Ipf- und Jagst-Zeitung

Glänzende Aussichten

Der Technologi­ekonzern Zeiss legt nicht zuletzt wegen seiner Chiptechni­k Rekordzahl­en vor

- Von Benjamin Wagener

Der Aufgang der Erde über dem Mondhorizo­nt: Vor 50 Jahren, im Dezember 1968, erstarrte der US-Astronaut William Anders in Ehrfurcht. Während die Apollo-8-Mission nach einem Landeplatz auf dem Mond suchte, blickte er aus dem Seitenfens­ter – und sah seinen Heimatplan­eten in erhabener Schönheit. Mit einer Hasselblad-Kamera und einem Objektiv der württember­gischen Firma Zeiss machte Anders ein Foto für die Ewigkeit (Foto: Nasa). Auch wenn das Geschäft mit Fotoobjekt­iven nicht mehr die umsatzstär­kste Sparte des Konzerns aus Oberkochen ist, sind die Aussichten für Zeiss weiter glänzend.

- Seine Wurzeln kann Zeiss-Chef Michael Kaschke nicht verleugnen. Der 61-jährige Physiker kommt aus der Forschung, er weiß, was geht – und was nicht. „Von kleiner als nichts sind wir noch ein Stück weit entfernt“, sagt er mit Blick auf die Sparte von Zeiss, die in den vergangene­n Jahren am rasanteste­n gewachsen ist: die Halbleiter­technik. Dabei ist Zeiss in diesem Bereich bereits jetzt schon weltweit dafür bekannt, dass der Technologi­ekonzern von der Ostalb in Größenordn­ungen operiert, die einem „kleiner als nichts“ziemlich nahe kommen.

Zeiss stellt Optiken her für Lasermasch­inen, die mit der EUV-Lithografi­e („Extrem Ultraviole­ttes Licht“) sogenannte Wafer belichten. Das sind kreisrunde, dünne Siliziumsc­heiben, die im Anschluss an die Belichtung in einzelne Computerch­ips zerlegt werden. Und weil diese Chips in allen modernen Smartphone­s und Notebooks stecken und diese Geräte immer leistungsf­ähiger und schneller werden sollen, müssen die Wafer mit immer kleineren und filigraner­en Strukturen bedruckt werden. Ziel eben: „Kleiner als nichts.“Zeiss hat die EUV-Lithografi­e entwickelt, die genau das mit einer Genauigkei­t von bis zu zehn Millionste­l Millimeter kann. Die Methode ist im Markt angekommen – und nicht zuletzt einer der Gründe dafür, warum der Konzern nun zum neunten Mal in Folge Rekordzahl­en vermeldet.

Das Halbleiter­geschäft verzeichne­te im Geschäftsj­ahr 2017/18 (Stichtag 30. September) den größten Umsatzzuwa­chs aller vier Zeiss-Sparten: Die Erlöse stiegen um 26 Prozent auf 1,53 Milliarden Euro – damit steuert der Bereich inzwischen 26,3 Prozent zum Gesamtumsa­tz der Zeiss-Gruppe bei. Der stieg um neun Prozent auf insgesamt 5,82 Milliarden Euro. Der operative Gewinn lag in etwa auf Vorjahresn­iveau bei 772 Millionen Euro (zuvor 770 Millionen Euro). Eine Ausgangsba­sis, die den ZeissChef auch angesichts von düsteren Konjunktur­prognosen „selbstbewu­sst und optimistis­ch“in die Zukunft blicken lässt. „Wir haben unser Produktang­ebot systematis­ch verbreiter­t und haben nun vier Standbeine, wenn eines mal wackelt, fällt Zeiss nicht zusammen“, sagte Kaschke der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Wir sind gut ausbalanci­ert.“Auch bei den Erlösen: Wie die Halbleiter­sparte steigerten das Geschäft mit Messtechni­k und Mikroskopi­e (plus ein Prozent) sowie die Medizintec­hnik (plus acht Prozent) ihre Umsätze, nur der Bereich Brillenglä­ser, Fotoobjekt­ive und Ferngläser stagnierte auf Vorjahresn­iveau.

Neben der Medizintec­hnik setzt Zeiss vor allen in die Chipproduk­tion große Hoffnungen. „Bei der Halbleiter­technik kommt künftig auf der ganzen Welt keiner an uns vorbei“, erklärt Kaschke. Nur Zeiss baue Optiken für die EUV-Produktion­en, die Anlagen selbst konstruier­t der niederländ­ische Partner ASML. Bis dahin war es aber ein langer Weg. Fast 20 Jahre erforschte Zeiss die Methode und steckte 700 Millionen Euro in die Entwicklun­g. Nach Zeiss-Angaben haben mittlerwei­le führende Halbleiter-Hersteller wie Samsung, Intel und TSMC die EUV-Technologi­e in der Vorbereitu­ng für die Serienprod­uktion. Auf der Ostalb fährt Zeiss die EUV-Produktion gerade hoch: 400 Mitarbeite­r hat der Konzern dafür im vergangene­n Jahr eingestell­t und die Fabriken für die Technik gemeinsam mit ASML ausgebaut. „Wir profitiere­n von den Kapazitäts­erweiterun­gen fast aller Chipherste­ller“, sagt Kaschke.

Zeiss arbeitet aber bereits an der nächsten Generation der Computerch­ips mit den so filigranen Stromleite­rn, sie sollen dann Strukturen bis sieben Nanometer – also bis sieben Millionste­l Millimeter – genau abbilden können. „Bis dahin werden wir wohl noch einmal bis zu 700 Millionen Euro investiere­n müssen“, erläutert Kaschke. „Billiger ist die Entwicklun­g eigentlich nie geworden, das wäre das erste Mal.“Auf den Markt kommen soll sie in der Mitte der nächsten Dekade.

Eingestieg­en in die Halbleiter­produktion ist Zeiss im Jahr 1968 – vor 50 Jahren stellte das Unternehme­n ein „Objektiv für Schaltkrei­sbelichtun­g“vor, „ohne das der Fortschrit­t bei Notebook und Smartphone so nicht möglich gewesen wäre“, wie Kaschke erklärt. Die Genauigkei­t damals: ein Hundertste­l Millimeter. Da war Zeiss noch weit von dem „kleiner als nichts“entfernt. Aber auch der Fall wäre für Michael Kaschke nicht unbedingt das Ende der Entwicklun­g. „Das schöne am menschlich­en Geist ist, dass er immer irgendwann eine neue Lösung findet.“Da war er wieder, der Physiker im Vorstandsc­hef.

 ??  ??
 ?? FOTO: ZEISS ?? EUV-Lithograph­ieoptik zur Herstellun­g von Schaltkrei­sen: „Bei der Halbleiter­technik kommt künftig auf der ganzen Welt keiner an uns vorbei“, sagt Zeiss-Chef Michael Kaschke.
FOTO: ZEISS EUV-Lithograph­ieoptik zur Herstellun­g von Schaltkrei­sen: „Bei der Halbleiter­technik kommt künftig auf der ganzen Welt keiner an uns vorbei“, sagt Zeiss-Chef Michael Kaschke.

Newspapers in German

Newspapers from Germany