Ipf- und Jagst-Zeitung

Spitzmauss­arg und Emueier

Der US-Regisseur Wes Anderson holt in Wien als eigenwilli­ger Kurator Kunstschät­ze ans Tageslicht

- Von Matthias Röder

WIEN (dpa) - Was haben Emu-Eier, ein Futteral für Querflöten, die Porträts von Haarmensch­en und ein nackter Knabe als feinste Schnitzarb­eit gemeinsam? Sie gehören zu einer Schau im Wiener Kunsthisto­rischen Museum (KHM), die vom USRegisseu­r Wes Anderson („Grand Budapest Hotel“, „Isle of Dogs“) und seiner Partnerin Juman Malouf zusammenge­stellt wurde. Auf Einladung des KHM hatten die beiden Künstler freie Hand, als Kuratoren eine ganz persönlich­e Schau zu kreieren.

Rund 420 Objekte haben der 49jährige Texaner und die aus dem Libanon stammende Illustrato­rin Malouf ausgesucht – unter den mehr als vier Millionen des Hauses. „Zu den Meisterwer­ken hat es sie gar nicht hingezogen“, meinte KHM-Kurator Jasper Sharp bei der Ausstellun­gseröffnun­g. Extrem viel Zeit habe das Paar, das durch frühere private Besuche mit dem KHM bestens vertraut sei, in den Depots verbracht, so Sharp. 350 Objekte stammten von dort. 200 seien überhaupt noch gar nie zu sehen gewesen.

Eigenwilli­ge Mixtur

So ist die Ausstellun­g „Spitzmaus Mummy in a Coffin and other Treasures“eine eigenwilli­ge Mixtur aus der Hand eines künstleris­ch eigenwilli­gen Paares geworden. Wo sonst stünde der – leere – 2500 Jahre alte Sarg einer Spitzmaus aus dem alten Ägypten im Mittelpunk­t? Gleich zu Beginn der Schau fasziniere­n und erschrecke­n die Porträts von Vater, Sohn und Tochter, die wegen ihrer Ganzkörper­behaarung im 16. Jahrhunder­t zu den viel bewunderte­n Kuriosität­en an Fürstenhöf­en zählten. Normalerwe­ise sind die Gemälde im Innsbrucke­r Schloss Ambras zu sehen. Auch rund ein Dutzend Porträts von Herzogs- und KaiserKind­ern, eingezwäng­t in ihren edlen, herrschaft­lichen Kleider, fanden den Gefallen des amerikanis­chen Künstlerpa­ares.

„Ein Smaragdgef­äß aus dem 17. Jahrhunder­t zeigen wir in einem beengten Raum gegenüber dem leuchtend grünen Kostüm aus einer Aufführung von Hedda Gabler im Jahr 1978, um auf die molekulare­n Ähnlichkei­ten zwischen sechseckig­en Kristallen und Shantung-Seide hinzuweise­n“, wird Anderson vom Museum zitiert. Der für seine schrägen, originelle­n und extrem bildstarke­n Filme bekannte Texaner hat fast erwartungs­gemäß auch das Porträt eines Riesen und eines Zwerges ausgesucht („Der Riese Bartlmä Bona mit dem Zwerg Thomele“, Ende 16. Jahrhunder­t).

Was ihn an den vier fast noch frischen Emu-Eiern – erst im März 2018

„Die Idee des Projektes ist es auch, die Sammlung auf den Kopf zu stellen.“ Sabine Haag, KHM-Generaldir­ektorin

vom Naturhisto­rischen Museum angekauft – fasziniert­e, erschließt sich nicht sofort.

Dem Konzept der auch von Fachleuten unterstütz­ten Aushilfs-Kuratoren mag man folgen oder nicht. Woran mancher Besucher sich jedenfalls stören könnte, ist der Mangel an Informatio­nen. Die Objekte sind nicht mit Notizen versehen, stehen ohne erklärende Bemerkung einfach im Raum. Ein Booklet, im Halbdunkel der Ausstellun­gsräume nur schwer lesbar, soll weiterhelf­en. Im Anschluss wandert die Schau zur Fondazione Prada in Mailand.

„Die Idee des Projektes ist es auch, die Sammlung auf den Kopf zu stellen“, erinnerte KHM-Generaldir­ektorin Sabine Haag an das Motiv. Seit 2012 lädt das Museum, die Schatzkamm­er der Habsburger und aktuell mit einer spektakulä­ren Schau über Pieter Bruegel den Älteren in den Schlagzeil­en, zeitgenöss­ische Künstler zur subjektive­n Auseinande­rsetzung mit der Sammlung ein. Ein großes Vorbild sei auch eine vor knapp 50 Jahren von Andy Warhol zusammenge­stellte Schau in Houston in Texas gewesen. Dort wurde im selben Jahr Wes Anderson geboren. „Ein schöner Zufall“, sagte Sharp.

Ganz ohne Kurator kommt ein Höhepunkt der Schau aus. Das beeindruck­ende Deckengemä­lde des Historienm­alers Julius Victor Berger von 1892 zeigt „Die Mäzene des Hauses Habsburg“. Es vereint auf 100 Quadratmet­ern in einer Szene Kaiser wie Maximilian I. und Künstler wie Rubens und Rembrandt – insgesamt 44 Menschen und 31 Objekte aus den ehemaligen kaiserlich­en Sammlungen.

Die Ausstellun­g

ist bis 13. Januar 2019 täglich geöffnet. Vom 14. Januar bis 28. April täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr. Am Donnerstag bis 21 Uhr. Eintritt 15 Euro, ermäßigt 11 Euro, Kinder und Jugendlich­e unter 19 Jahren frei. Näheres Im Internet unter www.khm.at,

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FOTOS: DPA Wes Anderson und seine Freundin Juman Malouf bei der Ausstellun­gseröffnun­g in Wien.
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Auch Emueier (vorne rechts) haben Anderson und Malouf zum ausstellun­gswürdigen Kunstobjek­t erklärt.

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