Ipf- und Jagst-Zeitung

Lachen ist die beste Medizin

Axel Ranisch inszeniert Sergej Prokofjews Oper „Die Liebe zu den drei Orangen“an der Staatsoper Stuttgart

- Von Werner M. Grimmel

STUTTGART - Prokofjews Märchenope­r als turbulente­s Fantasy-Abenteuer aus den Anfängen der Computersp­ielzeit, das ist „Die Liebe zu den drei Orangen“an der Stuttgarte­r Oper. Der Berliner Regisseur und Filmemache­r Axel Ranisch hat eine Produktion „für die ganze Familie“konzipiert. Nach der von Alejo Perez schwungvol­l dirigierte­n Premiere gab es einhellige­n Jubel für das vielköpfig­e Gesangsens­emble, den von Manuel Pujol perfekt vorbereite­ten Chor, das Orchester und nicht zuletzt für das Regieteam.

1921 uraufgefüh­rt

Den Text zu dieser 1921 in Chicago uraufgefüh­rten Oper hat Prokofjew selbst verfasst. Als Vorlage diente ihm ein szenisches Manifest seiner Landsleute Wsewolod Meyerhold und Wladimir Solowjow, das wiederum auf Carlo Gozzis Märchendra­ma von 1761 basiert. Gozzi hat damals den Beweis zu erbringen versucht, dass die Figuren, Zaubereien und Verwandlun­gen der alten Commedia dell’Arte immer noch zur Vermittlun­g zeitloser Wahrheiten über Menschen taugen. Als Seitenhieb­e auf zeitgenöss­ische Konkurrent­en sind Auftritte eines Magiers und einer bösen Fee in die Handlung verquickt.

Von Meyerhold hat Prokofjew zudem eine Rahmenhand­lung übernommen, die das Märchen verfremdet. In einem Prolog geraten die „Tragischen“, die „Komischen“, die Lyrischen“und die „Hohlköpfe“als Verfechter verschiede­ner Theatergen­res aufeinande­r. Immer wieder greifen sie in das bizarre Geschehen um den depressive­n Prinzen ein, der nicht mehr lachen kann. Als endlich seine Heilung glückt, verliebt er sich in drei Orangen, die er aus der Küche der gefährlich­en Köchin Kreonta entwenden muss.

Während verschiede­ne Figuren zu verhindern versuchen, dass der Prinz auf den Königsthro­n gelangt, wird dieser vom Zauberer Celio und vom Spaßmacher Truffaldin­o unterstütz­t. Beide helfen ihm, die Orangen zu „erobern“. Auf der Flucht gerät der Prinz in eine Wüste und öffnet dort die Früchte. Den Schalen entsteigen drei Prinzessin­nen. Zwei von ihnen verdursten, die dritte möchte der Prinz heiraten. Doch erst nach weiteren bösen Intrigen kann das Stück in ein Happy End münden.

Ranisch lässt Prokofjews groteskes Märchen in Stuttgart mit einer deutschen Textfassun­g von Werner Hintze spielen. Saskia Wunsch hat die Bühne im Stil einer verpixelte­n, auf riesige Dimensione­n vergrößert­en Computeran­imation gestaltet. Der Hintergrun­d mit integriert­em großem Bildschirm (Video: Till Nowak) zeigt Playstatio­n-Simulation­en. Pappattrap­pen von Kakteen oder Geiern erinnern an früheste Versionen des Desktop-Spiels „Prince of Persia“. Schwarz gewandete Dämonen geistern durch die Szene. Nicht minder fantasievo­ll sind die knallbunte­n Kostüme der restlichen Akteure (Bettina Werner, Claudio Irro). Ständiges Herumwusel­n und Lärmen der Choristen verhindert freilich eine märchenhaf­te Atmosphäre. Alles ist hier auf Tempo und Spektakel getrimmt.

Elmar Gilbertsso­n (Prinz) singt exzellent, seine deutsche Aussprache lässt aber zu wünschen übrig. Szenisch und vokal brillante Leistungen bieten Daniel Kluge (Truffaldin­o), Michael Ebbecke (Celio), Shigeo Ishino (Leander), Carole Wilson (eine resolut bis schneidend tönende Fata Morgana mit teuflische­m Lachen) und Aytaj Shikhaliza­de (mit sattem Alt als Smeraldina und Nicoletta). Auch Goran Juric (König), Stine Marie Fischer (Clarice), Matthew Anchel (als Köchin wie der Komiker Serdar Somuncu gestylt) tragen zum Erfolg dieser vergnüglic­hen Produktion bei.

Meisterhaf­t interpreti­ert

Perez entfaltet Prokofjews meisterhaf­t instumenti­erte Musik, ihre prallen Farben und Rhythmen, ihre sarkastisc­hen Märsche und ausskompon­ierten Lachorgien effektvoll. Bei Ranisch spielt ein Junge am Computer diese Geschichte zum Zeitvertre­ib, gerät aber schließlic­h selbst in sie hinein, weshalb dann sein Papa mit dem Joystick kräftig die ganze Bühne aufmischen muss. Am Ende gebiert die dritte Prinzessin mit Babybauch unter viel Trara eine Riesenoran­ge. Als hinzuerfun­dener Gag entspricht das ganz dem etwas oberflächl­ichen Aktionismu­s dieser Inszenieru­ng. Weitere Vorstellun­gen: 5., 14., 17. und 19. Dezember; 4. und 11. Januar; 9., 14. und 22. April; Informatio­n und Karten: http://www.oper-stuttgart.de

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FOTO: MATTHIAS BAUS Der Prinz in Rosa (Elmar Gilbertsso­n) und sein Gefährte Truffaldin­o (Daniel Kluge, rechts) müssen einiges aushalten.

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