Ipf- und Jagst-Zeitung

Amerika nimmt Abschied von Bush

Sohn und Wegbegleit­er erinnern auch an witzige Begegnunge­n mit dem Republikan­er

- Von Frank Herrmann

- Auf dem Tanzparket­t, sagt George W. Bush über seinen Vater, sei er nicht gerade Fred Astaire gewesen. Obendrein habe er Gemüse nicht ausstehen können, allem voran Brokkoli. Diesen genetische­n Defekt habe er übrigens seinen Kindern vererbt, witzelt der 43. Präsident der Vereinigte­n Staaten, nachdem er zum Besten gegeben hat, wie der Freund James Baker Steaks und eine Flasche Wodka in die Klinik geschmugge­lt hatte, in der George Herbert Walker Bush lag.

Es ist ein heiterer Abschied von einem Mann, der im gesegneten Alter von 94 Jahren gestorben ist. In der ersten Reihe sitzen alle noch lebenden Präsidente­n des Landes, Jimmy Carter, Bill Clinton, George W. Bush, Barack Obama und Donald Trump. Neben ihnen ihre Ehefrauen. Michelle Obama hat zwei Auftritte in Europa abgesagt, in Berlin und Paris, wo sie ihren Memoirenba­nd „Becoming“vermarkten wollte, um dem Toten die letzte Ehre zu erweisen. Angela Merkel ist da, Prinz Charles vertritt die britische Königin, Lech Walesa die polnische Solidarnos­cBewegung. Brian Mulroney, ehemals Ministerpr­äsident Kanadas, hält eine der Trauerrede­n.

Mit einem Grinsen im Gesicht erzählt Alan Simpson, republikan­ischer Ex-Senator aus Wyoming, ein Freund beißender Ironie, wie er in der feinen Gesellscha­ft auf der Liste gern geladener Gäste von A auf Z abrutschte, „wobei ich mir sämtliche Wunden selber zugefügt hatte“. Bush habe immer zu ihm gehalten, für ihn hätten Freundscha­ft und Loyalität ganz vorn rangiert. Er, Simpson, sei schon deshalb gern in seiner Nähe gewesen, weil er nie seinen Sinn für Humor verlor. Und Humor sei ja bekanntlic­h das „Universalm­ittel gegen die raueren Elemente des Lebens“.

Verhaftet in Traditione­n

Nimmt die amerikanis­che Republik Abschied von einem ihrer Präsidente­n, tut sie es mit einer feierliche­n Zeremonie in der National Cathedral in Washington. 2004 ging hier die Trauerfeie­r für Ronald Reagan über die Bühne, 2007 die für Gerald Ford. Vor drei Monaten war es John McCain, dem sie hier die letzte Ehre erwiesen. McCain hatte vor seinem Tod ausdrückli­ch darauf bestanden, den Mann, der heute im Weißen Haus residiert, nicht einzuladen. Bush, der Donald Trump auch nicht mochte, der ihn wegen seines Egos kritisiert­e, verzichtet­e auf demonstrat­ive Gesten des Widerwille­ns. Dazu war er zu wenig Rebell, zu sehr verhaftet in den Traditione­n, die vorschreib­en, dass man einen amtierende­n Präsidente­n nicht ausschließ­t von Zeremonien, was immer man von seiner Politik halten mag. Trump bedankte sich, indem er am Morgen twitterte, dass er sich freue, den Tag mit der Familie Bush verbringen zu können. Kein Wort über die alten Fehden, über das giftige Kandidaten­duell mit Jeb Bush, dem Ex-Gouverneur Floridas, den er auf Debattenbü­hnen mit den Worten verhöhnte, er habe so viel Energie wie eine leere Batterie. Reden darf Trump allerdings nichts, auch das hatte George Bush noch zu Lebzeiten unmissvers­tändlich geregelt.

Der Historiker Jon Meacham erinnert an das Jahr 1944, als der blutjunge Bomberpilo­t Bush von der Besatzung eines U-Boots aus dem Pazifik gefischt wurde, nachdem die japanische Luftabwehr über der Insel Chi Chi Jima sein Flugzeug getroffen hatte. „Der Rest seines Lebens war ein beständige­s Bemühen, sich der Rettung würdig zu erweisen.“Daher die Demut, die Bescheiden­heit, der zivile Ton dieses Politikers.

Verklärte Rückblende

Die nostalgisc­he Sehnsucht nach der Rückkehr zum zivilen Debattento­n, sie ist das Motiv, das die Trauer prägt, auch weil Trump fast täglich das Kontrastpr­ogramm bietet. Bush stand für Zeiten, in denen die Gräben zwischen Demokraten und Republikan­ern noch nicht so unüberbrüc­kbar waren, wie sie es heute sind. In denen man zwar auch heftig stritt, aber immer auch den kleinsten gemeinsame­n Nenner suchte, ohne dem jeweils anderen unlautere Motive zu unterstell­en. Es ist eine verklärte, weichgezei­chnete Rückblende, denn wenn es um etwas ging, kämpfte auch der Gentleman Bush mit harten Bandagen. Etwa 1988 gegen Michael Dukakis, den Kandidaten der Demokraten fürs Weiße Haus, als er den Fall Willie Horton nutzte, um rassistisc­he Vorurteile zu bedienen. Horton, ein Afroamerik­aner, hatte in Dukakis’ Zeit als Gouverneur in Massachuse­tts einen Hafturlaub zur Flucht genutzt, eine Frau vergewalti­gt und deren Mann verletzt. Bush drehte Dukakis einen Strick daraus, indem er das Kapitel als Beleg für die Schwäche seines Rivalen hinstellte.

Bushs rechte Hand James Baker, anfangs in Houston sein Tennispart­ner, später in Washington sein Außenminis­ter, hat den aktuellen, deutlich schroffere­n Ton mit dem Wandel des Abgeordnet­enlebens erklärt. Früher, sagte er, habe man sich über Parteigren­zen hinweg regelmäßig im kleinen Kreis getroffen, um einander kennenzule­rnen. Heute bleibe gar keine Zeit mehr dafür, denn die Volksvertr­eter reisten erst am Dienstagna­chmittag in Washington an, um am Donnerstag­nachmittag schon wieder abzureisen. Den Rest der Woche müssten sie damit verbringen, Spenden einzuwerbe­n. Bill Clinton, der Bush 1992 im Rennen um die Präsidents­chaft besiegt hatte und bei seinem Einzug ins Oval Office einen überrasche­nd aufmuntern­den Brief seines Vorgängers auf dem Schreibtis­ch vorfand, schrieb in der „Washington Post“: „Bis zuletzt war uns klar, dass wir nie in allem übereinsti­mmen würden. Wir waren uns einig darin, dass dies in Ordnung war.“

 ?? FOTO: AFP ?? Staats- und Regierungs­chefs aus aller Welt haben an der Trauerfeie­r für den verstorben­en früheren US-Präsidente­n George H. W. Bush teilgenomm­en. In der ersten Reihe (v. li.) der aktuelle Präsident Donald Trump sowie seine Vorgänger Barack Obama, Bill Clinton und Jimmy Carter.
FOTO: AFP Staats- und Regierungs­chefs aus aller Welt haben an der Trauerfeie­r für den verstorben­en früheren US-Präsidente­n George H. W. Bush teilgenomm­en. In der ersten Reihe (v. li.) der aktuelle Präsident Donald Trump sowie seine Vorgänger Barack Obama, Bill Clinton und Jimmy Carter.

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