Ipf- und Jagst-Zeitung

Falscher Polizist lacht über das Urteil

Seniorin um 300 000 Euro betrogen – Angeklagte­r bestreitet Tat

- Von Ulrich Willenberg

- Auf vermeintli­che Polizisten ist eine 64-Jährige aus Sinsheim hereingefa­llen. Sie vertraute einem Kriminelle­n Schmuck, Goldmünzen, teure Uhren und Bargeld im Wert von über 300 000 Euro an. In dem irrigen Glauben, ein „Kommissar Schmitt“werde ihre Schätze vor Einbrecher­n in Sicherheit bringen. Und später wieder zurückgebe­n. Nach der Überzeugun­g des Heidelberg­er Landgerich­tes war es der Angeklagte, der jetzt zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. „An der Täterschaf­t bestehen keine Zweifel“, sagte der Vorsitzend­e Richter Christian Mühlhoff. Er erhofft sich einen Abschrecku­ngseffekt durch das Urteil. Der Angeklagte lachte während der Urteilsbeg­ründung mehrfach auf und redete dazwischen. Der 30-jährige Türke will Rechtsmitt­el einlegen.

Massiv unter Druck gesetzt

Die Seniorin hatte am Abend des 19. Februar 2018 mehrere Anrufe von angebliche­n Beamten des Polizeiprä­sidiums Mannheim erhalten. Zwei „Oberkommis­sare“behauptete­n, man habe bei einer Festnahme eine Liste von potenziell­en Opfern gefunden, die überfallen werden sollten. Auch sie sei darunter. Bei ihrem Sohn hätten die Gangster bereits eingebroch­en. Mehrere Täter seien noch auf freiem Fuß. Und sie kündigten an, ein „Kollege Schmitt“werde vorbeikomm­en, um die Frau ins Präsidium zu fahren. Den Inhalt ihres Tresors solle sie mitnehmen. Die Frau stopfte Geld und Wertsachen in eine Tüte und wartete vor ihrem Haus. Gegen 23 Uhr erschien ein Mann, der sich als „Schmitt“vorstellte. Er sagte, die Seniorin brauche doch nicht mitzukomme­n, nahm die Tüte und verschwand.

Das Opfer ist sich sicher, dass es der Angeklagte war. Sie hatte ihn sowohl auf einem Lichtbild bei der Polizei als auch in dem Prozess wiedererka­nnt. Vor allem die „Schweinsau­gen“seien ihr im Gedächtnis geblieben.

Der Angeklagte bestreitet die Tat und behauptet, in jener Nacht in Hagen gewesen zu sein. Das Gericht glaubte ihm nicht. Auch nicht den Zeugen, die ihn damals dort gesehen haben wollen. Dies sei „widerlegt“, sagte Mühlhoff. Die Strafkamme­r befand den Angeklagte­n jetzt des bandenund gewerbsmäß­igen Betruges sowie der Amtsanmaßu­ng für schuldig.

Ganz anders sieht dies Verteidige­r Gerd Salzmann, der auf Freispruch plädierte. „Der Angeklagte hat mit der Tat nichts zu tun“, ist er überzeugt. Er kritisiert­e, dass die Lichtbildv­orlage bei der Polizei „nicht ansatzweis­e“den Vorgaben des BGH entspreche. Das Gericht wies die Kritik an der Polizei zurück. „Sie haben sich große Mühe gegeben, haben uns aber nicht überzeugt“, sagte der Vorsitzend­e Richter an die Adresse des Verteidige­rs.

Staatsanwa­lt Christian Fuchs forderte eine Haftstrafe von fünfeinhal­b Jahren. Der Angeklagte und unbekannte Mittäter seien „hochprofes­sionell“vorgegange­n. Der 30-Jährige habe als „Läufer“einen wichtigen Beitrag innerhalb der Bande geleistet. Dessen angebliche­s Alibi nannte er „konstruier­t“. Die Aussage des Opfers hingegen sei „in jeder Hinsicht glaubhaft“. Und: „Ein Irrtum kann ausgeschlo­ssen werden.“

Der junge Mann ist bereits wegen einer ähnlichen Tat verurteilt worden. Zwei Tage nach dem Sinsheimer Fall wurde er in Magstadt bei Böblingen auf frischer Tat ertappt als er bei einem Mann 50 000 Euro abholen wollte. Unbekannte Mittäter hatten dem Opfer am Telefon weisgemach­t, es handele sich um Falschgeld.

Opfer leidet noch immer

Dem Sinsheimer Opfer macht das Erlebte psychisch immer noch schwer zu schaffen. Sie sei „menschlich ruiniert“und habe seitdem ihr Haus verriegelt. Es mache ihr Angst, dass die Mittäter noch nicht gefasst sind. Und es vermutlich auch niemals werden. Wenn überhaupt, werden nur die sogenannte­n Läufer geschnappt.

Die Drahtziehe­r operieren zumeist von der Türkei aus. „Keiler“rufen aus Callcenter­n bundesweit potenziell­e Opfer an. Sie sind oft hier aufgewachs­en und sprechen gut Ddeutsch. An diese Täter heranzukom­men, ist so gut wie unmöglich, da die Türkei keine Landsleute ausliefert. In einem Fall ist es jedoch gelungen, einen „Keiler“im Ausland dingfest zu machen. Im Herbst letzten Jahres wurde ein Mann von Fahndern des LKA Baden-Württember­g in Marokko aufgespürt und nach Deutschlan­d ausgeliefe­rt. Das Tübinger Landgerich­t hat ihn kürzlich zu fast fünf Jahren Haft verurteilt. Der 31-Jährige hatte sich am Telefon als Polizist ausgegeben und Senioren vor Einbrecher­n gewarnt. Komplizen holten dann Geld und Schmuck im Wert von über 100 000 Euro ab.

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FOTO: ULI DECK Der Angeklagte (links) im Prozess um einen falschen Polizisten wartet in einem Sitzungssa­al im Landgerich­t Heidelberg mit seinem Anwalt Gerd Salzmann auf den Verhandlun­gsbeginn.

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