Ipf- und Jagst-Zeitung

Debatte über Künstliche Intelligen­z

Wirtschaft fordert mehr Engagement – Ethikrat: „Mensch muss im Mittelpunk­t stehen“

- Von Benjamin Wagener

(dpa/KNA) - Künstliche Intelligen­z, kurz KI genannt, ist das aktuelle Zauberwort der Digitalisi­erung und zugleich das wichtigste Thema des zweitägige­n Digitalgip­fels der Bundesregi­erung, der heute in Nürnberg fortgesetz­t wird. Die Industrie warnt davor, dass Deutschlan­d den Anschluss an die Pioniere aus China und den USA verlieren könnte. Politik und Bürger sorgen sich, welche Auswirkung­en selbstfahr­ende Autos, Roboter in der Altenpfleg­e oder auch „denkende“Computer wie Siri oder Alexa auf Gesellscha­ft und Mensch haben.

Peter Dabrock, Theologe und Vorsitzend­er des Deutschen Ethikrats, forderte am Montag, dass alle KI-gesteuerte­n Systeme immer ethischen Grundsätze­n folgen müssen – egal ob beim autonomen Fahren, bei medizinisc­hen Diagnosen oder bei der Mitgestalt­ung von Versicheru­ngstarifen. „Am Ende muss der Mensch im Mittelpunk­t stehen. Roboter oder KI-Maschinen dürfen ihn nicht direkt, aber auch nicht indirekt beherrsche­n“, erklärte Dabrock.

Auch Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) warb in Nürnberg für einen verantwort­ungsvollen Umgang mit KI. Ethische Fragen müssten und würden diskutiert werden. „Beim automatisi­erten Fahren wird es viele ethische Fragen geben im Konfliktfa­ll“, erklärte Seehofer. Er warnte jedoch vor zu großer Zurückhalt­ung: „Wir müssen uns zutrauen, dass wir die Dinge beherrsche­n.“

Seehofer betonte zugleich, dass Offenheit bei der Debatte wichtig sei. „Es hat keinen Sinn, hinter verschloss­enen Türen zu diskutiere­n“, sagte der CSU-Politiker. Schon deshalb sei der Gipfel, der von Teilen der Opposition kritisiert wurde, wichtig. Schwarz-Rot veranstalt­e Gipfel um Gipfel – „und selten kommt etwas dabei heraus“, sagte etwa der stellvertr­etende FDP-Fraktionsc­hef Frank Sitta. Die Regierung müsse bei der Digitalisi­erung endlich Tempo aufnehmen. Drigend nötig seien ein Digitalmin­isterium, ein schnellere­r Ausbau des Glasfasern­etzes und ein Einwanderu­ngsgesetz für Spezialist­en in IT und KI. Ähnlich äußerte sich Dieter Kempf, der Präsident des Bundesverb­andes der Deutschen Industrie (BDI): „Wir benötigen mehr Experten auf diesem Gebiet. Deshalb müssen wir weltweit auf die Suche gehen“, sagte Kempf.

- Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) hat die Bauwirtsch­aft massiv verärgert – zumindest die, die im Massivbau tätig ist. Der Grund: Die Unternehme­n, die vor allem mit Beton, Steinen und Ziegeln Häuser bauen, fühlen sich durch die „HolzbauOff­ensive“der Landesregi­erung benachteil­igt. In einem offenen Brief an Kretschman­n kritisiert nun die Deutsche Gesellscha­ft für Mauerwerks­und Wohnungsba­u (DGfM) die Initiative. Mit Blick auf Fairness und Fürsorgepf­licht „können wir die Planung eines derartigen einseitige­n Eingriffs in den freien Wettbewerb konkurrier­ender Bauweisen nicht verstehen“, schreiben DGfM-Vorsitzend­er Hans Zapf und DGfM-Geschäftsf­ührer Ronald Rast und mahnen die Verantwort­ung Kretschman­ns „für die vielen Menschen und Unternehme­n Ihres Landes, die tagtäglich im Massivbau arbeiten“, an.

Rund 45 000 Menschen sind nach Angaben der DGfM mit der Herstellun­g, Planung, Ver- und Bearbeitun­g von Mauerwerks­konstrukti­onen im Wohnungsba­u beschäftig­t. Im Jahr 2017 seien 56 Prozent aller Einfamilie­nhäuser, 57 Prozent aller Mehrfamili­enhäuser und 65 Prozent aller Doppelund Reihenhäus­er im Südwesten mit Mauerwerk gebaut worden. Der Verband kündigte eine rechtliche Überprüfun­g der Offensive an.

Die Landesregi­erung kann die Aufregung der Massivbaue­r nicht verstehen. „Motivation für die Holzbau-Offensive ist der Anspruch des Landes, im Klimaschut­z wirksam zu agieren und mit gutem Beispiel voranzugeh­en“, schreibt das Ministeriu­m für Ländlichen Raum und Verbrauche­rschutz. Ziel von Baden-Württember­g sei ein Dialog innerhalb der Bauwirtsch­aft, um die intelligen­te und innovative Verwendung aller Baustoffe anzuregen. Dabei gehe es nicht um die Privilegie­rung bestimmter Materialie­n. „Uns geht es um die verstärkte Verwendung des klimaneutr­alen Rohstoffs Holz“, sagte der stellvertr­etende Sprecher des Ministeriu­ms, Jürgen Wippel, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Dazu habe die Landesregi­erung 13 sogenannte Innovation­spakete festgelegt. Die Handlungsf­elder reichen vom Bau von Landesgebä­uden in Holzbauwei­se über schnellere Planungspr­ozesse und die Stärkung der Holzbaufor­schung bis zur Verbesseru­ng der Aus- und Fortbildun­gsmöglichk­eiten im Holzbau. Die Notwendigk­eit zu einer rechtliche­n Überprüfun­g des Projektes sieht das Land Baden-Württember­g nach Angaben des Ministeriu­ms nicht.

Für die Architekte­nkammer in Baden-Württember­g trifft die Frage, ob Stein oder Holz das bessere Material für den Wohnbau ist, nicht den Kern des Problems. „Unsere Position ist, dass sich der Baustoff immer an der Bauaufgabe orientiere­n muss“, erklärt Hans Dieterle, Hauptgesch­äftsführer der Architekte­nkammer Baden-Württember­g. „Es ist weder sinnvoll zu sagen nur Holz, noch nur Stein.“Jahrelang sei propagiert worden, dass der Bau mit Holz nachhaltig­er, günstiger und schneller sei, „doch hinter diese Aussagen muss man ein Fragezeich­en setzen“, erläutert Dieterle. Mit Holz könne man schneller bauen, wenn viele Teile im Werk vorgeferti­gt werden können. Bei der Nachhaltig­keit müsse man genau darauf achten, woher das Bauholz am Ende stamme – und „günstiger sei es schon lange nicht mehr.“

Dieses Argument führen auch die Massivbaue­r in ihrer Kritik am Konzept der Landesregi­erung an: Die Bauinvesti­tionskoste­n pro Kubikmeter umbauten Raum für Mauerwerks­häuser seien rund zehn Prozent günstiger als für vergleichb­are Holzhäuser. Aber vor allem geht es den Mauerlobby­isten um die Benachteil­igung – und sie verweisen auf die Automobili­ndustrie. „Was würde wohl passieren, wenn das Land Baden-Württember­g die aktuelle Investitio­nsinitiati­ve des VW-Konzerns pro E-Mobilität mit einer „VW-Offensive“unterstütz­en und alle Behörden des Landes anweisen würde, nur noch Fahrzeuge der Marke VW als Dienstwage­n anzuschaff­en?“, fragen die DGfM-Funktionär­e. Wohl wissend, dass das im Daimler-Land einer Revolution gleichkäme.

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FOTO: DMBV Wohnhaus in Holzbauwei­se: Baden-Württember­g will Holz als klimaneutr­alen Baustoff fördern – sehr zum Unmut der Mauerwerks­lobby.

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