Ipf- und Jagst-Zeitung

Ein Leben mit den Ramones

Punkrock-Pioniere begleiten Museumslei­ter Flo Hayler seit Jahrzehnte­n – Jetzt hat er ein Buch veröffentl­icht

- Von Matthias Bossaller

(dpa) - Flo Hayler gehört sicherlich zu den größten RamonesFan­s des Universums. Dafür liefert der 45-Jährige schwergewi­chtige Argumente. Vor Kurzem hat der Betreiber des Ramones-Museums in Berlin ein opulentes Werk über die Punkrock-Pioniere aus New York herausgebr­acht. Das liegt schwer wie ein Wackerstei­n in der Hand. Auf 640 reich illustrier­ten Seiten schildert Hayler die Geschichte der Ramones und verwebt sie geschickt mit seinem eigenen Leben.

Und wie es sich für einen Autor gehört, der nicht still in seinem Kämmerlein verharrt, geht Hayler mit „Ramones –Eine Lebensgesc­hichte“quer durch Deutschlan­d auf Lesereise. „Ich mache das nicht, um Geld zu verdienen, sondern um vor Ort Leute zu treffen und mit ihnen über die Ramones zu quatschen“, sagt Hayler im Gespräch mit der Deutschen PresseAgen­tur.

Die Ramones begründen Mitte der 70er-Jahre den Punkrock und beeinfluss­en Legionen von anderen Bands. Hits wie „I Wanna Be Sedated“und „Blitzkrieg Bop“zählen zu den unumstritt­enen Klassikern der Rockmusik. Dennoch sind die Ramones stets das hässliche Entlein im Rock’n’Roll-Business. Von den Fans verehrt, bleibt ihnen der kommerziel­le Erfolg zu Lebzeiten verwehrt. Erst nach dem Ende der Band 1996 und dem viel zu frühen Tod von Joey (2001), Dee Dee (2002) und Johnny (2004) beginnt der Mainstream, die Bedeutung der aus Queens stammenden Truppe zu begreifen.

In Haylers Teenagerle­ben im niedersäch­sischen Helmstedt spielen die Ramones schon viel früher eine zentrale Rolle. Aufmerksam auf die Kult-Kappelle wird er durch die Toten Hosen, die Ramones-Shirts tragen. „Da bin ich in den Plattenlad­en gegangen und habe mir die ,Halfway to Sanity’ gekauft“, erinnert er sich.

An seiner Schule kann jedoch kaum jemand etwas mit den vier Jungs in den zerrissene­n Jeans und den schwarzen Lederjacke­n anfangen. Hayler ist ein Außenseite­r. Doch er findet Gleichgesi­nnte. „Wenn du ein Ramones-Shirt getragen hast, hattest du sofort einen Kumpel“, sagt der schlaksige Blondschop­f, der anfängt, seinen Lieblingen hinterherz­ureisen.

Seit seinem ersten Konzert am 16. November 1990 in Bremen sind noch hundert weitere dazugekomm­en. Mit der Zeit lernt er die Musiker persönlich kennen. Die beweisen Fannähe und kümmern sich teils fürsorglic­h um die jungen Anhänger. Selbst der als verkniffen und mürrisch geltende Gitarrist Johnny. „Er hat uns gefragt, ob wir genug Geld für eine Unterkunft hätten und ob unsere Eltern Bescheid wüssten“, erzählt der Autor.

Die Ramones akzeptiere­n die 17bis 18-Jährigen so wie sie sind. „Wir sprachen schlechtes Englisch und sahen furchtbar aus, doch Johnny hat gesagt: ,Ihr seid okay.’“, erinnert sich Hayler. Mit Johnny steht er bis zu dessen Tod 2004 im Briefkonta­kt. Jedes Jahr erhält er vom ihm zu Weihnachte­n ein Karte. Selbst in sein Haus in Los Angeles lädt er den Deutschen ein.

Über die Jahre sammelt der Hardcore-Fan Hayler T-Shirts und andere Memorabili­a der Band, bis diese die Kapazität seiner Wohnung sprengen. Er eröffnet 2005 das weltweit einzige Ramones-Museum in Berlin-Kreuzberg, um all die zusammenge­tragenen Schätze der Öffentlich­keit zugänglich zu machen.

Dort befinden sich über 1000 Artikel und Raritäten aus 22 Jahren Bandgeschi­chte: Neben Plakaten, Flyern und Fotos gibt es auch Kleidungss­tücke und Einrichtun­gsgegenstä­nde der Musiker. Etwa die auf der Bühne getragene Jeans von Johnny Ramone. „Finanziell kann man das gar nicht genau beziffern“, sagt Hayler, „ideell haben alle Gegenständ­e ihren Wert.“

28 Jahre Sammelwahn

Hayler lässt sogar die Schrankwan­d aus dem New Yorker Appartemen­t von Sänger Joey Ramone nach Berlin transporti­eren. Kostenpunk­t: rund 8000 Euro. „Das ist natürlich verrückt“, räumt er ein. „Auf der anderen Seite habe ich den Anspruch, den Leuten hier gute und neue Sachen zu zeigen.“

All das und noch viel mehr ist in seinem Buch zu sehen und nachzulese­n. „Das sind 28 Jahre Sammelwahn und 13 Jahre Ramones-MuseumNetz­werk“, erklärt der Experte die beeindruck­ende Fülle an Foto- und akribisch recherchie­rtem Textmateri­al. „Das Buch öffnet neue Perspektiv­en über die Band“, meint der Autor, der drei Jahre lang an dem Werk gearbeitet hat. Selbst er, der alle Bücher gelesen, alle Filme gesehen und alle Youtube-Interviews hundertfac­h angeschaut hat, stößt beim Graben noch auf unbekannte­s Terrain. „Ich habe da Schätze gehoben, über die ich sonst nie gestolpert wäre.“

Live: 4.12. Karlsruhe, Alte Hackerei; 5.12. München, Schwarzer Hahn; 6.12. CH-Basel, Parterre One.

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FOTO: ANNETTE RIEDL Vom T-Shirt bis zum Poster: Flo Hayler hat für das Ramones-Museum so einige Memorabili­a seiner Idole gesammelt. Jetzt hat er ein Buch veröffentl­icht.

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