Die Männer können „eigentlich nur verlieren“
Bisher fristen Frauen im Darts eher ein Schattendasein: Bei der nun startenden WM ist dies anders
(SID) - Dartsprofi Jan Dekker war nach der Auslosung erst einmal bedient. „Es wird richtig schwer. Es ist ein Spiel, bei dem ich eigentlich nur verlieren kann“, sagte der Niederländer. Zum Auftakt der DartsWM am heutigen Donnerstag erwischte er Lisa Ashton als Erstrundengegnerin – eine von zwei Frauen, für die erstmals Startplätze beim Saisonhöhepunkt im Alexandra Palace in London reserviert wurden.
Frauen kommen in der testosterondurchtränkten Darts-Szene bislang praktisch nicht vor – zumindest vor der Scheibe. Die nicht selten bierseligen männlichen Fans, die im legendären „Ally Pally“Jahr für Jahr meist unter Ihresgleichen eine gigantische WM-Party feiern, dürften die pfeilewerfenden Frauen bestenfalls als willkommenen Farbtupfer wahrnehmen – schlimmstenfalls als unverschämte, die Traditionen missachtende Provokation. Denn das bisher stumpfe Frauenbild im Darts soll sich wandeln. Erst wurden zu Jahresbeginn die „Walk-on-Girls“, die die Spieler durch die Zuschauermassen zur Bühne begleiteten, abgeschafft. Jetzt stehen Frauen, die auf der bekannteren und lukrativeren Tour der Professional Darts Corporation (PDC) bisher keine Rolle spielten, auf der Teilnehmerliste.
Die Engländerin Ashton und die Russin Anastassija Dobromyslowa schnappten sich ihre Startberechtigung bei Qualifikationsturnieren. Beide gehören in der Frauenszene seit Jahren zur Weltspitze. Und Ashton hat noch eine gewaltige Hürde hinter sich: Den Wettstreit mit ihren Kindern. Im Kampf um den WMPlatz ließ die viermalige FrauenWeltmeisterin nicht nur 121 weitere britische Spielerinnen hinter sich, sondern auch ihre Töchter Danielle und Lindsey, die sich ebenfalls qualifizieren wollten. Als Mutter ebnet sie in den Jahren auch den Weg für ihre Kinder. „Es ist großartig, dass meine Töchter auch spielen“, freute sich Ashton. „Es ist schön, dass sie in meine Fußstapfen treten.“Doch erstmal gehört die Bühne der Mutter: „Für mich ist das ein absoluter Traum, der wahr wird. Ich hoffe, dass ich alle Frauen stolz machen kann.“
Dobromyslowa stand bei der PDC-WM 2009 sogar schon einmal auf der großen Bühne im Ally Pally. Dort schied sie zwar direkt in der Vorrunde aus, triumphierte aber später beim Grand Slam of Darts über Vincent van der Voort, der sich auch zehn Jahre später noch Frotzeleien seiner Kollegen anhören muss.
„Wir leben in sich verändernden Zeiten“, sagte Barry Hearn dem „Daily Telegraph“. Der Schirmherr der WM gilt eigentlich selbst als Typ der alten Schule. Er machte die PDCTour groß, kreierte mit der WM ein Party-Event. Männer wie Darts-Legende Phil Taylor oder der DoppelWeltmeister Michael Van Gerwen wurden dank Hearn zu Millionären.
Von dem Geld, das ihre männlichen Konkurrenten verdienen, können Darts-Spielerinnen nur träumen. Als Weltmeisterin des kleineren Verbandes BDO durfte sich Ashton über 10 000 Pfund freuen – bei der PDC wird allein der Erstrundensieg mit 15 000 Pfund belohnt.
Zwar ist Darts kein Sport, bei dem die Physis des Mannes ein Vorteil sein könnte. Doch wegen des geringen Interesses und der fehlenden Sponsoren gibt es für die Frauen kaum Möglichkeiten, Wettbewerbe auf höchstem Niveau zu absolvieren.
Hearn sagt, er könne Frauen nur die gleichen Wettbewerbsbedingungen geben, die Leistung müssten sie selbst bringen. Darts-Ass van Gerwen traut seinen Konkurrentinnen einiges zu. Jüngst prognostizierte er einen Zweitrundeneinzug von Dobromyslowa. „Wir werden herausfinden, wie gut sie sind, manche dieser Mädels können wirklich spielen“, sagte der 70 Jahre alte Hearn.