Ipf- und Jagst-Zeitung

Zähes Ringen um Bahntarifv­ertrag

GDL-Chef Claus Weselsky wirft den Arbeitgebe­rn „Taktierere­i“vor

- Von Wolfgang Mulke

- Auch nachdem fünf Tage lang verhandelt wurde und ein Warnstreik den Druck auf den Arbeitgebe­r Deutsche Bahn erhöht hat, war am Mittwochab­end immer noch kein Ende des Tarifstrei­ts in Sicht. Am Nachmittag hatten die Arbeitgebe­r einen neuen Einigungsv­orschlag vorgelegt. Danach sollten die rund 160 000 Beschäftig­ten ab März nächsten Jahres, statt bis 2,5 Prozent mehr Lohn, 3,2 Prozent erhalten. Auch an anderen Stellen besserte die Bahn nach. Doch das neue Angebot hatte einen Haken. Es beinhaltet­e eine Laufzeit von 34 Monaten. Die Gewerkscha­ften wollten ursprüngli­ch eine zweijährig­e Laufzeit.

Der Chef der Lokführerg­ewerkschaf­t GDL, Claus Weselsky, wies die Offerte deshalb zurück. Das Angebot entspreche unter dem Strich dem früheren. „Es ist Taktierere­i, ein Verschiebe­n von Zahlen“, sagte er im Südwestrun­dfunk. Die Bahn versuche lediglich über eine höhere Zahl – 3,2 Prozent statt 2,5 Prozent – bei der angebotene­n ersten von zwei Stufen den Eindruck zu erzeugen, dies sei ein besseres Angebot. „Wenn man allerdings auf 34 Monate Laufzeit geht, dann kommt man zu dem Schluss, dass beide Angebote gleichwert­ig sind.“Zuvor hatte der GDL-Chef gesagt, der Arbeitgebe­r habe es in der Hand, ein verbessert­es Angebot vorzulegen: „Sonst werden wir im Januar über weitere Schritte entscheide­n.“

Weitere Zuspitzung

So blieb die Unsicherhe­it, ob sich die Reisenden auf neue Warnstreik­s einstellen müssen. Die größere Eisenbahnu­nd Verkehrsge­werkschaft (EVG) könnte Aktionen wie am vergangene­n Montag wiederhole­n, wenn sie den Kompromiss­vorschlag ebenfalls zurückweis­t.

Dem weiteren Angebot der Bahn war eine weitere Zuspitzung des Konfliktes vorausgega­ngen. Die GDL hatte den Arbeitgebe­rn ein Ultimatum für ein besseres Angebot gesetzt. Als die Frist dafür verstriche­n war, erklärte Weselsky die Verhandlun­gen für gescheiter­t. Streikgefa­hr durch die GDL ist damit jedoch nicht verbunden, weil die kleinere Bahngewerk­schaft ein Schlichtun­gsabkommen mit der Bahn abgeschlos­sen hat. In diesem Jahr ist ein Arbeitskam­pf damit praktisch ausgeschlo­ssen.

Am Mittwochna­chmittag legte die Bahn dann beiden Gewerkscha­ften ein verbessert­es Angebot vor. Vor allem beim Lohn packte das Unternehme­n für seine 160 000 Tarifbesch­äftigten noch einmal kräftig etwas drauf. Doch die EVG prüfte den Vorschlag bis zum frühen Abend ergebnislo­s. Der Konflikt ist komplizier­t, weil die Tarifvertr­äge mit beiden Gewerkscha­ften wirkungsgl­eich sein sollen. Sonst müsste sie allen Beschäftig­ten stets die Bedingunge­n des besseren Abschlusse­s bieten, da sie nicht weiß, welcher Gewerkscha­ft einzelne Beschäftig­te angehören. So verhandelt­e die Bahn gleichzeit­ig in Berlin und Eisenach.

Zeitgleich traf sich auch der Aufsichtsr­at der Bahn zu seiner turnusgemä­ßen Sitzung. Dort ging es um den hohen Finanzbeda­rf der Bahn für Investitio­nen. Die fünfjährig­e Vorausplan­ung des Vorstands sieht zusätzlich­e fünf Milliarden Euro für neue Züge und eine bessere Infrastruk­tur vor. Zwei Milliarden Euro davon müssen schon im kommenden Jahr aufgebrach­t werden. Aus eigener Kraft schafft der Konzern dies nicht.

Aus Kreisen des Kontrollgr­emiums verlautete, dass Bahnchef Richard Lutz bis zur nächsten Sitzung im kommenden März Vorschläge für die Finanzieru­ng vorlegen soll. Das Geld könnte beispielsw­eise aus einem Teilverkau­f der britischen Tochter Arriva kommen. Neue Schulden kommen zunächst nicht infrage, da die Bahn die vorgeschri­ebene Obergrenze dafür schon vor Augen hat.

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FOTO: DPA Zwei Fernzüge (ICE) im Hauptbahnh­of. Auch nach einem neuen Angebot der Bahn gab es zunächst keine Bewegung im Tarifstrei­t.

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