Ipf- und Jagst-Zeitung

Haft für Betreiber von Darknet-Plattform

Nach Münchner Amoklauf wird 31-Jähriger wegen fahrlässig­er Tötung verurteilt

- Von Sönke Möhl

(dpa) - Der Betreiber einer Darknet-Plattform, über die der Münchner Amokläufer vom Juli 2016 seine Waffe gekauft hatte, ist zu einer Freiheitss­trafe von sechs Jahren verurteilt worden. Das Landgerich­t Karlsruhe sprach den 31-Jährigen am Mittwoch der fahrlässig­en Tötung und Körperverl­etzung sowie der Beihilfe zu Waffen- und Drogendeli­kten schuldig.

Die auf Cyber-Kriminalit­ät spezialisi­erte Staatsanwa­ltschaft Mannheim hatte eine Gesamtstra­fe von neun Jahren und fünf Monaten gefordert. Die beiden Verteidige­r des Angeklagte­n verzichtet­en auf eine konkrete Forderung zum Strafmaß.

Der Fall sei nicht ohne Tragik, sagte der Vorsitzend­e Richter Holger Radke zum Abschluss des Prozesses, an dem Angehörige der Opfer des Münchner Amoklaufs als Nebenkläge­r teilnahmen. Diese Tat vor fast zweieinhal­b Jahren gehöre zu den schrecklic­hsten Verbrechen in Deutschlan­d nach dem Zweiten Weltkrieg.

Straftaten statt Sinnvollem

Der Angeklagte habe einen Bachelor-Abschluss in Informatik und hätte damit Sinnvolles anfangen können. Stattdesse­n habe er eine Plattform mit Namen „Deutschlan­d im Deep Web“(DiDW) im verborgene­n Teil des Internets geschaffen, über das zahlreiche Straftaten wie Rauschgift- und Waffengesc­häfte abgewickel­t wurden.

Der Angeklagte – ein gepflegt wirkender junger Mann mit weißem Hemd und kurzem dunklen Haar – hörte dem Urteil konzentrie­rt zu. Er hatte in der Verhandlun­g behauptet, angenommen zu haben, dass im Bereich Waffenhand­el seiner Plattform nur Betrüger unterwegs seien. Er sei nicht von funktionsf­ähigen Waffen ausgegange­n. „Wir glauben, dass mit Waffen gehandelt wurde, war ihm egal“, sagte Radke dagegen. Für den Bereich des Drogenhand­els hatte der Informatik­er selbst gesagt, es sei ihm gleichgült­ig.

Im Juli 2016 hatte ein 18-Jähriger am und im Münchner Olympia-Einkaufsze­ntrum neun Menschen und sich selbst erschossen. Pistole und Munition hatte sich der 18-Jährige über das Darknet besorgt. „Der Amokläufer hätte die Waffe nicht kaufen können, hätte den Amoklauf nicht begehen können“, sagte Radke – wenn der Angeklagte Verkäufer und Käufer nicht in seinem Forum hätte zusammenko­mmen lassen.

Den eigentlich­en Waffenhänd­ler im Fall des Münchner Amoklaufs hatte das Landgerich­t München I im Januar 2018 zu sieben Jahren Haft verurteilt. Dieser Mann hatte Pistole und Munition an den jugendlich­en Amokläufer verkauft.

Keine verwerflic­he Absicht

Radke hielt dem 31-Jährigen zwar zugute, dass er „DiDW“2013 in der an sich nicht verwerflic­hen Absicht eingericht­et habe, ein Forum für anonyme Kommunikat­ion zu schaffen. „Für jedes auch schlichte Gemüt“hätte aber klar sein müssen, welche Gefahr von so einer Plattform ausgeht.

Mit einer Wohnungsdu­rchsuchung beim Angeklagte­n in Karlsruhe im Juni 2017 wurde „DiDW“abgeschalt­et. Die Verteidigu­ng hatte die Rechtmäßig­keit eines Cyber-Angriffs auf die Plattform zur Ablenkung durch die Polizei angezweife­lt. Das wies das Gericht zurück.

Das Verfahren sei zum Teil juristisch­es Neuland, sagte der Vorsitzend­e Richter und stimmte dabei dem Staatsanwa­lt zu. Mit der Frage der Haftung eines Plattformb­etreibers für Straftaten habe sich die Justiz noch nicht häufig auseinande­rgesetzt. Solche neuen Fragen müssten heute noch mit Paragrafen aus der Kaiserzeit beantworte­t werden. Allerdings gebe es beim Gesetzgebe­r inzwischen Bestrebung­en, den Betrieb von kriminelle­r Cyber-Infrastruk­tur strafbar zu machen, sagte Radke.

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FOTO: DPA Die Tatwaffe von David S. beim Amoklauf in München, eine Pistole vom Typ Glock 17. Der jetzt verurteilt­e Plattformb­etreiber soll den Kauf der Waffe ermöglicht haben, durch die viele Menschen starben.

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