Trump hat seine Experten ignoriert und auf Erdogan gehört
Was hinter der Rückzugsentscheidung des Präsidenten steckt – und wie das prominente Republikaner finden
- Von einer Überraschung, schrieb Donald Trump am Tag nach der Überraschung bei Twitter, könne keine Rede sein. Bekanntlich habe er einem Rückzug aus Syrien bereits im Wahlkampf das Wort geredet. Vor sechs Monaten, als er seine Absicht in aller Öffentlichkeit wiederholte, habe er sich noch einmal umstimmen lassen. Nun aber, gab der US-Präsident am Donnerstag zu verstehen, hört er nicht länger auf seine Generäle, die Bodentruppen vor Ort nach wie vor für nötig halten.
Die Entscheidung erinnert an den Ausstieg aus dem Iran-Abkommen. Auch bei diesem Thema ließ sich Trump eine Weile überreden, das aufzuschieben, was er auf Kampagnenbühnen versprochen hatte. Bevor er schließlich seinen Instinkten folgte und den Rat von Experten wie Alliierten in den Wind schlug. Dass er mahnende Stimmen in seinem Kabinett auch diesmal ignorierte, kann angesichts der Vorgeschichte höchstens vom Timing her überraschen. Zudem macht die Rückzugsorder klar, wie rasant der Verteidigungsminister James Mattis an Einfluss verliert. Der Letzte aus einer Reihe von Generälen im Kabinett, von denen sich nicht zuletzt die Europäer erhofft hatten, dass sie den Nationalisten im Oval Office zur Vernunft bringen würden. Ein überhasteter Abzug würde noch mehr Chaos im Nahen Osten stiften, warnte Mattis noch vor wenigen Wochen.
Nicht nur seinen Pentagonchef hat der Präsident überstimmt, sondern so ziemlich jeden, der sich in seiner Regierung mit der Causa Syrien befasst – unter anderem Trumps Sicherheitsberater John Bolton. Der Präsident hat sie alle düpiert, da sie eben noch das genaue Gegenteil verkündeten. Den Ausschlag gab offenbar, am vergangenen Freitag, ein Telefonat Trumps mit Recep Tayyip Erdogan, dem Präsidenten der Türkei. Erdogan, berichten US-Medien, habe einmal mehr betont, dass er in den mit Washington verbündeten syrischen Kurdenmilizen Terroristen sehe.
Raketenlieferung für Ankara
Wieso Amerika diese Leute unterstütze und nicht den Nato-Alliierten Türkei, soll er gefragt haben, um hinzuzufügen, dass der „Islamische Staat“besiegt sei und türkische Truppen zum Eingreifen bereitstünden, falls er doch wieder erstarke. Zufall oder nicht, vier Tage nach dem Gespräch teilte das State Department dem Kongress mit, dass man grünes Licht für die Lieferung des Luftabwehrsystems Patriot an die Türkei gibt. Im Parlament sind es konservative Hardliner, die am lautesten gegen den Rückzugsbefehl protestieren. 2200 Soldaten in Syrien, das sei ein kleiner Fußabdruck mit vergleichbar großer Wirkung, meint der Senator Lindsey Graham. „Es ist unsere Versicherungspolice für den Fall, dass sich der IS zurückmeldet“, umso törichter sei es, darauf zu verzichten.
Marco Rubio, einst im Kandidatenrennen der Republikaner einer der aussichtsreicheren Konkurrenten Trumps, verbreitete eine zustimmende Erklärung der russischen Botschaft in Washington, um sarkastisch hinterherzuschieben, er habe endlich jemanden gefunden, der den Syrien-Entschluss begrüße. Ganz anders Rand Paul, ein Konservativer der libertären Denkschule, oft ein scharfer Kritiker Trumps. Er sei stolz auf seinen Präsidenten, twitterte er. „Der Präsident hat den Mut zu sagen: Wir haben in Syrien gewonnen, und wir kommen nach Haus.“