Ipf- und Jagst-Zeitung

Wegen der Hochzeitsf­eier auf der Flucht

Weil er seine Hochzeit in seiner Heimatstad­t feiern wollte, musste Omar aus Syrien fliehen

- Von Jan Scharpenbe­rg

- Wenn der 27-jährige Omar von seiner Vergangenh­eit erzählt, dann will seine Mimik nicht so recht zu den schweren Schicksals­schlägen passen, von denen er erzählt. Er lächelt viel, während er in dem Büro der Migrations­beratung der Caritas in Aalen sitzt und redet. Davon, wie er in seiner Heimatstad­t Hochzeit feiern wollte und stattdesse­n sieben Tage später aus dem Land fliehen musste.

Aufgewachs­en ist Omar in Deir ez-Zor einer Großstadt im Osten Syriens. Sie war die letzte Großstadt des Landes, die die syrische Armee vom IS zurückerob­erte. Im November 2017 war das. „Als ich dort aufgewachs­en bin, war es sehr schön“, erzählt Omar. Er hätte jeden Tag zur Schule gehen, Zeit mit der Familie verbringen und spielen können. „Ganz normal eben.“

Omar macht sein Abitur und geht 2010 nach Damaskus, um Geografie zu studieren. Die Entscheidu­ng für das Studienfac­h fiel ihm leicht: „In meiner Stadt gab es keine Erdkundele­hrer und auch meine Eltern haben mir dazu geraten.“Nach dem Bachelor soll der Master folgen und vielleicht irgendwann auch mal eine Professur. Während Omar studiert, bricht der Bürgerkrie­g in Syrien aus. Omar macht ein zweimonati­ges Praktikum als Lehrer. Er mag es die Kinder zu unterricht­en, sagt er, denn: „Wenn man Kindern in Syrien etwas beibringt, können sie später auch etwas für ihr Land tun.“

Während seines Studiums passiert Omar jedoch noch etwas sehr Wichtiges. Er lernt die kleine Schwester einer Freundin kennen. Khadija ist ihr Name. Nach dem ersten Treffen halten die beiden über Handy und Social Media Kontakt. „Ich habe während meines Studiums in einem kleinen Einkaufsla­den gearbeitet. Dort hat sie mich dann fast jeden Tag besucht“, erzählt Omar und lächelt.

Verhaftet und sieben Tage gefangen gehalten

Es ist 2015, Omar hat seinen Uni-Abschluss in der Tasche und er und Khadija wollen heiraten. In Syrien tobt der Bürgerkrie­g. In Deir-Azor herrschen schon seit drei Jahren die radikalen Islamisten des IS. Laut dem arabischen Nachrichte­nsender AlJazeera richten sie dort Hunderte Zivilisten hin. Omar erinnert sich: „Jeden Tag gab es neue Gesetze, die bestimmten, wer die Stadt verlassen und betreten durfte.“Der 27-Jährige benutzt häufig das Wort Blockade, wenn er sich an diese Zeit erinnert.

Deswegen wollen er und Khadija eigentlich in einem Hotel in Damaskus die Hochzeit feiern, aber seine Eltern bitten ihn, in seiner Heimatstad­t zu feiern. Omar weiß, dass das gefährlich sein könnte, weil Khadija eine Auswärtige ist. Die Hochzeitsu­rkunde unterschre­iben Omar und Khadija am 10. September bei einem Imam im Wohnzimmer von Khadijas Eltern. Dann machen sie sich auf den Weg nach Deir-Azor. Während Khadija bei Omars Eltern wartet, machen sich er und einer seiner Brüder auf zu den Verantwort­lichen des IS. Omar will sie um Erlaubnis für die Hochzeitsf­eier fragen. Sein Gesuch wird abgelehnt. „Ich sagte Ihnen, dass ich doch auch Muslim sei und mich trotzdem nicht so verhalten würde wie sie.“Omar und sein Bruder werden sofort verhaftet und sieben Tage gefangen gehalten.

„Als ich wieder frei war, konnte ich nicht mehr bei meiner Frau und meiner Familie bleiben. Das wäre für sie zu gefährlich gewesen“, sagt Omar. Er und sein Bruder fliehen noch am gleichen Tag aus dem Land. Omar macht sich auf den Weg nach Europa. Sein Bruder muss in den Libanon fliehen. Für Europa reicht für beide das Geld nicht.

Mit dem Schlauchbo­ot übers Meer

Ab diesem Zeitpunkt gleicht Omars Geschichte der von vielen syrischen Flüchtling­en. Es geht zu Fuß in die Türkei, es fließt viel Geld für einen Schleuser und mit einem kleinen, aber völlig überfüllte­n Schlauchbo­ot geht es übers Meer nach Griechenla­nd. Von dort weiter über die Balkanrout­e bis nach Österreich und dann mit dem Zug nach Deutschlan­d. Am 16. Oktober, knapp einen Monat nach seiner Hochzeit, kommt Omar in Düsseldorf an. Sehr müde, aber gewillt, seine Chance wahrzunehm­en.

„Was er in den drei Jahren seit er hier ist, alles erreicht hat, ist schon beachtlich“, sagt seine Migrations­beraterin Mirjam Kuhn. Deutsch lernen macht ihm Spaß und er bestand schnell seine Integratio­nskurse. „Deutsch ist gar nicht so schwer. Für gutes Arabisch braucht man hingegen schon zwanzig Jahre“, sagt er und lacht.

Ein wenig mehr als zwanzig Tage nach seiner Ankunft in Aalen hatte Omar schon einen Vollzeitjo­b bei der Firma Zeiss. Er arbeitet dort im Lager und übernimmt gerne Nachtschic­hten, weil er damit mehr Geld verdient. Das braucht er, um seine Familie und Frau in Syrien zu unterstütz­en. Auf lange Sicht jedoch will er noch besser Deutsch lernen, damit er irgendwann auch hier als Erdkundele­hrer arbeiten kann. Mirjam Kuhn sagt: „Da arbeiten wir gerade dran.“

Sein größter Traum ist es aber, seine Frau nach Deutschlan­d zu holen, irgendwann mit ihr ein Haus zu kaufen und „ein einfaches ruhiges Leben zu führen“. Wann seine Frau nachkommen kann, steht für Omar, der eine Aufenthalt­serlaubnis hat, noch nicht fest. Die Behörden prüfen noch, ob er beweisen kann, dass Khadija seine Frau ist. „Der Heiratsver­trag des Imam scheint nicht zu reichen“, sagt Omar. Er sei aufgeforde­rt worden, Fotos von der Hochzeit vorzuzeige­n.

Weitere Beiträge zur Aktion sind unter www.schwaebisc­he.de/ weihnachts­spendenakt­ion zu finden. „Als ich wieder frei war, konnte ich nicht mehr bei meiner Frau und meiner Familie bleiben. Das wäre für sie zu gefährlich gewesen“, sagt Omar.

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FOTO: AMMAR SAFARJALAN­I Omar musste vor dem IS und dem Krieg in Syrien fliehen. Unser Bild zeigt Angriffe auf die Region Damaskus Anfang April 2018.
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