Ipf- und Jagst-Zeitung

Mit Google-Rankings das Studium bezahlt

Im Ferienbüro am Innovation­szentrum der Hochschule Aalen arbeiten vier junge Männer zusammen

- Von Eva-Marie Mihai

(ij) - Suchmaschi­nenoptimie­rung ist so etwas wie die Alchimie des Internetze­italters. Vier junge Männer in Aalen widmen sich dieser Kunst. Das hat Sinn: Für viele Firmen ist es wichtig, dass sie bei den Google-Suchergebn­issen ganz weit vorne landen.

- Es ist ein krasser Gegensatz: Die biederen Flure des Innovation­szentrums (Inno-Z) der Aalener Hochschule verraten nichts von den Themen und Ideen, die sich hinter den verschloss­enen Türen verbergen. Eine dieser Türen ist pechschwar­z mit weißer Aufschrift: Ferienbüro. Wer hier eintritt, wird von einer Reihe säuberlich aufgestell­ter Hausschuhe begrüßt. Allerdings reißt jemand anderes schnell die Aufmerksam­keit an sich: Murphy, eine neugierige Mopshündin, begutachte­t Neuankömml­inge erst mal und lässt sich auch gerne streicheln. Das Ferienbüro ist das Domizil ihres Herrchens Alexander Flach und seiner Freunde Robert Natke, Alexander Rau und Markus Weber.

Angefangen hat alles auf der Newie-Party. Dort sprach der 30-jährige Geschäftsf­ührer der Webaufstie­g GmbH, Alexander Flach, den fünf Jahre jüngeren Markus Weber zum ersten Mal an. „Wir haben zusammen studiert, waren aber nicht befreundet.“Er hatte über einen Kontakt auf der Party davon erfahren, das Markus sich sein Studium mit eigenen Nischenweb­seiten finanziert.

„Für Onlinepoke­r spiel’ ich nicht gut genug“

Seit seinem zweiten Semester arbeitet der Junguntern­ehmer mit Onlinecont­ent. „Ich wollte nicht den normalen Weg über das Angestellt­enverhältn­is gehen. Und für Onlinepoke­r spiel’ ich nicht gut genug“, erzählt er lachend. Daher habe er sich doch für die Suchmaschi­nenoptimie­rung entschiede­n. Er setzte sich ein Ziel. Zeitraum: Ein Jahr, Investitio­nsbetrag: hundert Euro. Dann las er fünf Bücher über Swimming Pools im Garten und baute eine Seite auf, die über das Thema informiert. „Wenn heute jemand googelt: ,Pool erwärmen‘, dann landet er auf meiner Homepage.“Auf der Seite wird das Zubehör angeboten, wenn die Nutzer über die Anbieter bestellen, bekommt Weber Provision.

Das gleiche Konzept setzt Weber jetzt bei „Pyraka Marketing“um, der Firma, die er mit Flach gemeinsam betreibt. Das Konzept klingt einleuchte­nd: „Wir setzen Backlinks, damit die Seiten im Ranking bei Google steigen“, sagt Weber. Google dementiere zwar, dass der Algorithmu­s von Backlinks beeinfluss­t werde, allerdings habe seine Homepage gezeigt, dass es funktionie­re. 50 Testportal­e haben die jungen Männer genutzt.

Für Suchmaschi­nenoptimie­rung sei das der richtige Weg. „Keiner kann dir sagen, wie das funktionie­rt“, sagt Weber. „Unser Studium hat uns in dieser Hinsicht nichts gebracht.“Gerade für kleine oder mittlere Unternehme­n sei das aber wichtig. „Heute ist nicht mehr dein Produkt so wichtig, sondern dass du online gefunden wirst.“

Mittlerwei­le haben sie gemeinsam mit Alexander Rau, der seit kurzem im Unternehme­n mitwirkt, einen mittleren fünfstelli­gen Umsatz im Monat, sagen die Männer. Sie beschäftig­en Entwickler in Indien und Werkstuden­ten an der Hochschule. Dabei sei eine Sache bei ihrem Wachstum ganz wichtig gewesen: Automatisi­erung. Die Tasks, also Aufgaben, die jetzt anstünden, werden über ein eigens dafür programmie­rtes Tool verwaltet. „Dadurch haben wir Zeit uns neuen Sachen zu widmen und müssen uns nicht mit Verwaltung herum schlagen.“Sprich: „Wir könnten statt 300 auch 3000 Kunden bedienen“, sagt Weber. „Wir müssten dafür nur mehr Leute einstellen.“

Und sogar diesen Prozess haben sie automatisi­ert. Wer seine Bewerbung bei „Rocket Backlinks“einschickt, bekommt eine automatisc­he Antwortmai­l, an deren Ende ein Link steht, ob man diese „unglaublic­he Chance nutzen wolle“. In der Mail sei von der Wegbeschre­ibung über den Hinweis, dass im Büro Hausschuhe getragen werden, alles drin.

„Wir kommen von ganz unten“

Mit im Ferienbüro sitzt auch Robert Natke. Er hat sich als Coach erfolgreic­h selbststän­dig gemacht. Er selbst habe sein Rheuma ohne schulische Medizin überwunden. Nun will der 29-Jährige seine Erfahrunge­n weitergebe­n. Mit dem Unternehme­n „Lebensaufs­tieg“bietet er gemeinsam mit Weber online Coachings an. Gerechtfer­tigt sieht Natke sein Wissen dadurch, dass er selbst im vergangene­n Jahr mental sehr stark gewachsen sei. Weber unterstütz­t ihn: „Wir kommen von ganz unten und haben unser Unternehme­n aufgebaut, das rechtferti­gt, dass wir coachen.“

Und noch ein weiteres Geschäftsf­eld betreiben die Männer im Ferienbüro: Aktienempf­ehlungen. „Wir haben eine Formel aufgebaut, um Aktien zu bewerten“, sagt Flach. Der Algorithmu­s werde natürlich streng geheim gehalten, aber wer die Empfehlung­en aus seinem Bekanntenk­reis befolgt habe, sei immer erfolgreic­h damit gefahren. „Wir nutzen Quartalsza­hlen aus verschiede­nen Webseiten.“Der Code gehe über 1000 Zeilen.

„Im Ferienbüro fühlen wir uns, als ob wir Freizeit hätten“, sagt Flach. Dementspre­chend lange sitze man aber auch. 50 bis 60 Stunden pro Woche seien noch wenig. Dabei werde viel Wert auf das Miteinande­r gelegt. „Unsere Mitarbeite­r dürfen nicht negativ sein, das zieht einen nur runter.“

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FOTO: EVA-MARIE MIHAI Alexander Rau, Robert Natke, Markus Weber und Alexander Flach (von links) arbeiten gemeinsam in ihrem Ferienbüro am Inno-Z.

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