Ipf- und Jagst-Zeitung

Terror als „Mitmachere­ignis für jedermann“

Die Anhänger des IS feiern den Anschlag von Straßburg als „Belohnung für die Geduldigen“

- Von Michael Wrase

- Schon lange hatten die Anhänger des sogenannte­n Islamische­n Staates (IS) keinen Grund „zum Feiern mehr“. Der Terroransc­hlag von Straßburg gab ihnen „die Gelegenhei­t dazu“, berichtet die für die Auswertung dschihadis­tischer Propaganda spezialisi­erte SITE Intelligen­ce Group. Sie geht davon aus, dass der IS früher oder später die Verantwort­ung für den Angriff in Frankreich übernehmen wird.

Für Terrorismu­sexperten war der Anschlag auf dem Weihnachts­markt keine Überraschu­ng. Bereits im August hatte der tot geglaubte IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi seine Kämpfer in einer inzwischen als authentisc­h eingestuft­en Audiobotsc­haft zur Fortsetzun­g ihres „Heiligen Kriegs“aufgeforde­rt und die lange Zeit der Niederlage­n als eine Art „Reifeprüfu­ng Gottes bezeichnet“.

„Reichlich belohnt“, suggeriert­e er in seiner 60-minütigen Botschaft, würden letztendli­ch nur die „Geduldigen und Rechtschaf­fenden“. Sie waren von al-Baghdadi abermals aufgeforde­rt worden, „als einsame Wölfe in den Ländern der Kreuzfahre­r ihre (dort lebenden) Brüder zu unterstütz­en“. „Eine Patrone, ein Messerstic­h oder eine Bombe ist mehr wert als tausend Operatione­n“(im Nahen Osten), hetzte der Terrorchef, der bei seinen Anhängern offenbar noch immer Gehör findet. Anfang Dezember wurde die Propaganda-Abteilung des IS dann konkreter. Sie erneuerte über ihre Social-MediaKanäl­e den Terroraufr­uf von alBaghdadi, auf den die USA ein Kopfgeld von 25 Millionen Dollar ausgesetzt hat. Zudem wurde erstmals ein „Weihnachts­mann“ins Spiel gebracht, der mit rotem Mantel und Rauschebar­t vor einem schwarzver­mummten IS-Henker niederknie­t. „Wir sind hungrig auf euer Blut“, lautet die explizite Botschaft an die „Ungläubige­n“, für die die Weihnachts­tage in eine „Zeit des Fürchtens“verwandelt werden müssten.

Eine „Kränkungsi­deologie“

Das scheint der Terrororga­nisation nun gelungen zu sein. Der Anschlag von Straßburg markiert zwar keine „Wiederaufe­rstehung“. Ob die Attentäter „Überzeugun­gstäter seien, spiele für die in Syrien ausharrend­e Führung des IS aber längst keine Rolle mehr“, glaubt der deutsche Politikwis­senschaftl­er Florian Hartleb. Selbst der geschwächt­e „Islamische Staat“habe keine Schwierigk­eiten, per Internet den „Terror als Mitmachere­ignis für jedermann“zu verordnen; dies vor allem für Menschen aus arabischen Ländern, „die ihrem verpfuscht­en Leben in den westlichen Gesellscha­ften wieder einen Sinn geben wollten“. Ihre Motivation seien falscher Ehrgeiz, Frust und Radikalisi­erung, woraus eine „persönlich­e Kränkungsi­deologie“entstehe.

Newspapers in German

Newspapers from Germany