Schwere Niederlage für May in Brexit-Debatte
Zu Beginn eines fünftägigen Debatten-Marathons über den EU-Austritt hat die Regierung von Premierministerin Theresa May am Dienstag im Unterhaus eine schwere Niederlage einstecken müssen. Die Abgeordneten stimmten mit einer Mehrheit von 311 gegen 293 Stimmen für eine von der oppositionellen Labour-Partei eingebrachte Vorlage, die der Regierung eine Missachtung des Parlaments bescheinigt. Hintergrund ist ein Streit um die Vorlage eines internen Rechtsgutachtens der Regierung.
Die britische Regierungschefin gab sich unbeirrt. Ihr mit Brüssel ausgehandeltes Verhandlungspaket stelle die richtige Lösung dar. „Die Bürger wollen, dass das Austrittsvotum respektiert wird und wir unser Land wieder zusammenführen.“Für die Verabschiedung des vor zehn Tagen mit den 27 EU-Partnern vereinbarten Austrittsvertrages sowie der dazugehörigen Zukunftsvereinbarung ist die Zustimmung des Unterhauses nötig. Diese und kommende Woche werden die Parlamentarier täglich acht Stunden lang Argumente austauschen, ehe am kommenden Dienstag die Abstimmung zu Abschnitt 13(1)(b) des Austrittsgesetzes vorgesehen ist. Da May einer Minderheitsregierung vorsteht und Dutzende ihrer Fraktionsmitglieder Gegenstimmen oder Enthaltungen angekündigt haben, gilt eine Niederlage der Regierung als wahrscheinlich.
Allein die Debatte darüber, ob die Konservativen sich der Missachtung des Parlaments schuldig gemacht hätten, gilt als beispiellose Demütigung der Regierung. Labours Brexit-Sprecher Keir Starmer erinnerte daran, das Unterhaus habe Mitte November mehrheitlich von der Regierung die Veröffentlichung eines Rechtsgutachtens verlangt. Darin hat der Generalstaatsanwalt im Kabinettsrang, Geoffrey Cox, seinen Ministerkollegen das Für und Wider zum Austrittspaket aus juristischer Sicht erklärt. Solche Gutachten müssten weiterhin der Vertraulichkeit unterliegen. Zudem veröffentlichte die Regierung eine 43seitige Zusammenfassung des Rechtsgutachtens.
Einige sehnen Chaos-Brexit herbei
Die sogenannte Auffanglösung für Nordirland, die dem Offenhalten der inneririschen Grenze dient, könne nur im beidseitigem Einvernehmen zwischen Brüssel und London gekündigt werden, sagte der Brexit-Befürworter Cox. Diese Einschränkung staatlicher Souveränität wollen die Brexit-Ultras nicht hinnehmen. Dass die Opposition auf der Veröffentlichung des gesamten Schriftstücks beharrt, hat einen Grund: Schwankende Abgeordnete auf beiden Seiten suchen nach möglichen Gründen, um dem Austrittspaket eine Absage erteilen zu können. Während sich manche ein zweites Referendum wünschen, sehnen andere den Chaos-Brexit ohne Vereinbarung herbei.
Die parlamentarische Kraftprobe stellt den Höhepunkt eines Tauziehens zwischen Exekutive und Legislative dar. Mays Regierung wollte den Brexit am liebsten ohne Unterhaus einleiten und durchziehen. Über den Austritt durften die Abgeordneten erst abstimmen, nachdem Aktivisten den Supreme Court angerufen hatten.
Beim Europäischen Gerichtshof bahnt sich nun eine weitere juristische Niederlage Mays an. Parlamentarier wollen gegen Londons Willen sicherstellen, dass das Unterhaus notfalls den EU-Austrittsantrag nach Artikel 50 zurückziehen kann. Dieser Meinung schloss sich am Dienstag der zuständige Generalanwalt Manuel Campos Sanchez-Bordona an.