische Land und sein rechtsliberaler Präsident der Darling der Wall Street. Nach zwölf Jahren Isolation und linksnationaler Politik des Ehepaars Kirchner öffnete sich der Staat wieder der Welt und den internationalen Finanzmärkten. Ursprünglich dachte die argentinische Führung, sie präsentiere an diesem Wochenende der Welt, wie sehr sich die Ökonomie gefestigt habe. Aber jetzt kommen die G20-Führer und sehen eine wirtschaftliche Katastrophe am Rio de la Plata.
Noch im Juni vergangenen Jahres war Bundeskanzlerin Angela Merkel in Argentinien und lobte Macri für seine Reformen: „Wir sind sehr beeindruckt von dem Weg, den Sie mit Ihrem Land und mit Ihrer Regierung gehen“, sagte sie. „Ein Weg der Öffnung, ein Weg, der zu mehr wirtschaftlichem Wohlstand führen soll und zu mehr sozialer Gerechtigkeit.“
Aufbruchsstimmung weicht Wut
Ein Jahr später ist die Aufbruchsstimmung der Frustration, Depression und Wut gewichen. Bis April war die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas noch der aufsteigende Stern unter den Schwellenländern. Doch Ende März erhöhte die US-Notenbank die Zinsen. Investoren begannen, ihre Gelder abzuziehen. Und da Verschuldung in Argentinien in US-Dollar notiert ist, und die Defizite im Staatshaushalt sowie in der Leistungsbilanz hoch sind, ging es in Buenos Aires schneller bergab als woanders.
Im Mai konnte die Zentralbank den Verfall des Peso nicht mehr stoppen. Als der Staatschef beim IWF um einen Hilfskredit bat, nahmen die Investoren in Scharen Reißaus. Auch die Bewilligung einer Kreditlinie von 56 Milliarden Dollar konnte die Finanzmärkte nur bedingt beruhigen. Der Peso hat dieses Jahr rund die Hälfte an Wert verloren, die Inflation liegt bei fast 45 Prozent. Und in den Vorstädten von Buenos Aires und anderen Industriegürteln machen die Fabriken die Schotten dicht. Rund 30 000 Arbeitsplätze sind in den vergangenen zwölf Monaten verloren gegangen. Die Armut nimmt zu, und die Armenküchen sprießen wieder.
Fast jeden Tag protestiert irgendeine Gruppe irgendwo gegen die Sparpolitik der Regierung Macri. „Anstatt sich ins Schaufenster zu stellen, muss sich Argentinien jetzt vor der G20 als Bittsteller präsentieren,“ergänzt Analyst Burdman. Und dabei mit der Wut der Bevölkerung rechnen. Denn es gibt auch aus Sicht der Demonstranten und Gegner der Politik Macris kein besseres Schaufenster als den G20-Gipfel. Denn die ganze Welt schaut gerade auf den Südzipfel Südamerikas.
Für das Treffen werden 22 000 Bundespolizisten im Einsatz sein, unterstützt von Einheiten der Polizei von Buenos Aires und der umliegenden Provinz.