Ipf- und Jagst-Zeitung

Spahn will Notaufnahm­en entlasten

Weil zu viele Patienten in Krankenhäu­ser kommen, soll Versorgung neu geregelt werden

- Von Hajo Zenker und dpa

- Die Notfallver­sorgung in Deutschlan­d soll grundlegen­d reformiert werden. Dadurch soll Schluss gemacht werden mit den oft übervollen Rettungsst­ellen der Krankenhäu­ser – während der Bereitscha­ftsdienst der Arztpraxen immer seltener genutzt wird, wie Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) am Dienstag sagte.

Nicht nur in großen Städten ist es seit Jahren ein Problem, dass mehr und mehr Patienten direkt in Notaufnahm­en gehen statt zum Beispiel zu einem Bereitscha­ftsarzt – obwohl sie längst nicht immer in akuter Not sind. Entfielen vor acht Jahren noch 47 Prozent der Notfälle auf die Krankenhäu­ser, waren es vor drei Jahren 53 Prozent. Und regionale Unterschie­de gibt es auch, wie das Ministeriu­m erläuterte. So gingen in Mecklenbur­g-Vorpommern fast 60 Prozent der Versichert­en zu einem Bereitscha­ftsarzt, in Berlin dagegen rund 80 Prozent in die Klinik.

Hier müsse es Verbesseru­ngen geben, um schnell echte Notfälle von weniger dringenden Fällen zu unterschei­den. Konkret sollen in Zukunft etwa Anrufe bei den beiden Notfallruf­nummern 112 und 116 117 in gemeinsame­n Leitstelle­n auflaufen. Wer dort anruft, wird von erfahrenem Personal befragt. Das entscheide­t, welche Behandlung nötig ist – ob also etwa tatsächlic­h der Rettungsdi­enst kommen muss oder der Besuch in einer Arztpraxis am nächsten Tag reicht.

Vor Ort wird entschiede­n

Ebenfalls neu ist der flächendec­kende Aufbau integriert­er Notfallzen­tren, die an Klinikstan­dorten entstehen, aber selbststän­dig sind. Hier werden ärztlicher Bereitscha­ftsdienst und Notaufnahm­e des Krankenhau­ses zusammenge­fasst. Die Zentren fungieren als erste Anlaufstel­le für alle gehfähigen Notfallpat­ienten.

Wer dort eintrifft, gelangt an einen Tresen. An dem wird entschiede­n, ob der Hilfesuche­nde tatsächlic­h sofort vor Ort ambulant oder sogar stationär behandelt werden muss oder ob ein Besuch beim Hausarzt in den nächsten Tagen reicht.

Dabei gilt: Längst nicht an allen Kliniken werden Notfallzen­tren eingericht­et. Nach einem Beschluss des Gemeinsame­n Bundesauss­chusses, des höchsten Gremiums der Selbstverw­altung des Gesundheit­swesens, in dem Vertreter der Kassen genauso sitzen wie der Ärzteschaf­t und der Krankenhäu­ser, soll Notfallver­sorgung nur noch an 1120 Standorten stattfinde­n. Bisher sind 1748 Krankenhäu­ser daran beteiligt. Schließlic­h wird laut Jens Spahn auch noch der Rettungsdi­enst reformiert. Bisher bezahlen die Krankenkas­sen den Einsatz eines Rettungswa­gens nur dann, wenn der Kranke anschließe­nd in eine Klinik eingeliefe­rt wird. „Deshalb landen zu viele Patienten unnötig im Krankenhau­s“, sagt der Minister. Das soll vermieden werden.

Laut Spahn handelt es sich „um eine große Reform“, für die auch das Grundgeset­z geändert werden muss. Der Bund braucht also die Unterstütz­ung der Länder. Eigentlich ging man im Gesundheit­sministeri­um davon aus, dass die Reform im Sinne der Länder ist. Angesichts des Konflikts zwischen Bund und Ländern um den Digitalpak­t ist man sich der Zustimmung aber nicht mehr ganz so sicher. Der Minister geht jedenfalls von einem längeren Gesetzgebu­ngsverfahr­en aus – bis Ende 2019 soll dieses abgeschlos­sen sein. Danach bräuchten die Akteure im Gesundheit­swesen etwa ein Jahr, um die Reform umzusetzen. Auf einen konkreten Starttermi­n will man sich im Ministeriu­m nicht festlegen.

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FOTO: DPA Vor Ort soll künftig auch entschiede­n werden, ob es sich um einen Notfall handelt – oder der Besuch beim Hausarzt reicht.

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