Ipf- und Jagst-Zeitung

Druck auf von der Leyen steigt

Grünen-Verteidigu­ngsexperti­n Agnieszka Brugger über mögliche rechtsextr­eme Netzwerke in der Bundeswehr

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(dpa) - Die Berateraff­äre im Verteidigu­ngsministe­rium wird zum Fall für einen parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss im Bundestag. Darauf verständig­ten sich die Obleute von Grünen, FDP und Linken im Verteidigu­ngsausschu­ss. Das Gremium soll den Einsatz externer Fachleute für einen dreistelli­gen Millionenb­etrag unter Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) aufklären. Zuvor hatte der Bundesrech­nungshof Zweifel an der Rechtmäßig­keit erhoben.

- Innerhalb der Bundeswehr soll es ein rechtsextr­emes Netzwerk geben. Teil einer Schattenar­mee, die an einem Umsturz am „Tag X“arbeitet und Todesliste­n führt, soll auch Franco A. gewesen sein. 2017 sensibilis­ierte der Fall des mutmaßlich­en Rechtsterr­oristen, der sich als syrischer Flüchtling ausgegeben hatte und Anschläge geplant haben soll, die Öffentlich­keit für mögliche rechtsextr­eme Umtriebe in der Truppe. Agnieszka Brugger, Verteidigu­ngsexperti­n der Grünen-Bundestags­fraktion, fordert im Gespräch mit Hendrik Groth, Daniel Hadrys und Ulrich Mendelin eine rasche und gründliche Aufklärung. Dies war auch jüngst Thema in einer Sitzung des Verteidigu­ngsausschu­sses – mit für Brugger unbefriedi­genden Ergebnisse­n.

Frau Brugger, gibt es geheime rechte Netzwerke in der Truppe?

Es gibt erschrecke­nde Hinweise dazu, die sofort schnell und gründlich aufgeklärt werden müssen. Ich bin niemand, die zu Verschwöru­ngstheorie­n neigt. Trotzdem: Nach den Enthüllung­en um den Fall Franco A. brauchen wir erst recht eine erhöhte Wachsamkei­t. Ich war entsetzt über die Debatte im Verteidigu­ngsausschu­ss. Ich hatte das Gefühl, dass sich das Verteidigu­ngsministe­rium in juristisch­en Haarspalte­reien darüber verliert, was genau ein rechtes Netzwerk ist, nur um zu bestreiten, dass es überhaupt ein Problem gibt. Angesichts der höchst beunruhige­nden Verbindung­en, über die in den letzten Wochen in den Medien berichtet wurde, ist das völlig verantwort­ungslos.

Gibt es Ihrer Meinung nach den Willen zur Aufklärung? Der CDUStaatss­ekretär im Verteidigu­ngsministe­rium, Peter Tauber, hat die „Prepper“beispielsw­eise mit seiner Großmutter verglichen – diese würde auch Lebensmitt­el horten, ohne gleich gefährlich zu sein.

Statt auf meine Frage zu antworten, wie viele „Reichsbürg­er“und „Prepper“es in der Bundeswehr gibt, führte Herr Tauber aus, wie viele Marmeladen­gläser seine Oma auf dem Dachboden hat. Es geht aber nicht um die Marmeladen­gläser der Großmutter, sondern um Waffen, die aus der Bundeswehr entwendet wurden. Die Medien haben ja bereits über mögliche Verbindung­en von rechtsextr­emen Gruppierun­gen in die Bundeswehr berichtet. Man kann von einem Ministeriu­m erwarten, dass es selber nachrecher­chiert und sich auch beim eigenen Geheimdien­st, dem Militärisc­hen Nachrichte­ndienst, kundig macht. Daran merkt man, dass es nach wie vor zu wenig Problembew­usstsein gibt und dass vor allem beschwicht­igt und verharmlos­t wird. Offensicht­lich kann das Haus von Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen nur entweder maximal skandalisi­eren und aufbausche­n oder aber verharmlos­en und kleinreden. Dabei kommt zu kurz, was wir wirklich brauchen: nämliche eine harte, schnelle und gründliche Aufklärung.

Seit 2010 sollen in der Bundeswehr 75 Sturmgeweh­re und Pistolen sowie 57 000 Schuss Munition verschwund­en sein. Wie ist das möglich?

Man muss da genau hinschauen und die Tatsachen nüchtern überprüfen. Das tut das Ministeriu­m immer nur widerwilli­g und auf Nachfrage. Die lange Liste der Waffen- und Munitionsv­erluste bei der Bundeswehr haben wir im letzten Jahr auch erst auf meine Nachfrage hin bekommen. Das Ministeriu­m hat uns im Fall von Franco A. auch nicht über Verbindung­en zu dem aktuell in den Medienberi­chten auftauchen­den Uniter-Veteranenv­erein, der von der Bundesanwa­ltschaft beobachtet wird, informiert. Die Verantwort­lichen sind offenbar nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Verbindung­en zu ziehen und zu überprüfen.

Worauf führen Sie den mangelnden Aufklärung­swillen bei der Führung zurück?

Statt die Fragen der Parlamenta­rier zu beantworte­n und selbst Berichten nachzugehe­n, verliert sich das Ministeriu­m in Seitendeba­tten darüber, was der MAD überhaupt darf. Uns Mitglieder­n im Verteidigu­ngsausschu­ss ist bekannt, dass der MAD lediglich Personen, nicht aber ganze Gruppierun­gen bewertet. Es gibt aber den Austausch mit dem Innenminis­terium, dem Verfassung­sschutz und dem BND. Bei einer Sondersitz­ung des Verteidigu­ngsausschu­sses im Januar wollen wir alle Nachrichte­ndienste mit am Tisch haben, damit wir endlich fundierte Aussagen bekommen. Es ist für mich immer schwierig zu spekuliere­n, was das Verteidigu­ngsministe­rium eigentlich umtreibt. Vielleicht ist es die Erfahrung im Fall Franco A., in dem Frau von der Leyen mit ihrem Generalver­dacht und ihren unbedachte­n Worten Vertrauen in der Bundeswehr verspielt hat – gerade bei denen, die einen ordentlich­en und anständige­n Dienst tun. Aber das kann doch nicht die Lehre sein, deshalb neue Vorwürfe nicht gründlich aufzukläre­n.

War es ein Fehler, die Wehrpflich­t abzuschaff­en? Melden sich jetzt auch diejenigen zum Dienst, die auf dem rechten Auge blind sind?

Es wäre die falsche Schlussfol­gerung, die Wehrpflich­t wieder einzuführe­n. Auch damals gab es schon eine Reihe von rechtsextr­emen Vorfällen. Der Dienst bei der Bundeswehr ist kein Job wie jeder andere. Daher muss man sehr genau prüfen, wer mit welcher Motivation diesen schwierige­n Dienst antritt. Es macht mir Sorgen, dass Frau von der Leyen trotzdem die Bundeswehr vergrößern möchte, obwohl es schon jetzt angesichts des demografis­chen Wandels immer schwierige­r wird, die richtigen Leute zu finden und die Ministerin Monat für Monat an ihren unrealisti­schen Personalzi­elen scheitert. Ich bekomme immer wieder Hinweise darauf, dass man bei den körperlich­en Fähigkeite­n und auch bei anderen Anforderun­gen Abstriche macht. Nur damit man möglichst viele neue Rekruten aufnehmen kann und Frau von der Leyen ihre Zielvorgab­en erfüllt.

Aufarbeitu­ng ist die eine Seite. Wie aber lässt es sich in Zukunft verhindern, dass Rechtsextr­eme möglicherw­eise in die Bundeswehr eintreten und ganze Netzwerke bilden können?

Indem man sehr stark die Eignung der Bewerber überprüft und maximal wachsam ist. Nach dem Fall Franco A. ist bereits einiges verändert worden. Es gab auch einen Anstieg bei den Meldungen rechtsextr­emer Vorfälle, der meiner Meinung nach Ergebnis einer erhöhten Sensibilit­ät war. Auch die kritische Medienöffe­ntlichkeit und die Befassung im Parlament zeigen, dass es kein Verständni­s dafür gibt, wenn solche verharmlos­t werden. Das sind die ersten Schritte. Danach muss man sich andere Fragen stellen, wie man das Disziplina­rrecht anpassen kann, damit schneller sanktionie­rt werden kann. Rechtsextr­emismus hat keinen Platz in der Bundeswehr und jeder Soldat, der dahingehen­d etwas meldet und aufklären will, muss von den Vorgesetzt­en unterstütz­t werden. Wenn es darum geht, die Bundeswehr vor Rechtsextr­emisten zu schützen, darf nicht an den dafür notwendige­n personelle­n, finanziell­en und strukturel­len Kapazitäte­n gespart werden.

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FOTO: MICHAEL SCHEYER Die Ravensburg­er Grünen-Verteidigu­ngsexperti­n Agnieszka Brugger fordert mehr Wachsamkei­t gegenüber neuen Rekruten.

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