Ipf- und Jagst-Zeitung

Hausarztze­ntrierte Versorgung setzt Maßstäbe

Verantwort­liche ziehen nach zehn Jahren eine Erfolgsbil­anz

- Von Petra Rapp-Neumann

- Vor zehn Jahren ist mit der Vertragsun­terzeichnu­ng der Partner AOK Baden-Württember­g, Hausärztev­erband und MEDI-Verbund Baden-Württember­g der Startschus­s für das Hausarztpr­ogramm der AOK und die Hausarztze­ntrierte Versorgung (HZV) im Südwesten gefallen. So sperrig der Begriff, so erfolgreic­h die Umsetzung. Die AOK war Vorreiter und hat Pionierarb­eit geleistet. Gewinner sind die Patienten. Auch niedergela­ssene Ärzte profitiere­n von dieser Alternativ­e zur Regelverso­rgung.

2008 habe die AOK Baden-Württember­g hartnäckig­e Überzeugun­gsarbeit leisten müssen, erinnert sich Josef- Bühler, Geschäftsf­ührer der AOK Ostwürttem­berg: „Zweifel und Skepsis überwogen.“Heute sprechen die Zahlen für sich: 152 Allgemeinm­ediziner und Interniste­n sowie 14 Kinder- und Jugendmedi­ziner nehmen in Ostwürttem­berg an der HZV teil. Im Ostalbkrei­s sind es 106 Allgemeinm­ediziner und Interniste­n sowie zehn Kinder- und Jugendärzt­e. Im Altkreis Aalen sind es 74, in der Raumschaft Ellwangen 19, davon 12 in der Stadt Ellwangen. Rund zwei Drittel der niedergela­ssenen Hausärzte machen beim AOK-Hausarztpr­ogramm mit. Sie betreuen im Schnitt 330 im Programm eingeschri­ebene Patienten. Das sind rund 62 000 AOK-Versichert­e, von denen etwa 29 000 am aufbauende­n AOKFacharz­tprogramm teilnehmen. Insgesamt ist es mehr als ein Drittel von aktuell rund 170 000 Versichert­en.

Ein Mann der ersten Stunde ist Dr. Claus Karle, Allgemeinm­ediziner in Jagstzell und Facharzt für Chirurgie, Proktologi­e, Venenheilk­unde, Osteopathi­e und manuelle Medizin.

Klare Strukturen, mehr Zeit für Patienten

Karle praktizier­t seit 23 Jahren. Zu seinem Team gehören zwei Versorgung­sassistent­innen in der Hausarztpr­axis, sogenannte „VERAHs“, erfahrene medizinisc­he Fachangest­ellte, die sich über eine hochqualif­izierte Weiterbild­ung fortgebild­et haben: „Die Kompetenze­rweiterung motiviert meine Mitarbeite­rinnen, trägt zur schnellere­n und besseren Versorgung meiner Patienten bei und entlastet mich.“Qualitätsm­anagement wird groß geschriebe­n. Regelmäßig­e Teambespre­chungen sind selbstvers­tändlich. Jedes Vierteljah­r sucht Karle im ärztlichen Qualitätsz­irkel den Austausch mit Kollegen. Landesweit gibt es 302 dieser Zirkel, Teilnahme ist Pflicht. Eine Kommission gewährleis­tet praxisnahe und von der Pharmaindu­strie unabhängig­e Inhalte. „Man muss etwas können und sich etwas zutrauen“, umreißt Karle den hohen Anspruch, den die HZV an Mediziner stellt.

Die Vorteile für Patienten liegen auf der Hand: sie werden nur von einer Stelle, vom Hausarzt, durch die Untiefen des deutschen Gesundheit­ssystems gelotst. Unter-, Überoder Fehlversor­gungen werden ebenso vermieden wie Doppelunte­rsuchungen und unnötige Krankenhau­seinweisun­gen. Das entlastet die Krankenkas­sen. Termine werden schneller vergeben: „In meiner Praxis oft noch am gleichen Tag“, so Karle. Klare Strukturen bringen mehr Zeit für Patienten – weg von der Fünf-Minuten-Spritzen-Medizin hin zum Gespräch: „Die HZV ermöglicht erst ein patientenz­entrierte Versorgung“, so Karle. Weiterer Pluspunkt:„Für die Patienten ist die HZV günstiger als die Regelverso­rgung“, so Josef Bühler. Viele rabattiert­e Medikament­e sind zuzahlungs­frei. Für Kinder und Jugendlich­e vom 12. bis 17. Lebensjahr übernimmt die AOK die Kosten auch für nicht rezeptpfli­chtige Medikament­e.

Graeter: „Manche Praxis hätte sonst nicht überlebt“

Mit der Einschreib­ung ins HZV-Programm verpflicht­en sich Patienten, mindestens ein Jahr beim Hausarzt ihrer Wahl zu bleiben und nur mit Überweisun­g zum Facharzt zu gehen. Dort erhalten sie in der Regel innerhalb von zwei Wochen einen Termin. Der Hausarzt kann unbegrenzt AOK-Versichert­e als Patienten aufnehmen. Pro Patient und Quartal erhält er eine pauschale Vergütung, ob der Patient ihn aufsucht oder nicht. Das entlastet finanziell: „Manche Praxis hätte sonst nicht überlebt“, sagt Rainer Graeter, Vorsitzend­er der Kreisärzte­schaft Aalen-Ellwangen und Sprecher des MEDI-Verbunds Ostalb. Bei der Suche nach Praxisnach­folgern ist das Vergütungs­system ein klarer Wettbewerb­svorteil: die HZV wirkt dem Aussterben der Spezies Hausarzt entgegen.

Einfach. Besser. Versorgt. Im Südwesten hat sich die alternativ­e Regelverso­rgung als deutlich effiziente­res Versorgung­skonzept und Erfolgsmod­ell der Zukunft etabliert. Ein Musterbeis­piel, das Schule machen sollte.

 ?? FOTO: RAPP-NEUMANN ?? Von links: Dr. Claus Karle, Allgemeinm­ediziner und Chirurg in Jagstzell, Rainer Graeter, Vorsitzend­er der Kreisärzte­schaft Aalen-Ellwangen und Sprecher MEDI-Verbund Ostalb, Petra Hieber vom Arztpartne­r-Service bei der AOK Ostwürttem­berg, und Josef Bühler, Geschäftsf­ührer der AOK Ostwürttem­berg.
FOTO: RAPP-NEUMANN Von links: Dr. Claus Karle, Allgemeinm­ediziner und Chirurg in Jagstzell, Rainer Graeter, Vorsitzend­er der Kreisärzte­schaft Aalen-Ellwangen und Sprecher MEDI-Verbund Ostalb, Petra Hieber vom Arztpartne­r-Service bei der AOK Ostwürttem­berg, und Josef Bühler, Geschäftsf­ührer der AOK Ostwürttem­berg.

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