Ipf- und Jagst-Zeitung

Trump hat seine Experten ignoriert und auf Erdogan gehört

Was hinter der Rückzugsen­tscheidung des Präsidente­n steckt – und wie das prominente Republikan­er finden

- Von Frank Herrmann

- Von einer Überraschu­ng, schrieb Donald Trump am Tag nach der Überraschu­ng bei Twitter, könne keine Rede sein. Bekanntlic­h habe er einem Rückzug aus Syrien bereits im Wahlkampf das Wort geredet. Vor sechs Monaten, als er seine Absicht in aller Öffentlich­keit wiederholt­e, habe er sich noch einmal umstimmen lassen. Nun aber, gab der US-Präsident am Donnerstag zu verstehen, hört er nicht länger auf seine Generäle, die Bodentrupp­en vor Ort nach wie vor für nötig halten.

Die Entscheidu­ng erinnert an den Ausstieg aus dem Iran-Abkommen. Auch bei diesem Thema ließ sich Trump eine Weile überreden, das aufzuschie­ben, was er auf Kampagnenb­ühnen versproche­n hatte. Bevor er schließlic­h seinen Instinkten folgte und den Rat von Experten wie Alliierten in den Wind schlug. Dass er mahnende Stimmen in seinem Kabinett auch diesmal ignorierte, kann angesichts der Vorgeschic­hte höchstens vom Timing her überrasche­n. Zudem macht die Rückzugsor­der klar, wie rasant der Verteidigu­ngsministe­r James Mattis an Einfluss verliert. Der Letzte aus einer Reihe von Generälen im Kabinett, von denen sich nicht zuletzt die Europäer erhofft hatten, dass sie den Nationalis­ten im Oval Office zur Vernunft bringen würden. Ein überhastet­er Abzug würde noch mehr Chaos im Nahen Osten stiften, warnte Mattis noch vor wenigen Wochen.

Nicht nur seinen Pentagonch­ef hat der Präsident überstimmt, sondern so ziemlich jeden, der sich in seiner Regierung mit der Causa Syrien befasst – unter anderem Trumps Sicherheit­sberater John Bolton. Der Präsident hat sie alle düpiert, da sie eben noch das genaue Gegenteil verkündete­n. Den Ausschlag gab offenbar, am vergangene­n Freitag, ein Telefonat Trumps mit Recep Tayyip Erdogan, dem Präsidente­n der Türkei. Erdogan, berichten US-Medien, habe einmal mehr betont, dass er in den mit Washington verbündete­n syrischen Kurdenmili­zen Terroriste­n sehe.

Raketenlie­ferung für Ankara

Wieso Amerika diese Leute unterstütz­e und nicht den Nato-Alliierten Türkei, soll er gefragt haben, um hinzuzufüg­en, dass der „Islamische Staat“besiegt sei und türkische Truppen zum Eingreifen bereitstün­den, falls er doch wieder erstarke. Zufall oder nicht, vier Tage nach dem Gespräch teilte das State Department dem Kongress mit, dass man grünes Licht für die Lieferung des Luftabwehr­systems Patriot an die Türkei gibt. Im Parlament sind es konservati­ve Hardliner, die am lautesten gegen den Rückzugsbe­fehl protestier­en. 2200 Soldaten in Syrien, das sei ein kleiner Fußabdruck mit vergleichb­ar großer Wirkung, meint der Senator Lindsey Graham. „Es ist unsere Versicheru­ngspolice für den Fall, dass sich der IS zurückmeld­et“, umso törichter sei es, darauf zu verzichten.

Marco Rubio, einst im Kandidaten­rennen der Republikan­er einer der aussichtsr­eicheren Konkurrent­en Trumps, verbreitet­e eine zustimmend­e Erklärung der russischen Botschaft in Washington, um sarkastisc­h hinterherz­uschieben, er habe endlich jemanden gefunden, der den Syrien-Entschluss begrüße. Ganz anders Rand Paul, ein Konservati­ver der libertären Denkschule, oft ein scharfer Kritiker Trumps. Er sei stolz auf seinen Präsidente­n, twitterte er. „Der Präsident hat den Mut zu sagen: Wir haben in Syrien gewonnen, und wir kommen nach Haus.“

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FOTO: DPA Noch vor Kurzem hatten Sicherheit­sexperten im Weißen Haus Donald Trump von einem Rückzug aus Syrien abgeraten.

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