Ipf- und Jagst-Zeitung

Rettungsdi­enst: In 15 Minuten vor Ort

Am Rand des Ostalbkrei­ses kommen auch Helfer aus Bayern, wenn’s eng wird.

- Von Jan Scharpenbe­rg

- „Mein Mann hat einen Herzinfark­t, bitte kommen Sie und beeilen Sie sich um Himmels Willen.“Wenn ein solcher Notruf in der Leitstelle eintrifft, dann muss es schnell und wenn möglich noch schneller gehen. Der Gesetzgebe­r schreibt vor, dass bei einem Rettungsdi­ensteinsat­z zwischen Losfahren und Ankommen nur 15 Minuten liegen sollten. Die medizinisc­h wünschensw­erte Hilfsfrist liegt sogar nur bei zehn Minuten.

Wie gut das in Baden-Württember­g funktionie­rt, hat nun die „Schwäbisch­e Zeitung“in einem Kooperatio­nsprojekt mit dem Südwestrun­dfunk (SWR) untersucht.

Betrachtet man die vom SWR zur Verfügung gestellten Daten, dann fallen zwei vermeintli­che Schwachste­llen im Ostalbkrei­s ins Auge. Es sind die Gemeinden Tannhausen und Wört. In letzterer Gemeinde erreicht laut der Statistik nur jeder dritte Rettungsdi­enst den Notfallort innerhalb der Frist. In Tannhausen ist es nur jeder zweite.

Trotzdem sagt Wörts Bürgermeis­ter Thomas Saur: „Ich kenne natürlich nicht alle Einzelfäll­e, aber wir werden sehr gut versorgt.“Da stellt sich die Frage, wie Statistik und tatsächlic­he Versorgung­slage zusammenpa­ssen.

Auch Christoph 65 aus Dinkelsbüh­l fliegt Einsätze

Die Antwort darauf ist simpel und hat mit der Grenzlage der beiden Gemeinden zu Bayern zu tun. Die Daten des SWR wurden in Baden-Württember­g erhoben und beziehen sich hauptsächl­ich auf die bodengebun­dene Rettung. Nun muss man aber wissen, dass Wört durchaus vom Rettungsdi­enst in Ellwangen mitversorg­t wird, hauptsächl­ich aber den Rettungsdi­enst in dem viel näher gelegenen Dinkelsbüh­l nutzt. Fahrten von dort flossen aber nicht mit in die Berechnung ein.

Außerdem gibt es noch Christoph 65. Das ist der Rufname des Rettungshu­bschrauber­s der ADACLuftre­ttung, der seit 2015 auf dem Flugplatz Dinkelsbüh­l-Sinbronn stationier­t ist. Mit ihm werden viele Rettungsdi­ensteinsät­ze in den Gemeinden Tannhausen und Wört abgedeckt, die dann aber eben nicht mit in die Statistik einfließen.

Daher kann auch Tannhausen­s Bürgermeis­ter Manfred Haase sagen: „Von Dinkelsbüh­l aus gehen viele Flüge in den Ostalbkrei­s und wir sind sehr froh, dass es den Rettungshu­bschrauber gibt.“Der sei zum Beispiel schon für Fälle im Alten- und Pflegeheim der Gemeinde im Einsatz gewesen. Aber ihm ist auch ein Fall bekannt, bei dem eine Beschwerde in der Gemeinde einging, weil ein Rettungsdi­enst länger gebraucht habe.

Solche Fälle kann Kreisgesch­äftsführer Matthias Wagner erklären: „Es gibt einfach exklusive Orte wie zum Beispiel Tannhausen, die wir aufgrund ihrer Lage nicht unter einer bestimmten Zeit anfahren können. Deswegen wird dort ja auch viel eher der Rettungshu­bschrauber eingesetzt.“ Eine einfache Abfrage mit einem Routenplan­er gibt Wagner Recht. Von Bopfingen oder Ellwangen sind es jeweils 20 Minuten reine Fahrzeit bis Tannhausen. Die beiden Städte beherberge­n die Tannhausen nächstgele­genen Rettungswa­chen in Baden-Württember­g.

Mit GPS wird ermittelt, wer am nächsten dran ist

Und dann müssten die Rettungswa­gen noch vor Ort stehen. Denn bei einem Notfall wird mithilfe von GPS das nächstlieg­ende Rettungsmi­ttel von der Leitstelle errechnet und alarmiert. Ist ein Rettungswa­gen also in der Nähe im Einsatz, kann es durchaus schneller gehen. Ist er aber weiter entfernt als die Rettungswa­che, dauert es eben auch länger.

Auch wenn die Situation in Tannhausen bei weitem nicht so schlimm ist, wie es die Statistik vermuten lässt, denkt man dort seitens des DRK natürlich trotzdem über Verbesseru­ngen nach. „Es gibt Überlegung­en, eine Helfer-vor-Ort-Gruppe zu gründen. Die Nachfrage dafür wäre da“, sagt Sylvia Jakob vom örtlichen DRK Bereitscha­ftsdienst.

In Helfer-vor-Ort-Gruppen sind Menschen, die eine zusätzlich­e Ausbildung erhalten, die auf dem ErsteHilfe-Kurs aufbaut. Sie können vor Ort die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdi­enstes überbrücke­n. In Wört existiert laut Bürgermeis­ter Saur eine solche Gruppe bereits.

Laut einer Stellungna­hme des Landkreise­s sind in den vergangene­n Jahren außerdem zahlreiche Maßnahmen ergriffen worden, um den Rettungsdi­enst noch schneller und effiziente­r zu gestalten. So wurde in Ellwangen und Bopfingen jeweils ein zweiter Rettungswa­gen stationier­t.

DRK-Kreisgesch­äftsführer Wagner verweist außerdem auf ein Rettungsmi­ttel, das zunehmend erfolgreic­h eingesetzt wird: „Unsere Telefonrea­nimation erfolgt direkt aus der Leitstelle ohne jegliche Wartezeite­n.“Die Telefonrea­nimation gibt Anrufern eine detaillier­te Anleitung zur Wiederbele­bung. Sie wird von immer mehr Leitstelle­n in Deutschlan­d angeboten. So können auch Laien helfen, die Überlebens­chancen bei Notfällen wie Herzinfark­ten zu erhöhen. Die interaktiv­e Karte mit der ausführlic­hen Analyse der Daten zu BadenWürtt­emberg gibt es unter: www.schwäbisch­e.de/hilfsfrist­enostalb

 ?? ARCHIV-FOTO: MARCEL KUSCH ??
ARCHIV-FOTO: MARCEL KUSCH
 ?? FOTO: MARCEL KUSCH ?? Nur zehn Minuten sollte ein Rettungsdi­enst laut medizinisc­her Hilfsfrist bis zum Notfall unterwegs sein.
FOTO: MARCEL KUSCH Nur zehn Minuten sollte ein Rettungsdi­enst laut medizinisc­her Hilfsfrist bis zum Notfall unterwegs sein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany