Ipf- und Jagst-Zeitung

Schreckmom­ent im All

Von den Raumanzüge­n hängt das Leben der Astronaute­n ab – doch diese sind veraltet

- Von Christina Horsten und Claudia Thaler

(dpa) - Für Astro- und Kosmonaute­n kann ein Raumanzug auch zur Todesfalle werden. Dabei sollte die Schutzklei­dung die Raumfahrer bei ihren orbitalen Einsätzen besonders schützen. Was hat es mit der hyperfunkt­ionellen Spezialkle­idung auf sich?

Der italienisc­he Astronaut Luca Parmitano erlebte bei einem Außeneinsa­tz vor fünf Jahren schlimme Momente: Erst funktionie­rte ein Kohlendiox­id-Sensor nicht mehr, dann spürte er Wasser am Hinterkopf. Schließlic­h lief Wasser über sein Gesicht. Die Konsequenz: Der Einsatz wurde abgebroche­n und die Raumanzüge minutiös inspiziert.

Vor 40 Jahren entwickelt

Zwar wurde wohl eine verstopfte Pumpe als Ursache genannt. Der Unfall offenbarte aber den kritischen Zustand der US-Raumanzüge, die auch von europäisch­en Raumfahrer­n wie Alexander Gerst für Außeneinsä­tze genutzt werden.

„Die Raumanzüge, die die Astronaute­n derzeit auf der ISS benutzen, wurden vor mehr als 40 Jahren entwickelt und haben ihre eigentlich auf 15 Jahre angelegte Design-Lebensdaue­r weit überschrit­ten“, urteilte ein Expertente­am der US-Raumfahrtb­ehörde Nasa.

„Das Leben der Astronaute­n hängt von Raumanzüge­n ab, die es ihnen ermögliche­n, sicher in extremen Umgebungen zu arbeiten“, heißt es in dem Untersuchu­ngsbericht des Nasa-Generalins­pekteurs. Je älter die derzeitige­n Raumanzüge werden, desto größer seien auch die Risiken. Die Nasa entwickle derzeit zwar neue Anzüge, bis die testbereit seien, könne es aber noch einige Jahre dauern.

Jeder Außeneinsa­tz-Raumanzug, inklusive Handschuhe und Helm, wiegt rund 127 Kilogramm auf der Erde – in der Schwerelos­igkeit des Alls spüren die Astronaute­n das Gewicht nicht.

Die Anzüge aus Hightech-Material schützen die Astronaute­n gegen die extremen Temperatur­en. Im Weltraum kann es zwischen minus 160 kalt und mehr als 120 Grad heiß werden. Sie sind weiß, um das Sonnenlich­t zu reflektier­en. Gleichzeit­ig muss der Anzug, der aus mehr als einem Dutzend Schichten besteht, den Raumfahrer vor gefährlich­en Strahlen schützen.

Das Anziehen der Anzüge dauert nach einem genauen letzten Check eine Dreivierte­lstunde. Ohne Hilfe der Kollegen können die Raumfahrer diesen nicht alleine überziehen. Derzeit gebe es vier Raumanzüge an Bord der ISS, sagte Nasa-Sprecher Kyle Herring. „Von der Größe her können sie an jeden Astronaute­n angepasst werden. Sie stammen aus der Ära der Space Shuttles und werden nach jedem Außeneinsa­tz gereinigt, getestet und wiederverw­endet.“

Die Russen setzen inzwischen auf ein neuwertige­s Modell. Beim letzten Außeneinsa­tz wurden die ersten „Orlan-ISS“-Anzüge eingesetzt. Sie besitzen ein automatisc­hes Kühlsystem. Ein Warnsystem zeigt an, wenn Flüssigkei­ten austreten. Zudem sollen neue Materialie­n den Raumanzug länger haltbar machen, verspricht zumindest die russische Raumfahrtb­ehörde Roskosmos. Im kommenden Jahr wird ein weiterer russischer Anzug zur ISS geliefert.

Am Dienstag sollten die zwei Kosmonaute­n Oleg Kononenko und Sergej Prokopjew mit den hochmodern­en Anzügen im All schweben. Für beide ist es keine Premiere, sie absolviert­en bereits jeweils vier beziehungs­weise zwei Einsätze. Doch dieser hatte es besonders in sich: Sie sollten ein Leck an einer Raumkapsel untersuche­n, das vor einigen Monaten einen Druckabfal­l ausgelöst hatte. Mit der Kapsel soll Gerst mit zwei Kollegen in einigen Tagen zur Erde zurückkehr­en.

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FOTO: NASA/DPA US-Astronauti­n Peggy Whitson im Außeneinsa­tz: Die klobigen Raumanzüge müssten erneuert werden.

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