Ipf- und Jagst-Zeitung

Königin des Klatsches

Ein Treffen mit Society-Reporterin Marie Gräfin von Waldburg, die 40 Jahre lang über Weltstars berichtete

- Von Dirk Grupe

- Die bewegendst­en Momente fanden bei Marie Waldburg oft nicht den direkten Weg in Zeitung oder Zeitschrif­t. Aus Diskretion und Respekt vor den Menschen, in ihrem Fall meist den Schönen, Reichen und Berühmten, denen sie so nah kam, wie nur wenige. So auch im Jahr 2007 bei der Oscar-Verleihung in Hollywood. Der Deutsche Florian Henckel von Donnersmar­ck war mit seinem Film „Das Leben der Anderen“nominiert. Die Zeremonie war eine „endlos zehrende und adrenaling­eballte Spannung“, berichtet Marie Waldburg, die das Gräfin eher vernachläs­sigt. Donnersmar­ck gewann schließlic­h den Oscar, auf der Siegespart­y in der Villa von Regisseur Roland Emmerich („Independen­ts Day“) herrschte Gewusel, Gelächter und Freude, mittendrin Hauptdarst­eller Ulrich Mühe. „In der blumengesc­hmückten Bibliothek stieß ich auf Susanne Lothar, Mühes Frau“, so Waldburg, „in Tränen gebadet.“Später erfuhr sie den Grund: „Mühe war todgeweiht zu den Oscars geflogen und starb wenig später.“Seine Frau sollte danach keine Kraft mehr finden, ohne ihn weiterzule­ben. „So viel Glück und Trauer auf einmal war fast gar nicht auszuhalte­n“, erinnert sich die damals zufällige Beobachter­in.

Emotionale Höhen und Tiefen, große und kleine Dramen und auch die Palette von Prunk bis zu Peinlichke­iten hat Marie Waldburg in ihrer 40-jährigen Berufszeit erlebt, erst für die Münchner „Abendzeitu­ng“, dann für das Magazin „Bunte“. Sie war mit Gunter Sachs auf Reisen, bekam weiche Knie beim Treffen mit Clint Eastwood und erlebte einen Wutanfall von Lady Di. Sie feierte auf der Hochzeit von Gloria und Johannes Fürst von Thurn und Taxis und war mit Maximilian Schell befreundet. „Die Komtesse kennt jeden Promi und alle kennen und schätzen sie“, meint Hape Kerkeling, der Marie Waldburg die „ungekrönte Königin des Klatsches“nennt. Was auch aus ihrem Buch hervorgeht „Meistens diskret – Erinnerung­en einer Society-Reporterin“, das sie am Dienstag im Alten Schloss in Kißlegg vorgestell­t hat.

Markante Stimme

„Schrecklic­h“, sagt die Gräfin in einem Nebenraum des Schlosses, angesproch­en auf ihre markant dunkle Stimme. Die 70-Jährige ist schwarz gekleidet mit weißer Bluse, eine bei der Hälfte ausgedrück­te Zigarette der Marke „Vogue“liegt neben ihr. Der fast streicholz­dünne Glimmsteng­el passt stilsicher zu ihrer Feingliedr­igkeit, genauso wie die gar nicht schrecklic­he Stimmlage zu ihrer humorvolle­n Art. „Die Stimme hatte ich schon als Kind“, fährt Waldburg fort, in der Grundschul­e sang sie Bass, ihre Zwillingss­chwester Sopran. Ihr Organ verriet sie oft, einmal im Beichtstuh­l, als sie unkeusche Gedanken vorgab. Worauf der Pfarrer donnerte: „Du doch nitt, Marille, bisch doch vom Schloss.“

Ihr Vater, der Kunsthisto­riker Johannes Graf zu Waldburg-Wolfegg, hatte „das kleine, etwas runtergeko­mmene Nachbarsch­lösschen Kißlegg“, geerbt. Es ging zupackend und unprätenti­ös zu, auch dank ihrer böhmischen Mutter, die geborene Franziska Gräfin Ledebur-Wicheln. Im Allgäu duftete der Sommer nach Blumen, dazu läuteten Kuhglocken. Die Winter waren lang. „Kißlegg bedeutete für uns heile Welt. Vielleicht etwas zu viel heile Welt“, schreibt Marie Waldburg, die früh ihre Lust an Menschen und Geschichte­n entdeckte. „Weltgewand­ter wollte ich damals sein, bestellte mir in der ,Schwäbisch­en Zeitung’ eine Broschüre mit Tipps gegen Erröten und Sprechangs­t, die mein Vater sehr ungehalten kassierte.“

Anfangs war sie eher blauäugig, denn weltgewand­t, doch das sollte sich ändern. Nach Klosterint­ernat und Studium kam sie auf die Münchner Journalist­enschule, dann 1976 zur „Abendzeitu­ng“. „Eine coole Zeitung“, die das „Mir san mir“-Gefühl Münchens spiegelte, eine Stadt, die damals die Stars anzog. In den Clubs traf man David Niven, Mick Jagger mit Uschi Obermaier, Nena oder Prince („Er war menschensc­heu wie ein Reh“). Rainer Werner Fassbinder trat als Dompteur in „Stars in der Manege“auf, Mario Adorf ließ auf Filmbällen seinen Charme spielen. Und Curd Jürgens lud zum Gespräch in die holzgetäfe­lte Suite des Bayerische­n Hofs. „Es war die Ära der Skandale, Überraschu­ngen und wilden Feste“, erinnert sich Waldburg, eine „goldene Zeit für Leutebeoba­chter“. Und: „Es war genau das Gegenteil des ruhig-behäbigen Allgäus.“

Die Gräfin aus der Provinz fühlte sich Wohl im „Fegefeuer der Eitelkeite­n“. Auch 1999 als sie mit Bammel im Bauch zur „Bunten“wechselte, wo es rau zuging. Wo in der Redaktions­konferenz schon mal einer schrie: „Gibt’s nicht ne’ kleine Schweinere­i aus dem Adel?“Auch die Zeiten hatten sich geändert. „Auf die Jahre der Rebellion und Freiheit folgten nun Moralisier­ung, Political Correctnes­s, Cashmere ersetzte Hippielook.“

Luxus und Einsamkeit

Zu schreiben gab es aber nach wie vor reichlich, über Seidenes und Halbseiden­es, über Glück genauso wie Unglück. „Es gibt sie, die Tristesse, wenn auch kurzfristi­g“, meint Marie Waldburg. In den kühlen Foyers der Luxushotel­s in Paris oder New York. Schöne Frauen mit suchenden Blicken, Männer auf Durchreise. „Es ist nicht nur die eigene Einsamkeit, die einen befällt, auch die der anderen.“Und manchmal, verrät sie im Gespräch, „war es auch einfach nur langweilig“.

Der Illusion gibt sich die Reporterin, trotz der Freundscha­ften und des aufregende­n Nachtleben­s, sowieso nicht hin: „Die Einladunge­n galten immer dem Medium und nicht mir.“Heute mehr denn je, mit den neuen Sternchen von Paris Hilton und Verona Pooth bis Sylvie Meis, „die mehr durch Präsenz als durch Effizienz glänzen und es mit Lust und Zwang zur Selbstdars­tellung schaffen“.

Der Klatsch aber, da ist sich Marie Waldburg sicher, wird die Zeiten überdauern. Weil er der sozialen Kontrolle und der Identifika­tion diene: „Es ist tröstlich, wenn der reiche und berühmte Held einmal versagt und an Attraktion einbüßt. Dann ist er einer von uns.“Sie selber, verheirate­t mit Benedikt Freiherr von Perfall und Mutter zweier Kinder, wohnt in München, hat aber ihr rastloses Leben bei der „Bunten“aufgegeben – „Der ICE ist plötzlich stehen geblieben“. Jungen Journalist­en rät sie: „Hört nicht auf zu staunen und alles ein wenig mit Humor zu nehmen.“Ein Rat, den womöglich nicht nur Journalist­en beherzigen dürfen.

Buch: Marie Waldburg, „Meistens diskret – Erinnerung­en einer Society-Reporterin“, Verlag teNeues, 25 Euro.

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FOTOS: FRANZISKA KRUG(2)/THOMAS ZWINK(2)/GRUPE/PR Marie Waldburg kennt alle Promis und alle kennen sie: Mit Whitney Houston und rechts mit Richard Gere.
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Die Gräfin mit Moderator Thomas Gottschalk, bei der Buchvorste­llung in Kißlegg, mit ihrem Freund Peter Ustinov und mit „Goldfinger“Gerd Fröbe.
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