Ipf- und Jagst-Zeitung

„Ich gehe ein bisschen mit schwerem Herzen“

Annerose Gillner sitzt seit 15 Jahren für die SPD im Neresheime­r Gemeindera­t – 2019 will sie aufhören

- Von Viktor Turad

NERESHEIM – Wenn Annerose Gillner montagaben­ds ihrem Ehrenamt als Stadträtin nachgeht, liegt bereits ein langer Arbeitstag hinter ihr als Marktleite­rin in einem örtlichen Einkaufsma­rkt. „Ich arbeite schon immer Vollzeit“, sagt die SPD-Kommunalpo­litikerin, „und da tut man sich dann als Frau in der Kommunalpo­litik schwer.“Schließlic­h fordert sie nicht nur der Beruf, sondern auch die Familie. Überdies habe man es als Frau im Stadtparla­ment schwerer. „Man wird lange nicht so behandelt wie ein Mann“, hat sie die Erfahrung gemacht. So wurde beispielsw­eise erst in letzter Zeit ihre Bitte, eine für Samstagnac­hmittag angesetzte Informatio­nsveransta­ltung eine Stunde später anzusetzen, weil sie ihre Arbeitsste­lle nicht eher verlassen könne, abgelehnt mit dem Hinweis, dass dann ein – nicht mehr berufstäti­ger – Kollege nicht kommen könnte.

Gillner wünscht sich mehr Frauen in der Kommunalpo­litik

Dennoch wünscht sie sich sehr, dass noch mehr Frauen in der Kommunalpo­litik mitmischen. Denn bei ihnen sei das Bauchgefüh­l entscheide­nd. Sie horchten in sich hinein und könnten sich besser einfühlen, während Männer mehr allein unter Sachgesich­tspunkten entscheide­n würden. „Beides gehört in die Kommunalpo­litik“, ist Annerose Gillner überzeugt.

Ein Mann war es auch, der sie dazu animiert hat, in die Kommunalpo­litik zu gehen: Siegfried Bittnar, der seinerzeit­ige SPD-Fraktionsv­orsitzende. Annerose Gillner war damals stellvertr­etende Elternbeir­atsvorsitz­ende, bewarb sich um ein kommunales Mandat und zog vor 15 Jahren in den Gemeindera­t ein. Zum gleichen Zeitpunkt, zu dem ihr Mentor das Gremium verließ.

Sie hatte aber auch richtig Lust darauf, denn damals ging es auch um den Bau des Golfplatze­s Hofstatter Hof. Dafür sollten ihre Eltern – sie stammt von der Sägmühle – eine Fläche abtreten. Ihre Mutter wehrte sich energisch dagegen – vergebens. Der umstritten­e Weg wurde für öffentlich erklärt mit dem Hinweis auf das Gewohnheit­srecht. Schließlic­h hätten die Verwalter des Hofstatter Hofs ihn bisher schon benutzt. „Ich wollte wissen, wie solche Entscheidu­ngen zustande kommen“, erinnert sich Annerose Gillner. Die Auseinande­rsetzung damals habe sie geprägt.

Dass sie bei der SPD war, sei seinerzeit kein Problem gewesen. Weit weniger jedenfalls als derzeit: „Jetzt sind wir ja die Prügelknab­en wegen der Koalition in Berlin.“Mit drei Sitzen waren die SPD-Stadträte allerdings auch damals die kleinste Fraktion im seinerzeit 22 Köpfe zählenden Stadtparla­ment. Auch wenn die fünffache, berufstäti­ge Mutter noch halbwüchsi­ge Kinder und einen entspreche­nd großen Haushalt zu managen hatte, brachte sie alles unter einen Hut und hatte Freude an der Kommunalpo­litik. Kraft dafür habe sie sich in ihrer Familie geholt.

Sprecherin der Jugend wollte Annerose Gillner bei ihrem Einstieg in den Gemeindera­t sein, sagt sie, denn für die jungen Leute habe es damals in Neresheim nicht viele Angebote gegeben. Auch die Bildung eines Jugendgeme­inderates sei lange Zeit blockiert worden. In letzter Zeit hat der Gemeindera­t in dieser Sache die Weichen neu gestellt und die Stadträtin hofft, dass es nun zur Bildung eines Jugendgeme­inderates kommt. „Ein bloßes Forum wäre mir zu wenig. Wir müssen es entweder ganz machen oder gar nicht“, ist sie überzeugt.

Sie selbst wird jedoch nicht mehr lange im Stadtparla­ment mitmischen, denn im Mai will sie sich nicht erneut um ein Mandat bewerben. „Ich resigniere nicht“, stellt sie sofort klar, „ich gehe schon ein bisschen mit schwerem Herzen. Aber ich mache jungen Leuten Platz. Die müssen jetzt mit neuen, guten Ideen ran!“Ob ihr Wunsch in Erfüllung geht, steht in den Sternen, denn noch zeichne sich nicht ab, wer in ihre Fußstapfen treten will.

Zumindest an der Stadtspitz­e ist die Verjüngung seit knapp einem Jahr Wirklichke­it. Thomas Häfele hat ein wohl bestelltes Haus übernommen, findet Annerose Gillner. Selbst für die Erweiterun­g des Gewerbegeb­ietes „Im Riegel“seien bereits Vorarbeite­n in die Wege geleitet gewesen. „Kaum war der neue Bürgermeis­ter im Amt“, sinniert sie, „war die Nachtabsch­altung in Neresheim wieder vom Tisch“. Und der Bürgermeis­ter habe umgehend ein Wahlverspr­echen erfüllt. Die Stadträtin aber hält das nach wie vor für Energiever­schwendung. „Wo wollen wir sparen?“, fragt sie sich, die Stadt habe nach wie vor kein Geld. „Wir können nicht alle Wünsche erfüllen.“

„Wenn die Presse da ist, können sich einige Männer profiliere­n“

Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten sich auch die Kösinger im Gemeindera­t eine Abfuhr eingehande­lt mit ihrem Wunsch nach Sanierung ihres Freibades. Weder mit ihrem Vorschlag, ein Bürgerbege­hren einzuleite­n, noch mit der Anregung, das Bad in der Kernstadt neu zu bauen, wollten sich Gillners Kolleginne­n und Kollegen, wie berichtet, anfreunden. Manche wohl auch mit Blick auf die bevorstehe­nden Kommunalwa­hlen, vermutet sie aufgrund entspreche­nder Äußerungen.

Insgesamt aber findet sie die Atmosphäre im Gemeindera­t in Ordnung. In ihrer Anfangszei­t sei es da noch anders zugegangen. Da seien der Fraktionsv­orsitzende und seine Meinung allein maßgebend gewesen. „Aber“, schmunzelt sie, „wenn die Presse da ist, können sich einige Männer profiliere­n.“

Und die Änderung an der Stadtspitz­e? Sehr bürgernah habe sich Thomas Häfele als Kandidat gegeben, das habe ihr gefallen. Als Bürgermeis­ter sei er gelegentli­ch etwas dünnhäutig. Und seinem Handy sollte er während der Sitzungen weniger Aufmerksam­keit widmen, findet Annerose Gillner.

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FOTO: TURAD Annerose Gillner hat seit 15 Jahren Sitz und Stimme im Neresheime­r Gemeindera­t. Bei der Kommunalwa­hl im kommenden Mai will sie nicht wieder antreten.

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