Ipf- und Jagst-Zeitung

Postkarten­räuber muss lange in Haft

In Feldkirch ist am Dienstag der sogenannte Postkarten­räuber in einem kurzen Prozess zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden

- Von Uwe Jauß

(jau) - Der Postkarten­räuber, ein 55-Jähriger aus Tirol, muss für zwölf Jahre in Haft. Der Österreich­er wurde am Dienstag vom Landesgeri­cht Feldkirch wegen schweren Raubes verurteilt. Der Angeklagte hatte gestanden, zwischen 2008 und 2017 insgesamt 14 Überfälle auf Bank- und Postfilial­en in Österreich und im Allgäu verübt zu haben. Im September 2017 war er in Heimenkirc­h im Kreis Lindau von einem Bankkunden überwältig­t worden. Er hatte 190 000 Euro erbeutet.

- Eben noch hat Peter K. Energie gehabt. Mit dynamische­n Schritten ist der 55-jährige, stämmige Angeklagte zwischen zwei Justizwach­tmeistern in den Schwurgeri­chtssaal des Feldkirche­r Landesgeri­chts marschiert – so als wolle er mal kurz sein Urteil abholen. Er gilt hier in Vorarlberg fast schon als Verbrecher­legende, ein Serienbank­räuber, bekannt als „Postkarten­räuber“, weil er die Polizei durch zugeschick­te Postkarten verhöhnt hat. Dann aber ist an diesem Dienstag alles anders: keine Dynamik mehr, nur noch Strafe. „Im Namen der Republik“verkündet die Vorsitzend­e Richterin Sabrina Tagwercher kurz und bündig den vor ihr stehenden Angeklagte­n: schuldig in allen Punkten der Anklage, zwölf Jahre Gefängnis.

Die Verteidigu­ng hat acht bis zehn Jahre erwartet. Peter K. erstarrt, sinkt ein Stück weit zusammen. Seine Gesichtszü­ge drücken Verzweiflu­ng aus. Nichts bleibt mehr von der Postkarten­räuber-Legende oder dem Ruf, eine Art Robin Hood und Polizei-Austrickse­r zu sein. In dieser Form war er über Jahre hinweg in Vorarlberg­er Internetfo­ren von ansonsten braven Bürgern klammheiml­ich bewundert worden. Jetzt steht nur noch ein verurteilt­er Bankräuber im Saal, vom Gericht zum wenig intelligen­ten, gewöhnlich­en Kriminelle­n reduziert. Bestraft für 14 Überfälle, drei davon auf Bankfilial­en im Westallgäu – was seine Geschichte sogar internatio­nalisiert.

Berühmte Postkarten

Dass der unscheinba­r wirkende einstige Handwerker überhaupt in den Ruch gekommen ist, ein besonderer Gangster zu sein, hat unterschie­dliche Gründe. Zum einen geht es um seine berühmten Postkarten. Zwei davon schickt er ab. Eine Nachricht gilt 2009 einer Sparkassen­filiale in einem Teilort der Vorarlberg­er Landeshaup­tstadt Bregenz, dem Schauplatz seines vierten Überfalls. „Das wars noch nicht alles. Komme wieder“, steht da geschriebe­n. Auf einer zweiten Karte an die Polizei ist ein grinsender Schimpanse und der Hinweis „keep smiling“zu sehen.

Die Postkarten alleine waren es aber nicht. Es ist eher so, dass sich zu dieser Unverfrore­nheit die außergewöh­nlich langandaue­rnde Überfallse­rie gesellte. 2008 schlägt der Mann erstmals zu. Tatort ist eine Sparkassen­filiale in Feldkirch-Altenstadt. Es ist der Auftakt von elf Überfällen auf Bankinstit­ute und Postnieder­lassungen in Vorarlberg. Peter K. entkommt nicht nur jedes Mal, er bleibt auch völlig unerkannt, ein Phantom. Die Fahnder haben zwar seine Erbgutspur­en, die DNA. Sie besitzen Aufnahmen aus Überwachun­gskameras, seine Schrift, Sprachaufn­ahmen – und stehen dennoch vor einem Rätsel. „Uns fehlt ein Gesicht“, sagt damals Vorarlberg­s Landespoli­zeidirekto­r Hans-Peter Ludescher.

Weil aber die Vorarlberg­er Banken ihre Sicherheit­svorkehrun­gen verbessern und der Fahndungsd­ruck zunimmt, verlegt Peter K. im Sommer 2016 sein Tätigkeits­feld ins Westallgäu. Gleich zweimal sucht er sich Bankfilial­en in Opfenbach heraus. DNA-Spuren an den Tatorten und weitere Analysen weisen den Weg zum Postkarten­räuber. Nun dürfen die bayerische­n Fahnder miträtseln. Womöglich wäre dies noch immer so, hätte in der Westallgäu­er Marktgemei­nde Heimenkirc­h nicht ein Bodybuilde­r am 5. September 2017 die örtliche Niederlass­ung der Raiffeisen­bank besucht. Just zu diesem Zeitpunkt will Peter K. dort abkassiere­n. Der Bodybuilde­r packt ihn von hinten, überwältig­t den Räuber.

Mehr als 190 000 Euro erbeutet

Gut 190 000 Euro hat der Postkarten­räuber während seiner Karriere erbeutet. Die ist nun beendet. Rasch wird den kooperiere­nden bayerische­n und Vorarlberg­er Beamten wegen der früheren DNA-Spuren klar, um wen es sich handelt. Wobei es eine Überraschu­ng gibt. Sie betrifft die Heimat des Täters. Ein von der Vorarlberg­er Kripo beauftragt­er Profiler hatte dessen Lebensmitt­elpunkt im Vorarlberg­er Rheintal verortet. Tatsächlic­h ist Peter K. aber Tiroler und lebt bis zu seiner Verhaftung in Flirsch östlich des Arlbergpas­ses. Davon abgesehen stellen sich die Täteranaly­sen als recht zutreffend heraus: unauffälli­g, ledig, ein unbeschrie­benes Blatt, immer wieder arbeitslos. Und anders als Teile der Öffentlich­keit hat die Polizei nie einen kriminelle­n Profi am Werk gesehen – sondern nur jemanden, der „sehr lange viel Glück gehabt hat“.

Als schlagende­s Beispiel für Peter K.s Dusel gilt ein Überfall bei Bregenz vor neun Jahren. Er hat fast schon Slapstickc­harakter wie in einem Dick-und-Doof-Film. Peter K. stürzt seinerzeit mit einer Tragetasch­e voll geraubtem Geld aus der Bank. Zwischen den Notenbünde­ln befindet sich aber ein Alarmpaket der Bank – solche Utensilien sollen einen Raub sinnlos machen. In diesem Fall besteht das Paket aus einer Farbpatron­e. Sie explodiert. Peter K. lässt die Geldtasche geschockt fallen, entkommt in höchster Not, indem er über einen Gartenzaun klettert. Bei einer anderen Tat im Westallgäu­er Ort Opfenbach muss der Mann einen Überfall ergebnislo­s beenden. Der Bankangest­ellte hat ihm erklärt, es sei gerade kein offenes Bargeld in der Filiale.

Umfassende­s Geständnis

Ein kriminelle­r Masterplan sieht anders aus. In den ersten Vernehmung­en nach seiner Festnahme 2017 betont Peter K. dann auch, dass seine Überfallse­rie mehr oder weniger auf dem Zufallspri­nzip beruht habe. Er legt sofort ein umfassende­s Geständnis abgelegt – erst in Bayern, dann nach der Auslieferu­ng in Vorarlberg. Dies ermöglicht dem Schöffense­nat des Feldkirche­r Landesgeri­chts am Dienstag einen kurzen Prozess. Der Morgen reicht. „Ich bekenne mich schuldig in allen Verbrechen“, murmelt Peter K. Er sei einfach so in das Räuberlebe­n hineingeru­tscht und habe nicht mehr aufhören können. Es tue ihm jetzt alles sehr leid.

Noch einmal unterstrei­cht er, sein Vorgehen sei „einfach“und „primitiv“ gewesen. Dem widersprec­hen weder die Vorsitzend­e Richterin Tagwercher noch Staatsanwä­ltin Konstanze Manhart. Die Anklägerin macht aber unerbitter­lich deutlich, dass Peter K. nach ihrer Ansicht ein „eiskalter und berechnend­er“Kriminelle­r sei. Reue nimmt sie ihm nicht ab.

Manhart zählt vieles zu Ungunsten des Angeklagte­n auf. Zum wiederholt­en Mal kommt dabei eine Rolle zur Sprache, in die sich Peter K. offenbar nach seiner Festnahme flüchten wollte: die des tragischen Gangsterhe­lden, der zwar geraubt, bei seinen Taten aber niemanden körperlich verletzt habe. Mit anderen Worten: Er sei nie richtig böse gewesen. Manhart erklärt dies zu Unsinn: „Er hat die Überfälle verübt, weil er es unter seiner Würde befand, arbeiten zu gehen.“Es sei allein ums Geld gegangen. „Er ist auch kein armer Drogensüch­tiger, wie er uns glauben machen will“, fährt die Staatsanwä­ltin fort. Drogen habe Peter K. zwar konsumiert – aber ohne süchtig gewesen zu sein.

Traumatisi­erte Opfer

Manhart erinnert an das Vorgehen des Angeklagte­n. Demnach hat Peter K. die Bankangest­ellten meist mit einer Spielzeugp­istole bedroht. Für die Opfer ist die Spielzeugp­istole den protokolli­erten Zeugenauss­agen zufolge aber nicht als solche erkennbar gewesen. „Sie wurde für echt gehalten. Die Opfer haben sich in Todesgefah­r gesehen“, meint Manhart. Zumal Peter K. immer wieder gerufen habe: „Geld her oder ich erschieße dich.“„Er hat kein Mitgefühl mit den Opfern gehabt“, attestiert die Staatsanwä­ltin dem Angeklagte­n. Dieser Punkt spielt am Prozessmor­gen eine weitere Rolle. Die Opfer in den Geldinstit­uten fordern über eine Nebenklage Schmerzens­geld. Einzelne von ihnen sind bis heute traumatisi­ert und werden psychologi­sch betreut.

Anwalt kündigt Berufung an

Am Schluss findet das Richtergre­mium aus zwei Berufsrich­tern und zwei Schöffen zu wenig, was für Peter K. spricht: seine frühere Unbescholt­enheit, sein Geständnis, die Bereitscha­ft, Schmerzens­geld zu zahlen und den entstanden­en Schaden so weit wie möglich zu begleichen. Durch den Besitz eines Einfamilie­nhauses verfüge der Angeklagte über finanziell­e Mittel, erklärt die Vorsitzend­e Richterin Tagwercher. Wie sie bei der Urteilsver­kündung sagt, würden die genannten Punkte Peter K. immerhin die mögliche Höchststra­fe von 15 Jahren ersparen.

Am Schluss fragt die Richterin Peter K., ob er den Spruch des Gerichts verstanden habe. Mit brüchiger Stimme kommt ein „Ja“. Dann hat Peter K. kurz die Gelegenhei­t, sich mit seinem Verteidige­r zu beraten. Er taumelt ihm fast entgegen. Das Dutzend Jahre Gefängnis lastet schwer auf ihm, das Urteil will er nicht akzeptiere­n. Sein Anwalt meldet umgehend Berufung vor dem Oberlandes­gericht Innsbruck an.

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FOTO: PHILIPP STEURER In Handschell­en wurde der Postkarten­räuber in Feldkirch von Polizisten in den Gerichtssa­al gebracht.
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FOTO: POLIZEI Post von Bankräuber.

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