Machtkampf bei den Linken
Die Partei streitet über die Migrationsfrage – und um den Führungsanspruch
- In der linken Bundestagsfraktion verliert die Vorsitzende Wagenknecht an Rückhalt. Vor der Migrationsklausur von Fraktion und Parteivorstand im Januar gruselt es nicht wenigen. Inhaltlich geht es um Flüchtlinge und Globalisierung. Intern geht es um den Führungsanspruch.
Wenn sich Sahra Wagenknecht dessen bewusst ist, dass ihre politische Laufbahn demnächst eine jähe Wende nehmen könnte, dann lässt sie es sich nicht anmerken. Sie erscheint kurz vor der namentlichen Abstimmung über den Koalitionsantrag zum Migrationspakt im Plenarsaal, setzt sich in eine hintere Reihe und unterhält sich mit dem Parlamentarischen Geschäftsführer Jan Korte.
Im aktuellen Kapitel des linken Dauerstreits spielt der Dienstag dieser Woche eine wichtige Rolle. Sahra Wagenknecht spricht sich an diesem Tag vor der Fraktionssitzung gegen den UN-Migrationspakt aus. „Im Kern verfehlt er die eigentliche Aufgabe, nämlich zu verhindern, dass Menschen migrieren müssen.“Das sehen in ihrer Fraktion die meisten anders. Die migrationspolitische Sprecherin Gökay Akbulut legt einen Antrag vor, der mit Kipping abgesprochen sein soll und der die Bundesregierung auffordert, dem Migrationspakt zuzustimmen. Gleichzeitig soll die Regierung sich „für die Beseitigung bestimmter Defizite“einsetzen. So werden „konkrete und verbindliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Flucht- und Migrationsursachen“verlangt. Das hätte von Wagenknecht stammen können.
Ab da wird es unübersichtlich. Haben elf oder zwölf Fraktionsmitglieder gegen Akbuluts Antrag gestimmt? Hat sich Wagenknecht der Stimme enthalten? Hat der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch der Co-Chefin erstmals die Loyalität entzogen? „Sahra Wagenknecht kommt nicht in die Fraktion. Sie erscheint“, umschreibt eine Genossin die Situation. Andererseits haben viele Angst davor, die Strahlkraft Wagenknechts zu verlieren.
Als dann am Ende der Antrag der Linken im Bundestag erwartungsgemäß abgelehnt wird, drängt sich die Frage auf, ob er eine so ausufernde Debatte wert gewesen sei. Am heutigen Freitag treffen sich Fraktion und Parteivorstand, um über Migration zu sprechen. Die Wagenknecht-Gegner erwarten, dass sich die Fraktionschefin „von der immer mehr nach rechts abdrehenden Sammlungsbewegung ‚Aufstehen‘ distanziert, sich um die Fraktion kümmert und sich mit Aussagen zur Migration zurückhält“. Andernfalls habe sie die Möglichkeit, selbst die Vertrauensfrage zu stellen.