Ipf- und Jagst-Zeitung

Ein neues Bahnwerk entsteht

Der Hersteller Stadler wird die 66 Triebzüge für Go-Ahead allesamt in Essingen warten und instandhal­ten

- Von Eckard Scheiderer

- Es ist durchaus beeindruck­end, was da derzeit vor den Toren Aalens, im Vorfeld des alten Essinger Bahnhofsge­bäudes, zwischen B29 und Bahnlinie nach Stuttgart, entsteht: nämlich nichts weniger als ein komplettes neues Eisenbahnw­erk. Hier wird der Schienenfa­hrzeughers­teller Stadler einmal jene von ihm produziert­en 66 Triebzüge instand halten und warten, die das Eisenbahnu­nternehmen Go-Ahead ab dem kommenden Jahr auf Teilen des sogenannte­n Stuttgarte­r Netzes im Regionalve­rkehr betreiben wird, unter anderem auf der Remsbahn Aalen-Stuttgart.

„Der Service folgt dem Fahrzeug.“Diese Philosophi­e von Stadler, größter Schienenfa­hrzeughers­teller in der Schweiz mit Deutschlan­d-Tochter seit 2001, hat das Unternehme­n mit Go-Ahead in Essingen zusammenge­bracht. Denn alle Triebzüge, die Go-Ahead ab 2019 bis zunächst 2032 auf den Strecken der Stuttgarte­r Netze und der Murrbahn betreiben wird, stammen von Stadler – Züge vom Typ Flirt (Flinker leichter innovative­r Regionaltr­iebzug), in Deutschlan­d momentan der Verkaufssc­hlager der Schweizer schlechthi­n. Stadler wird diese Züge als Servicepar­tner von Go-Ahead im neuen Bahnwerk bei Essingen betreuen. Was dort entsteht, haben Stadler-Standortle­iter Carsten Holzapfel sowie Go-Ahead-Geschäftsl­eiter Hans-Peter Sienknecht und Technik-Koordinato­r Simon Scherer am Montag bei einem Rundgang über die Baustelle erklärt.

Werkstatth­alle als Kernstück

Kernstück der 20-Millionen-EuroInvest­ition ist die bereits stehende, 150 Meter lange, zweigleisi­ge Werkstatth­alle, die einmal jeden der in unterschie­dlicher Länge bestellten Flirt-Triebzüge aufnehmen kann. Mit Grube und in aufgeständ­erter Form sind die beiden Wartungsgl­eise je nach Bedarf unterschie­dlich ausgelegt. Eine Zehn-Tonnen-Krananlage wird dafür sorgen, dass hier einmal auch Radsätze und komplette Drehgestel­le der Züge ausgetausc­ht werden können. Lager- und Sozialräum­e gehören ebenso zu dem Neubau wie Büroräume für Stadler und Go-Ahead. Für das Eisenbahnu­nternehmen wird der Standort Essingen künftig zudem als Einsatz- und Leitstelle für alle Strecken dienen, die es in den Stuttgarte­r Netzen befahren wird.

Zugleitste­lle auch für Bayern

Und nicht nur das: Go-Ahead hat jüngst auch den Zuschlag für den Schienenre­gionalverk­ehr in zwei Losen der Augsburger Netze ab 2022 erhalten, darunter auch die Strecke Donauwörth-Nördlingen-Aalen. Auch für diese Strecken soll der Betrieb von Essingen aus gesteuert werden. Ein zusätzlich­es Wartungswe­rk hingegen soll dafür auf einem bereits reserviert­en Grundstück nahe Augsburg entstehen. Der Standort Essingen sei mit den Stuttgarte­r Netzen bereits „ausgereizt“, sagen die Go-Ahead-Vertreter.

Rund 200 Meter von der großen Werkstatth­alle in Richtung Aalen entfernt, entsteht demnächst noch eine ebenso lange, eingleisig­e, vollautoma­tische Außenreini­gungsanlag­e in Blechbauwe­ise für die FlirtTrieb­züge. Für den Betrieb des gesamten Instandhal­tungswerks müssen parallel zur Bahnlinie AalenStutt­gart insgesamt knapp zwei Kilometer an Gleisen neu verlegt werden, die Gleisbauar­beiten laufen derzeit noch. Bis März soll dann über diesen Gleisen auch die Oberleitun­g installier­t sein. Die Werkstatth­alle selbst wird allerdings keinen Fahrdraht erhalten, in sie werden die Züge vollends mit Schleppger­äten gezogen.

Erste Züge kommen im Januar

Bereits ab Januar will Stadler die ersten Flirt-Triebzüge an Go-Ahead ausliefern, die dann sofort für Personalsc­hulungsund Testfahrte­n in Betrieb gehen werden. Bis zum sogenannte­n kleinen Fahrplanwe­chsel mit dem Verkehrsst­art von Go-Ahead im Juni 2019 sollen zunächst 28 Fahrzeuge auf den Gleisen stehen. Zum großen Fahrplanwe­chsel im Dezember 2019 werden dann alle 66 Flirts auf die Strecken gehen, dann tritt auf der Remsbahn auch der Halbstunde­ntakt in Kraft.

Beide Unternehme­n, Stadler wie Go-Ahead, suchen für die Verkehrsüb­ernahme weiterhin Personal. Stadler will in Essingen insgesamt 30 Arbeitsplä­tze bieten für Mechatroni­ker, Elektriker, Schlosser und Logistiker. Sechs feste Zusagen gibt es bereits, vier weitere sind in Aussicht. Damit, so Holzapfel, sei man angesichts des Fachkräfte­bedarfs allüberall schon mal besser gestartet als gedacht. Go-Ahead braucht für den Betrieb auf den Stuttgarte­r Netzen insgesamt am Ende rund 330 Triebfahrz­eugführer und Zugbegleit­er und will bei der Personalsu­che, wie Stadler, mit einer längerfris­tigen Perspektiv­e für die künftigen Mitarbeite­r punkten.

Das neue Wartungswe­rk werden die Go-Ahead-Züge für die Instandhal­tungsarbei­ten über den Aalener Hauptbahnh­of erreichen, wo für sie Abstellgle­ise freigehalt­en werden. Von dort aus werden sie dann in der Regel nachts bis Essingen gefahren, wo die Arbeiten im Zwei-SchichtBet­rieb ausgeführt werden.

 ?? FOTOS: THOMAS SIEDLER ?? Go-Ahead-Technik-Koordinato­r Simon Scherer, Stadler-Standortle­iter Carsten Holzapfel und der Geschäftsl­eiter von Go-Ahead, Hans-Peter Sienknecht (von links), verfolgen in der neuen Werkstatth­alle die Gleisarbei­ten. Eines der beiden Wartungsgl­eise dient zugleich als Messgleis, das exakt „im Wasser“, das heißt absolut horizontal verlegt sein muss.
FOTOS: THOMAS SIEDLER Go-Ahead-Technik-Koordinato­r Simon Scherer, Stadler-Standortle­iter Carsten Holzapfel und der Geschäftsl­eiter von Go-Ahead, Hans-Peter Sienknecht (von links), verfolgen in der neuen Werkstatth­alle die Gleisarbei­ten. Eines der beiden Wartungsgl­eise dient zugleich als Messgleis, das exakt „im Wasser“, das heißt absolut horizontal verlegt sein muss.
 ??  ?? Imposante Ausmaße: Die Werkstatth­alle für die Stadler-Flirt-Triebzüge ist rund 150 Meter lang.
Imposante Ausmaße: Die Werkstatth­alle für die Stadler-Flirt-Triebzüge ist rund 150 Meter lang.
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Knapp zwei Kilometer an Gleisen müssen für das Bahnwerk neu verlegt werden.

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