Aus Familienpass wird die „Spionkarte“
Stadt will Form und Regelwerk der sozialen Ermäßigungen reformieren
- Die Stadt will ihren Familienund Sozialpass „aufmöbeln“und neu konzipieren. Ab 1. Juli kommenden Jahres soll er „Spionkarte“heißen, im Scheckkartenformat daher kommen und unter neuen Kriterien und mit mehr Angeboten als bisher im Einsatz sein. Am Mittwoch hat sich der Kultur-, Bildungs- und Finanzausschuss des Gemeinderats mit der Reform befasst. Die Grünen lehnen die Neuerungen in der geplanten Form ab.
Bei den Haushaltsplanberatungen für 2018 war von der SPD eine Überarbeitung des seit 1979 existierenden Familien- und Sozialpasses beantragt worden. Eine interfraktionelle Arbeitsgruppe hat sich seitdem damit befasst, die Ergebnisse liegen nun vor. Demnach soll der Familienund Sozialpass künftig als „Spionkarte“seine bislang offenkundig sichtbare Funktion verlieren und Menschen und Familien mit keinem, mit geringem und mit unterdurchschnittlichem Einkommen unterstützen. Dabei soll auch künftig der berechtigte Personenkreis einkommensabhängig und einkommensunabhängig unterschieden werden.
In der Neukonzeption werden Familien und Alleinerziehende zukünftig einkommensabhängig berücksichtigt. Eine Ausnahme gibt es bei Familien und Alleinerziehenden mit einem schwerbehinderten Kind. Somit ergibt sich folgender berechtigter Personenkreis:
Einkommensunabhängig:
Familien und Alleinerziehende mit einem schwerbehinderten Kind; Azubis, Studierende und Arbeitssuchende von 18 bis 25 Jahren; Au-Pairs/Austauschschüler mit Wohnsitz und Gastfamilie in Aalen im Alter von 18 bis 25 Jahren.
Einkommensabhängig:
Anspruchsberechtigte auf Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung; Asylbewerber, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten; Anspruchsberechtigte auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Neu hinzu kommt,
dass zukünftig Alleinstehende, Partner ohne Kinder sowie Familien und Alleinerziehende mit mindestens einem kindergeldberechtigten Kind einen Anspruch auf den Familien- und Sozialpass haben, sofern sie die festgesetzten Bruttoeinkommensgrenzen, gestaffelt nach Anzahl der Personen im Haushalt, nicht überschreiten. Auch auswärts studierende Kinder bis 25 Jahre ohne Hauptwohnsitz in Aalen werden dabei berücksichtigt.
Explorhino ist mit dabei
In die Angebotspalette sollen zukünftig das Science Center Explorhino, entsprechende Angebote der Hochschule, die Städtische Musikschule und die Ferienbetreuungsangebote von nicht-gewerblichen Anbietern in Aalen ohne Übernachtung mit aufgenommen werden. Im Bereich der Stadtwerke sollen auch zukünftig Schwimmkurse finanziell begünstigt werden, der Fitnessraum beim Hallenbad fällt aus der Angebotspalette heraus.
Bisher gab es mit dem Familienund Sozialpass Ermäßigungen in Höhe von 25 bis 40 Prozent. Künftig soll der Ermäßigungssatz einheitlich bei 35 Prozent liegen. Die Stadtbibliothek sowie die städtischen Museen bleiben weiterhin kostenfrei. Die Förderung vom Schullandheimaufenthalt erhöht sich auf sieben Euro je Tag für maximal vier Tage, aber maximal 28 Euro.
Komplett online ab 2021?
Bisher musste der Familien- und Sozialpass jedes Kalenderjahr verlängert werden. Künftig soll die Verlängerung alle zwei Jahre erfolgen. Aktuell wird der Familien- und Sozialpass handschriftlich ausgefüllt und abgestempelt. Die Verwaltung favorisiert für die Neuregelung eine Chipkarte im Scheckkartenformat, die online beantragt werden kann. 2019 sollen die technischen Möglichkeiten dafür geprüft und danach soll entschieden werden, ob die „Spionkarte“als Chipkarte zum 1. Januar 2021 eingeführt werden kann.
Oberbürgermeister Thilo Rentschler sagte im Ausschuss, mit der geplanten Reform wolle man den Familienund Sozialpass ins 21. Jahrhundert transferieren. Laut Bürgermeister Karl-Heinz Ehrmann erhöht sich der jährliche Aufwand für die Stadt durch die Neuerungen um 36 000 auf künftig 200 000 Euro. Dafür erhalte man aber „ein deutlich sozialeres System“, vor allem, weil der berechtigte Personenkreis erweitert werde.
„Hervorragend“nannte Hermann Schludi (SPD) die vorgesehenen Änderungen. Als „Spionkarte“werde der Familien- und Sozialpass gewissermaßen von einem Stigma befreit. Wobei dies auch nur ein Arbeitstitel sein könnte, bis das ganze System nur noch online laufe. Gut und notwendig seien die Anpassungen, meinte Bernhard Ritter (Freie Wähler).
Grüne: Keinen Raucher als Symbol
Für die Grünen machte Doris Klein die ablehnende Haltung ihrer Fraktion gegenüber den Vorschlägen deutlich. Man wolle nicht, dass Personengruppen gegeneinander ausgespielt würden und innerhalb des Budgets der Familienpass auf Kosten von Familien umverteilt werde. Seit über zehn Jahren, so Klein, liege die Einkommensgrenze bei Familien mit einem Kind bei 45 000 Euro. Nun solle sie, trotz gestiegener Lebenshaltungskosten, auf 42 000 Euro gesenkt werden. Die Grünen wollten sie hingegen auf 50 000 Euro anheben. Außerdem solle der Familienpass bei Familien ab drei Kindern weiterhin einkommensunabhängig gelten. Schließlich rügte Klein auch den vorgesehenen neuen Namen „Spionkarte“. Ein Mann mit Pfeife im Mund, das sei als Logo nicht unbedingt frisch und pfiffig. Eine Einschätzung, die ihr Fraktionskollege Thomas Battran noch toppte: Einen Raucher zum Symbol für den Familienpass zu machen, sei „nicht so geschickt“.
Thomas Wagenblast (CDU) hielt dagegen: Es sei für die Arbeitsgruppe sicher schwierig und undankbar gewesen, sich auf Kompromisse zu einigen. Dass jetzt auch hier wieder eine Fraktion signifikant heraussteche, die nicht bereit sei, diese Kompromisse mitzugehen, sei „wirklich schade“. Für die CDU jedenfalls seien die Reformvorschläge ein starkes Signal für die Familienfreundlichkeit Aalens.
„Im Vergleich sehr ausgewogen“
Ehrmann zog bei den Einkommensgrenzen Vergleichswerte aus Böblingen, Kirchheim/Teck und Biberach heran und befand, Aalen brauche sich nicht zu verstecken, der neue Vorschlag sei im Vergleich sehr ausgewogen. OB Rentschler sah Aalen gar an der Spitze der Bemessungsgrenzen. Eine Einschätzung, die auch Friedrich Klein (FDI) teilte. Der Vorschlag sei sehr ausgewogen, die Zuwendungen in dieser Form seien mehr als gerechtfertigt. Und obwohl Albrecht Schmid (SPD) noch einmal appellierte, der Gemeinderat in Gänze müsse sich doch als kompromissfähig erweisen, stimmten die drei Grünen-Vertreter im Ausschuss am Ende gegen die Verwaltungsvorschläge. Endgültig beschließen soll die Reform des Familien- und Sozialpasses nun der Gemeinderat am 20. Dezember.