Spaltung in der Orthodoxie
Ukraine gründet eigene Nationalkirche – Metropolit Epiphanius zum Oberhaupt gewählt
(KNA) - Die Ukraine will sich mit der Gründung einer eigenen orthodoxen Landeskirche nun auch im religiösen Bereich stärker von Russland abgrenzen. In der Kiewer Sophienkathedrale versammelten sich am Samstag mehr als 100 Bischöfe, Priester und Laien zu einem Konzil, um die Kirchenverfassung zu beschließen und das Oberhaupt der neuen Kirchen zu wählen. Als Gast nahm auch Staatspräsident Petro Poroschenko teil.
In einer Ansprache vor dem Konzil betonte er, die kirchliche Unabhängigkeit sei wichtig für die „nationale Sicherheit“. „Wir durchschneiden die Ketten, die uns an das Reich banden“, sagte Poroschenko nach Angaben der Präsidentenkanzlei mit Blick auf Russland. Am Abend sagte er vor Tausenden Menschen vor der Sophienkathedrale: „Die (neue) vereinte und unabhängige ukrainisch-orthodoxe Kirche ist eine Kirche ohne Putin, eine Kirche ohne (den Moskauer Patriarchen) Kyrill.“In der Vergangenheit hatte Poroschenko der mit Moskau verbundenen ukrainisch-orthodoxen Kirche Gebete für KremlChef Wladimir Putin und russische Soldaten vorgeworfen, die Ukrainer töteten.
Die Gründung der Kirche gilt sowohl als bedeutender Schritt für die Unabhängigkeit des Landes als auch für die Vereinigung der bestehenden drei großen orthodoxen Kirchen in der Ukraine. Bislang unterstehen mehr als 12 000 ukrainische Pfarreien und rund 200 Klöster dem orthodoxen Moskauer Patriarchat. Dessen Hoheit über die Ukraine soll die neue Kirche beenden, wodurch Moskau ein Drittel seiner Pfarreien verlieren würde.
Zum Boykott aufgerufen
Als Ehrenoberhaupt aller orthodoxen Christen hatte der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., die Bischöfe aller drei bisherigen ukrainischen Kirchen zu dem Konzil eingeladen. Überschattet wurde die Versammlung vom Fernbleiben fast aller der über 90 Bischöfe der ukrainischen Kirche. Nur zwei Bischöfe nahmen laut örtlichen Medienberichten an der Gründungsversammlung teil. Die Kirche des Moskauer Patriarchats hatte ihre Bischöfe zum Boykott des Konzils aufgerufen.
Bisher konkurrierten drei orthodoxe Kirchen in dem 45-MillionenEinwohner-Land miteinander. Eine untersteht dem Moskauer Patriarchat, die anderen beiden spalteten sich 1921 beziehungsweise 1992 ab. Theologisch sind sie sich einig, nur die Haltung zu Moskau unterscheidet sie fundamental. Laut Umfragen bekennen sich die meisten orthodoxen Ukrainer zur 1992 gegründeten Kirche des Kiewer Patriarchats.
Als Favorit bei der Wahl des Kirchenoberhaupts galt der zum Kiewer Patriarchat gehörende Metropolit Epiphanius. Tatsächlich wurde der 39-Jährige, der als rechte Hand des Kiewer Patriarchen Filaret (89) gilt, am Samstagabend gewählt. Bartholomaios I. will Epiphanius am 6. Januar in Istanbul die Bulle (Tomos) über die Verleihung der kirchlichen Eigenständigkeit übergeben. Der promovierte Theologe trägt laut Medienberichten nun den Titel „Metropolit von Kiew und der ganzen Ukraine“. Das Moskauer Patriarchat pocht auf seine kirchliche Oberhoheit über die Ukraine. Aus Protest gegen die Gründung der eigenständigen ukrainischen Landeskirche brach es bereits seine Kontakte zum Ökumenischen Patriarchat vom Konstantinopel ab. Zudem verbot die russisch-orthodoxe Kirche ihren Gläubigen die Teilnahme an Gottesdiensten in dessen Kirchen.