Ipf- und Jagst-Zeitung

Breite Kritik an Merz-Plan

Altersvors­orge in Aktien missfällt SPD und Gewerkscha­ft

- Von Sabine Lennartz

(sal) - Die Altersvors­orgepläne von Friedrich Merz, Kandidat für den CDU-Vorsitz, treffen bei SPD und DGB einen empfindlic­hen Nerv. Merz hat vorgeschla­gen, das Sparen in Aktien steuerlich weiter zu begünstige­n. „Das ist ein milliarden­schwerer Gefallen für Reiche“, erklärte SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil am Montag in Berlin.

DGB-Vorstandsm­itglied Annelie Buntenbach sagte der „Schwäbisch­en Zeitung“: „Von Merz’ Vorschlag würden nur diejenigen profitiere­n, die eh schon genug oder mehr als genug haben.“Dagegen meint Birgit Homburger vom Deutschen Aktieninst­itut, dass Aktienspar­pläne gerade Menschen mit geringem Einkommen helfen können, eine Altersvors­orge aufzubauen. Die Deutsche Rentenvers­icherung sieht den Vorstoß eher skeptisch. Es gebe bereits staatliche Förderung für eine Reihe von Produkten, die ebenfalls auf Aktien basieren.

- Arbeitnehm­er sollten mehr mit Aktien für ihren Ruhestand vorsorgen – und der Staat soll sie dabei steuerlich unterstütz­en. Mit seinem Vorstoß hat Friedrich Merz, Kandidat für den CDU-Vorsitz, für Aufsehen gesorgt. Prinzipiel­l sei das richtig, meinen viele Wirtschaft­swissensch­aftler. SPD und Gewerkscha­ften betonen dagegen, nur die gesetzlich­e Rente sei wichtig und müsse deshalb gestärkt werden.

In Deutschlan­d besitzen nur 15,7 Prozent der Bevölkerun­g überhaupt Aktien und spätestens seit der Telekom-Aktie, für die sich nach Manfred Krugs Werbung erstmals breite Schichten von Arbeitnehm­ern begeistert­en und anschließe­nd auf die Nase fielen, ist die Skepsis gegenüber Aktien noch größer geworden.

Dabei wird die private Vorsorge angesichts der demografis­chen Entwicklun­g wichtiger werden. „Länder können die Gestaltung finanziell­er Anreize für das Sparen fürs Alter verbessern“, heißt es im neuen OECD-Bericht. Auch heute schon kann man vermögensw­irksame Leistungen in Aktienfond­s anlegen, und sogar Rürup- und Riester-Renten haben gewissen Anteile an Aktien. Deren Gewinnmarg­e wird jedoch dadurch geschmäler­t, dass sie eine Beitragsga­rantie abgeben müssen, das heißt, die Anleger müssen mit mindestens Plus-Minus Null herauskomm­en.

Friedrich Merz schlägt vor, dass die Politik Aktienprod­ukte durch steuerlich­e Anreize fördern solle. „Denkbar wäre ein jährlicher Freibetrag, unter dem man einen auf Aktien basierende­n Spar- oder Vorsorgepl­an aufbaut. Dieser dürfte im Alter nicht mehr nachverste­uert werden“, so Merz. Zentral sei, dass dieses Aktienpake­t ausschließ­lich der Alterssich­erung diene und erst dann abschlagsf­rei aufgemacht werden dürfte, wenn die gesetzlich­e Altersgren­ze erreicht sei.

Merz hält das für machbar, schließlic­h gebe der Bundeshaus­halt jedes Jahr 100 Milliarden Euro aus, um die Rentenvers­icherung zu stabilisie­ren. „Da müsste ein kleiner einstellig­er Milliarden­betrag, der zusätzlich anfällt, wenn entspreche­nde Freibeträg­e eingeführt werden, zu verkraften sein.“Die SPD reagiert empört: „Jetzt lässt Merz die Masken fallen. Was er vorschlägt, ist ein riesiger Schritt in die Privatisie­rung der Rente. Das ist ein milliarden­schwerer Gefallen für Reiche und vor allem für seine Kollegen bei Blackrock. Wir sind gerade dabei, die gesetzlich­e Rente zu stärken. Das hilft der großen Mehrheit. Das ist der richtige Weg“, sagt SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil.

Auch der DGB wirft Merz vor, kein Gefühl mehr für die Realitäten des Arbeitsleb­ens zu haben. „Gut 40 Prozent der Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er haben am Ende des Monats keinen Cent übrig, erst recht nicht für Aktiengesc­häfte. Sie kommen mit ihrem – oft sogar über mehrere Jobs – erzielten Einkommen gerade so über die Runden“, sagt Annelie Buntenbach, DGB-Vorstandsm­itglied. „Von Merz’ Vorschlag würden nur diejenigen profitiere­n, die eh schon genug oder mehr als genug haben.“

Tatsächlic­h liegen die Gefahren auf der Hand. Wenn die Aktien wie derzeit einbrechen, kann es kurzfristi­g zu Verlusten kommen. Doch je länger man spart, desto mehr lohnen sich Aktien. Die schlechtes­te historisch­e Rendite von Sparplänen pro Jahr im Dax 30 lag bei 15 Jahren bei -0,4 Prozent. Spart man über 20 Jahre, lag die schlechtes­te Rendite bei plus 2,7 Prozent. Das heißt, je länger man spart, desto größer die Chancen, sein Kapital zu vermehren.

„Aktien in der Altersvors­orge zahlen sich gerade für Arbeitnehm­er mit geringem Einkommen aus.“ Birgit Homburger, Deutsches Aktieninst­itut

Rendite von 9,7 Prozent

„Breit anlegen, lange halten, dann hat man im Schnitt eine Rendite im Dax von 9,7 Prozent, berechnet für 30Jahres-Sparpläne im Zeitraum 1967 bis 2015,“sagt Birgit Homburger. Die frühere FDP-Politikern ist Leiterin des Hauptstadt­büros des Deutschen Aktieninst­ituts. Schon mit kleinen Beträgen lasse sich viel erreichen, wenn man jung anlege, so Homburger. Dabei komme es darauf an, nicht nur auf eine oder wenige Aktien zu setzen, sondern breit zu streuen. Außerdem sollte nie das gesamte Vermögen in Aktien oder Aktienfond­s investiert werden.

Deka, das Wertpapier­haus der Sparkassen, wirbt gerade massiv für die Privatrent­en. In einer neuen Studie spricht die Deka davon, dass dem durchschni­ttlichen Rentner 769 Euro fehlen, um den Lebensstan­dard zu halten. In Baden-Württember­g seien es sogar 899 Euro. Die Deka rechnet allerdings mit 60 Prozent des letzten Bruttoeink­ommens als Bedarf, um den Lebensstan­dard zu sichern. Geläufiger ist die Rechnung mit 80 Prozent des letzten Nettoeinko­mmens.

Für den CDU-Rentenexpe­rten Peter Weiß können bei kapitalged­eckten Zusatzsyst­emen wie Betriebsre­nten oder Riester-Renten mehr Investitio­nen in Aktien Sinn machen, so Peter Weiß im „Tagesspieg­el“. Hans-Werner Sinn, Ex-Chef des Ifo-Instituts, hält Merz’ Vorstoß für eine „richtige und wichtige“Idee. Nur durch Sparen könne die absehbare Altersarmu­t gemildert werden. Und auch Ifo-Chef Clemens Fuest befürworte­t prinzipiel­l Merz’ Pläne.

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FOTO: DPA Friedrich Merz: Der Aufsichtsr­atschef des Vermögenve­rwalters Blackrock will, dass mehr Menschen mit Aktien vorsorgen.

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