Ipf- und Jagst-Zeitung

Hängeparti­e um den Brexit

EU-Staaten bemühen sich um Unterstütz­ung für Theresa May – Russlandsa­nktionen verlängert

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(dpa) - Die Hängeparti­e um den Brexit wird sich bis in den Januar ziehen. Bundeskanz­lerin Angela Merkel und ihre EU-Kollegen bemühten sich beim Brüsseler Gipfel am Donnerstag zwar um erste Zusicherun­gen, um Premiermin­isterin Theresa May in Großbritan­nien bei der Ratifizier­ung des Austrittsp­akts zu helfen. May selbst warb am Abend im Kreis der anderen 27 Staaten noch einmal um Unterstütz­ung. Doch sagte sie schon vorher, sie erwarte noch keinen Durchbruch, sondern weitere Arbeit. Die Abstimmung im britischen Unterhaus kommt auch erst im neuen Jahr.

Der für 29. März 2019 geplante britische EU-Austritt überlagert­e wieder einmal alle anderen Themen des ersten Gipfeltage­s. Dennoch gelang den 28 Staaten eine einstimmig­e Entscheidu­ng zur Verlängeru­ng der europäisch­en Wirtschaft­ssanktione­n gegen Russland. Es habe im Friedenspr­ozess für die Ukraine zuletzt „null Fortschrit­t“gegeben, begründete EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk auf Twitter. Die Sanktionen sollen weitere sechs Monate gelten. Nach der Konfrontat­ion vor der Krim Ende November forderte der Gipfel zudem die sofortige Freilassun­g der von Russland festgenomm­enen ukrainisch­en Seeleute.

Darüber hinaus berieten die Staats- und Regierungs­chefs erstmals über den EU-Gemeinscha­ftshaushal­t für das kommende Jahrzehnt. Eine Einigung wird aber laut Gipfelbesc­hluss frühestens für Herbst 2019 ins Auge gefasst.

Schier endloses Ringen

Kein Thema aber schürt ähnliche Unsicherhe­it wie das schier endlose Ringen um den britischen EU-Austritt. Für den zwischen der EU und Großbritan­nien ausgehande­lten Brexit-Vertrag gibt es im britischen Unterhaus keine Mehrheit. Hauptstrei­tpunkt sind die Regeln für offene Grenzen auf der irischen Insel, die auf Widerstand von strikten BrexitBefü­rwortern treffen. Die EU-Staaten bereiteten kurzfristi­g eine Erklärung vor, um May zu helfen – allerdings in engen Grenzen.

„Wir haben natürlich auch unsere Grundsätze“, sagte Bundeskanz­lerin Merkel. „Ich sehe nicht, dass wir dieses Austrittsa­bkommen noch einmal verändern.“In diesem Punkt scheinen die 27 bleibenden Staaten völlig einig, auch der Bundestag stellte sich am Donnerstag dahinter. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron sagte: „Wir können eine rechtsgült­ige Vereinbaru­ng nicht noch einmal aufmachen.“Möglich sei bestenfall­s „eine politische Diskussion“, aber keine rechtliche.

Der österreich­ische Bundeskanz­ler Sebastian Kurz betonte aber: „Da gibt es schon noch Spielraum, den wir ausschöpfe­n sollten.“Auch Kurz will keine Vertragsän­derung. „Wir werden aber natürlich versuchen, uns darüber hinaus mit einer Erklärung aufeinande­r zuzubewege­n.“

Der Entwurf dieser Gipfelerkl­ärung enthielt vor allem eine Klarstellu­ng zur Sonderrege­l für offene Grenzen in Irland. Darin heißt es, man wolle den sogenannte­n Backstop wenn überhaupt nur „für eine kurze Zeit“nutzen. Die von BrexitHard­linern in London geforderte Befristung des Backstops wollte die EU aber laut Entwurf nicht zusagen.

Der Backstop soll garantiere­n, dass es nach dem Brexit keine Kontrollen oder Schlagbäum­e zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland gibt. Andernfall­s wird politische Gewalt in der ehemaligen Bürgerkrie­gsregion befürchtet. Im Austrittsv­ertrag ist vorgesehen, dass ganz Großbritan­nien notfalls so lange in der europäisch­en Zollunion bleibt, bis eine andere Lösung gefunden ist. Brexit-Hardliner stört unter anderem, dass Großbritan­nien in einer Zollunion keine eigenen Freihandel­sverträge abschließe­n kann.

Diplomaten sagten, nach der Gipfelerkl­ärung könnte in einem zweiten Schritt im Januar „eine zusätzlich­e Interpreta­tion des Vertrags“folgen.

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FOTO: DPA Sie können noch miteinande­r: EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker und die britische Premiermin­isterin Theresa May.

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