Wenn Gott auszieht
Papst Franziskus fordert würdige Lösungen für nicht mehr benötigte Kirchengebäude
(dpa/KNA) - In Europa werden die Christen weniger und die Kirchen leerer. Den Vatikan stellt das vor eine schwere Frage: Was tun mit Gotteshäusern, die keiner mehr braucht?
In Rom beschäftigt sich seit Donnerstag eine zweitägige Konferenz des vatikanischen Kulturministeriums unter dem Titel „Wohnt Gott hier gar nicht mehr?“mit dem Thema leer stehende Kirchen. Papst Franziskus fordert zum Auftakt würdige Lösungen für nicht mehr benötigte Kirchengebäude. Dass viele Kirchen aufgrund von Gläubigenund Priestermangel oder einer veränderten Bevölkerungsverteilung zwischen Stadt und Land nicht mehr gebraucht würden, sei ein „Zeichen der Zeit“und verlange Anpassungen, sagte er.
Franziskus nannte Kirchen „heilige Zeichen“. Selbst wenn sie keinen Zweck mehr für das Gemeindeleben hätten, könnten sie durch eine „angemessene museale Darbietung“einen verkündigenden Auftrag erfüllen, so der Papst in seiner schriftlich verbreiteten Botschaft. Zugleich betonte er, Kirchen hätten „keinen absoluten Wert“. Zwar gelte es, Kirchengüter zu bewahren; nötigenfalls aber sollten sie dem Gemeinwohl und besonders dem der Armen dienen. Es sei wichtiger, Prozesse in Gang zu bringen, als Räume zu besitzen.
Bischof entscheidet
Die Entscheidung über eine Kirchenumnutzung liege jeweils beim Bischof und müsse im Gespräch mit den Gläubigen und der Zivilgesellschaft gesucht werden. Sich von Gebäuden zu trennen, dürfe dabei „nicht die erste und einzige Lösung“sein, unterstrich der Papst. Wo ein Verkauf unverzichtbar sei, solle der Schritt in einen Pastoralplan eingebettet sein und möglichst einvernehmlich erfolgen.
Das Kanonische Recht erlaubt Bischöfen, Gebäude, die nicht mehr für religiöse Zwecke zum Einsatz kommen, umnutzen zu lassen – möglichst in einer „profanen, aber nicht verkommenen“Funktion. Ist das Gebäude einmal profaniert, verliert die Kirche ihren heiligen Status und Religionsbehörden verlieren ihre Kontrolle darüber.
In der norditalienischen Metropole Mailand lässt sich beobachten, wie eine solche Neunutzung aussehen kann. Nicht alle Ideen dürften dem Geschmack des Papstes entsprechen. Wo früher gebetet und gepredigt wurde, hängt nun zeitgenössische Kunst. Oder es fließt Alkohol.
„Sicher ist es unangenehm, zu sehen, dass Bier und Schnaps auf etwas gereicht werden, was früher ein Altar war“, sagt Carlo Capponi, der die Kulturerbe-Abteilung der Mailändischen Diözese leitet. Er meint das „Gattopardo“, ein Discoclub in einer ehemaligen Kirche, die in den siebziger Jahren entwidmet wurde.
„Pilger“-Cocktail
Ein anderes Beispiel ist „La Chiesetta“(„Das Kirchlein“), ein Pub in einer früheren Kapelle aus dem 18. Jahrhundert. „Es gibt wohl einige, die uns blasphemisch nennen“, sagt Davide, Barkeeper in dem schummerigen Gemäuer. Zwischen Fresken und angestrahlten Zierbögen werden andachtsvoll benannte Cocktails gereicht: „Pilger“, „Kardinal“oder auch ein Schluck „Weihwasser“. Auch Profanes geht über die Theke, wie der „Turbodiesel“mit Whiskey und Bier. Kurienkardinal Gianfranco Ravasi, gewissermaßen Kulturminister des Vatikans, hätte gern mehr dezente Umnutzungen von Kirchen: Gemeindezentren, Konferenzräume, lokale Museen, sagte er im Juli.
„Am besten wäre es, wenn es in der Gemeinde bliebe, als ein Symbol von spirituellem, kulturellem oder gesellschaftlichem Wert“, so Ravasi. Ansonsten sollten alle religiösen Symbole entfernt werden, bevor die Gemäuer gewerblich genutzt würden. Manchmal sei es auch sinnvoller, Kirchen abzureißen, so Ravasi.
Aus Deutschland nehmen an der Konferenz die Trierer Diözesankonservatorin Barbara Daentler, Delegierte der Deutschen Bischofskonferenz im Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz, und der Bonner Liturgiewissenschaftler Albert Gerhards teil. In Deutschland wurden nach Angaben aus dem Vatikan seit dem Jahr 2000 mehr als 500 katholische Kirchen geschlossen.