„Ich gehe ein bisschen mit schwerem Herzen“
Annerose Gillner sitzt seit 15 Jahren für die SPD im Neresheimer Gemeinderat – 2019 will sie aufhören
NERESHEIM – Wenn Annerose Gillner montagabends ihrem Ehrenamt als Stadträtin nachgeht, liegt bereits ein langer Arbeitstag hinter ihr als Marktleiterin in einem örtlichen Einkaufsmarkt. „Ich arbeite schon immer Vollzeit“, sagt die SPD-Kommunalpolitikerin, „und da tut man sich dann als Frau in der Kommunalpolitik schwer.“Schließlich fordert sie nicht nur der Beruf, sondern auch die Familie. Überdies habe man es als Frau im Stadtparlament schwerer. „Man wird lange nicht so behandelt wie ein Mann“, hat sie die Erfahrung gemacht. So wurde beispielsweise erst in letzter Zeit ihre Bitte, eine für Samstagnachmittag angesetzte Informationsveranstaltung eine Stunde später anzusetzen, weil sie ihre Arbeitsstelle nicht eher verlassen könne, abgelehnt mit dem Hinweis, dass dann ein – nicht mehr berufstätiger – Kollege nicht kommen könnte.
Gillner wünscht sich mehr Frauen in der Kommunalpolitik
Dennoch wünscht sie sich sehr, dass noch mehr Frauen in der Kommunalpolitik mitmischen. Denn bei ihnen sei das Bauchgefühl entscheidend. Sie horchten in sich hinein und könnten sich besser einfühlen, während Männer mehr allein unter Sachgesichtspunkten entscheiden würden. „Beides gehört in die Kommunalpolitik“, ist Annerose Gillner überzeugt.
Ein Mann war es auch, der sie dazu animiert hat, in die Kommunalpolitik zu gehen: Siegfried Bittnar, der seinerzeitige SPD-Fraktionsvorsitzende. Annerose Gillner war damals stellvertretende Elternbeiratsvorsitzende, bewarb sich um ein kommunales Mandat und zog vor 15 Jahren in den Gemeinderat ein. Zum gleichen Zeitpunkt, zu dem ihr Mentor das Gremium verließ.
Sie hatte aber auch richtig Lust darauf, denn damals ging es auch um den Bau des Golfplatzes Hofstatter Hof. Dafür sollten ihre Eltern – sie stammt von der Sägmühle – eine Fläche abtreten. Ihre Mutter wehrte sich energisch dagegen – vergebens. Der umstrittene Weg wurde für öffentlich erklärt mit dem Hinweis auf das Gewohnheitsrecht. Schließlich hätten die Verwalter des Hofstatter Hofs ihn bisher schon benutzt. „Ich wollte wissen, wie solche Entscheidungen zustande kommen“, erinnert sich Annerose Gillner. Die Auseinandersetzung damals habe sie geprägt.
Dass sie bei der SPD war, sei seinerzeit kein Problem gewesen. Weit weniger jedenfalls als derzeit: „Jetzt sind wir ja die Prügelknaben wegen der Koalition in Berlin.“Mit drei Sitzen waren die SPD-Stadträte allerdings auch damals die kleinste Fraktion im seinerzeit 22 Köpfe zählenden Stadtparlament. Auch wenn die fünffache, berufstätige Mutter noch halbwüchsige Kinder und einen entsprechend großen Haushalt zu managen hatte, brachte sie alles unter einen Hut und hatte Freude an der Kommunalpolitik. Kraft dafür habe sie sich in ihrer Familie geholt.
Sprecherin der Jugend wollte Annerose Gillner bei ihrem Einstieg in den Gemeinderat sein, sagt sie, denn für die jungen Leute habe es damals in Neresheim nicht viele Angebote gegeben. Auch die Bildung eines Jugendgemeinderates sei lange Zeit blockiert worden. In letzter Zeit hat der Gemeinderat in dieser Sache die Weichen neu gestellt und die Stadträtin hofft, dass es nun zur Bildung eines Jugendgemeinderates kommt. „Ein bloßes Forum wäre mir zu wenig. Wir müssen es entweder ganz machen oder gar nicht“, ist sie überzeugt.
Sie selbst wird jedoch nicht mehr lange im Stadtparlament mitmischen, denn im Mai will sie sich nicht erneut um ein Mandat bewerben. „Ich resigniere nicht“, stellt sie sofort klar, „ich gehe schon ein bisschen mit schwerem Herzen. Aber ich mache jungen Leuten Platz. Die müssen jetzt mit neuen, guten Ideen ran!“Ob ihr Wunsch in Erfüllung geht, steht in den Sternen, denn noch zeichne sich nicht ab, wer in ihre Fußstapfen treten will.
Zumindest an der Stadtspitze ist die Verjüngung seit knapp einem Jahr Wirklichkeit. Thomas Häfele hat ein wohl bestelltes Haus übernommen, findet Annerose Gillner. Selbst für die Erweiterung des Gewerbegebietes „Im Riegel“seien bereits Vorarbeiten in die Wege geleitet gewesen. „Kaum war der neue Bürgermeister im Amt“, sinniert sie, „war die Nachtabschaltung in Neresheim wieder vom Tisch“. Und der Bürgermeister habe umgehend ein Wahlversprechen erfüllt. Die Stadträtin aber hält das nach wie vor für Energieverschwendung. „Wo wollen wir sparen?“, fragt sie sich, die Stadt habe nach wie vor kein Geld. „Wir können nicht alle Wünsche erfüllen.“
„Wenn die Presse da ist, können sich einige Männer profilieren“
Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten sich auch die Kösinger im Gemeinderat eine Abfuhr eingehandelt mit ihrem Wunsch nach Sanierung ihres Freibades. Weder mit ihrem Vorschlag, ein Bürgerbegehren einzuleiten, noch mit der Anregung, das Bad in der Kernstadt neu zu bauen, wollten sich Gillners Kolleginnen und Kollegen, wie berichtet, anfreunden. Manche wohl auch mit Blick auf die bevorstehenden Kommunalwahlen, vermutet sie aufgrund entsprechender Äußerungen.
Insgesamt aber findet sie die Atmosphäre im Gemeinderat in Ordnung. In ihrer Anfangszeit sei es da noch anders zugegangen. Da seien der Fraktionsvorsitzende und seine Meinung allein maßgebend gewesen. „Aber“, schmunzelt sie, „wenn die Presse da ist, können sich einige Männer profilieren.“
Und die Änderung an der Stadtspitze? Sehr bürgernah habe sich Thomas Häfele als Kandidat gegeben, das habe ihr gefallen. Als Bürgermeister sei er gelegentlich etwas dünnhäutig. Und seinem Handy sollte er während der Sitzungen weniger Aufmerksamkeit widmen, findet Annerose Gillner.