Flüchtlingsunterkunft im Kloster Weingarten schließt
Viereinhalb Jahre nach der Öffnung durch Bischof Fürst ziehen die letzten Asylsuchenden aus
- Die Flüchtlingsunterkunft auf dem Martinsberg in Weingarten (Landkreis Ravensburg) wird aufgelöst. Das hat Franz Hirth, Pressesprecher des Landkreises, auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“bestätigt. „Grund hierfür ist der anhaltend geringe Neuzugang von Flüchtlingen in den Landkreis und der damit notwendige Abbau von Kapazitäten in der vorläufigen Unterbringung“, sagt Hirth. Aktuell leben zehn Personen in der Unterkunft, die Platz für 25 Menschen bietet.
Im April 2014 hatte Bischof Gebhard Fürst von der Diözese Rottenburg-Stuttgart als einer der ersten Geistlichen in Deutschland diese kirchlichen Räumlichkeiten, die als Symbol für die Weingartener Willkommenskultur gelten, für Flüchtlinge geöffnet. Daran möchte Fürst festhalten. „Das ist für ihn sehr wichtig“, sagt der bischöfliche Flüchtlingsbeauftragte Thomas Broch. „Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe der Kirche, sich für die Integration der Geflüchteten einzusetzen.“
Im Oktober 2013 hatte Fürst nach einem Martinus-Kongress spontan erklärt, er werde leerstehende Räume im Kloster für Flüchtlinge zur Verfügung stellen. Ein halbes Jahr später zogen 39 afrikanische Männer in den Lazarettbau, der eigentlich der Akademie der Diözese als Gästehaus gedient hatte. Da sich die Zahl der Übernachtungsmöglichkeiten der Akademie dadurch um ein Drittel reduzierte, wurden im Gegenzug die übrigen 30 Gästezimmer renoviert. Im August 2015 öffnete Bischof Fürst in einer Zeit, in der zahlreiche neue Flüchtlinge nach Deutschland kamen, auch den Konventbau. Von einem Tag auf den anderen wurden 130 Menschen, vornehmlich Familien, in den ehemaligen Mönchszellen untergebracht.
Als Bedarfsorientierte Erstaufnahmestelle (Bea) sollte es die Landeserstaufnahmestellen (Lea) vorübergehend entlasten. In den folgenden acht Monaten lebten dort 1540 Flüchtlinge, bevor sie auf andere Unterkünfte im Landkreis verteilt wurden. Doch mit sinkenden Flüchtlingszahlen wurde auch die Bea Ende März 2016 geschlossen. Die vorläufige Unterkunft im Lazarettbau blieb jedoch bestehen.
Vertrag wird nicht verlängert
Dort leben bis heute afrikanische Flüchtlinge, die vom Landkreis auf die Unterkunft verteilt werden. Da die Flüchtlingszahlen weiterhin rückläufig sind, will der Landkreis den am 31. März 2019 auslaufenden Vertrag nicht verlängern. Die verbliebenen zehn Flüchtlinge werden in Anschlussunterbringungen in angrenzenden Kommunen, vor allem Ravensburg, untergebracht. „So können die Personen, die überwiegend eine Beschäftigung haben, auch weiterhin ihren Arbeitsplatz erreichen“, sagt Hirth.
Derweil arbeitet Thomas Broch an einem Konzept für die Nachnutzung des Lazarettbaus. Voraussichtlich sollen dort Flüchtlingsfamilien mit Aufenthaltsgenehmigung, die nur schwer eine Wohnung finden, untergebracht werden. Je nach Raumbedarf werden es wohl zwischen drei und fünf Familien sein. Um sie bestmöglich zu integrieren, sind auch einige Studentenwohnungen geplant. „Der Martinsberg soll als integratives Zentrum auch weiterhin eine kulturelle, geistliche und karitative Ausstrahlung haben. Und karitativ in diesem Fall für Flüchtlinge“, sagt Broch.
Dabei werden die beiden Schwestern aus Reute, die sich um die Flüchtlinge gekümmert haben, keine aktive Rolle mehr spielen. Schwester Elisa und Schwester Ines, bekannt als Gesichter der Flüchtlingsarbeit in Weingarten, haben einen anderen Einsatz zugeteilt bekommen. Dafür wird Schwester Barbara, die Erfahrungen im Umgang mit Muslimen in Indonesien gesammelt hat, nach Weingarten kommen. Allerdings wird sie im Integrationszentrum, dem ersten seiner Art im Landkreis, angesiedelt sein. „Die Personalsituation in Reute ist auch angespannt. Doch das Kloster Reute steht zur Aufgabe in Weingarten und will uns weiter unterstützen“, sagt Broch.
Was mit der sogenannten Pfründwohnung der Kirchengemeinde St. Martin im Konventbau geschieht, in der Schwester Ines und Schwester Elisa gewohnt haben, ist noch unklar. Das muss letztlich die Kirchengemeinde entscheiden. Die Nutzung des gesamten Gebäudes sei aktuell zwar offen, doch kann sich der Bischof in den Räumlichkeiten im Konventbau auch weiterhin einen neuen Orden vorstellen. „Im Sanierungskonzept gibt es Pläne für ein männliches Konvent. Allerdings gestaltet sich die Suche schwierig, ist aber noch nicht vom Tisch“, sagt Broch.
Bis dahin wird es noch eine Weile dauern. Nun muss erst einmal der Lazarettbau umgebaut werden. Bis Ende März muss zunächst der Landkreis das Gebäude so wiederherstellen, wie es 2014 angemietet wurde. Danach sollen die Räumlichkeiten dem neuen Bedarf angepasst werden. Daher rechnet Broch mit einem Bezug frühestens im April oder Mai kommenden Jahres. Mit den Plänen, die Anfang 2019 in Absprache mit der Stadt und dem Landkreis konkretisiert werden sollen, soll auch eine Brücke zum Integrationszentrum geschlagen werden. „Wir sehen den Martinsberg nicht isoliert, sondern als integratives Gesamtkonzept“, erläutert Broch.