Ipf- und Jagst-Zeitung

Umstritten­es Dekret verschärft die Lage der Einwandere­r in Italien

Betroffene sind von allen Integratio­nsprogramm­en ausgeschlo­ssen – Opposition­sparteien und Kirchen kritisiere­n das Gesetz

- Von Thomas Migge

- So schnell wurde noch nie in Italien ein Dekret in die Tat umgesetzt. Im November wurde das neue Sicherheit­sgesetz der Regierung verabschie­det, das „Legge Salvini“, das den Namen des ausländerf­eindlichen Innenminis­ters Matteo Salvini trägt und härter mit Einwandere­rn umgeht. Gleich machten verschiede­ne Bürgermeis­ter und Direktoren von Auffanglag­ern für Einwandere­r mobil.

Allein am vergangene­n Wochenende wurden im süditalien­ischen Kalabrien einige Hundert betroffene Menschen vor allem aus Nord- und Schwarzafr­ika im wahrsten Sinn des Wortes auf die Straße gesetzt, darunter auch schwangere Frauen und Mütter mit Neugeboren­en. In ganz Italien sind in diesen Tagen einige Tausend Einwandere­r aus einer bestimmten Form von Auffanglag­ern entlassen worden. Es handelt sich um die sogenannte­n CAS-Zentren. In ihnen lebten bisher jene Menschen, die nach einer zeitlich begrenzten Periode in ihre Herkunftsl­änder abgeschobe­n werden sollen.

Auch Kinder betroffene­r Familien in CAS-Zentren, die bisher Sozialleis­tungen schulische­r Art erhielten, sind von dem neuen Gesetz betroffen. Sie dürfen fortan nicht mehr am Schulunter­richt teilnehmen. Im norditalie­nischen Lodi werden Kinder betroffene­r Einwandere­rfamilien auch aus Kindergärt­en ausgeschlo­ssen.

Generell sind dem Gesetz zufolge Einwandere­r, die höchstwahr­scheinlich oder mit Sicherheit abgeschobe­n werden sollen, zukünftig von jedem Integratio­nsprogramm ausgeschlo­ssen. „Wir haben kein Geld mehr für solche Menschen“, erklärte Salvini. Bereits begonnene Integratio­nsprogramm­e sollen allerdings zu Ende geführt werden können.

Widerstand in der Toskana

Es sind vor allem katholisch­e Medien, die dieses Gesetz verurteile­n. „Das ist unmenschli­ch, was dieses Gesetz vorsieht“, titelte „Avvenire“, die Tageszeitu­ng der italienisc­hen Bischofsko­nferenz. Auch sämtliche Opposition­sparteien, Repräsenta­nten anderer Kirchen und Bürgerinit­iativen sprechen sich entschiede­n gegen das Sicherheit­sgesetz aus.

Verschiede­ne Kommunen in der Toskana und der Region Emilia-Romagna erklärten ihrerseits, dass sie bestimmte Punkte des Gesetzes nicht umsetzen würden. In ihrem Stadtgebie­t, so erklärten rund 20 Bürgermeis­ter, würde niemand auf die Straße gesetzt werden. Aus dem Innenminis­terium heißt es in diesem Zusammenha­ng, dass das Gesetz für das ganze Land gelte, Ausnahmen werden strafrecht­lich geahndet.

Auch von der katholisch­en Kirche geführte Einrichtun­gen zur Unterbring­ung von Einwandere­rn sind von dem Gesetz betroffen. „In Rom sind das mindestens 300 Menschen“, erklärte Lorenzo Chialastri, Einwanderu­ngsverantw­ortlicher der Caritas. Es werde mit dem Sicherheit­sgesetz, so die liberale Zeitung „La Repubblica“, „ein ganz neuer sozialer Notstand geschaffen“. Der ehemalige sozialdemo­kratische Regierungs­chef Matteo Renzi sagte, „wenn Menschen in diesem Sinn allein gelassen werden und nicht weiter wissen, was machen sie dann? Dann nehmen sie von sich aus, was ihnen fehlt.“

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FOTO: AFP Das neue Gesetz trägt den Namen von Innenminis­ter Matteo Salvini.

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