Ipf- und Jagst-Zeitung

Ärzte wehren sich gegen mehr Sprechstun­den für die Patienten

Krankenkas­sen stellen sich hinter den Vorschlag von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Spahn und fordern Angebot über ein Mindestmaß hinaus

- Von Markus Sievers

- Von einem „Schlag ins Gesicht“der Mediziner spricht Andreas Gassen, Vorstandsv­orsitzende­r der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung. Mit aller Härte wehrt er sich gegen Forderunge­n der gesetzlich­en Krankenver­sicherung (GKV), mehr Sprechstun­den abends und an Samstagen anzubieten. „Krankheite­n richten sich nicht nach den Lieblingsö­ffnungszei­ten der niedergela­ssenen Ärzte“, hatte Johann-Magnus von Stackelber­g vom GKV-Spitzenver­band gesagt.

Grund der Gereizthei­t auf beiden Seiten ist der Vorschlag von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU), der die Patientenv­ersorgung von gesetzlich Versichert­en deutlich verbessern und die Mediziner stärker in die Pflicht nehmen möchte. Dabei geht es um eine Ausweitung von Sprechstun­den auch am Wochenende. Im Sommer legte Spahn seinen Entwurf für ein Terminserv­iceund Versorgung­sgesetz vor.

Eine Umfrage im Auftrag des Kassenverb­andes ergab, dass mittwochs zwischen 14 und 17 Uhr rund 20 Prozent der Arztpraxen Sprechstun­den anbieten, freitags sind es noch weniger. Für den Ärztevertr­eter Gassen eine Provokatio­n. „Fake news“nennt er die Studienerg­ebnisse. „Die Niedergela­ssenen arbeiten 52 Wochenstun­den im Schnitt und leisten häufig viel mehr Sprechstun­den als sie müssten.“Wenn die Praxen geschlosse­n seien, könnten sich die Patienten an den ärztlichen Bereitscha­ftsdienst wenden, sagte Gassen. „Es ist also Unsinn, zu behaupten, zu wenige Samstagssp­rechstunde­n seien der Grund dafür, dass Menschen in die Notaufnahm­en gingen.“Gassen warf den Krankenkas­sen zudem vor, den Ärzten eine angemessen­e Finanzieru­ng zu verweigern und im Schnitt 15 Prozent der Leistungen nicht zu vergüten. „Bei der ständigen Zechprelle­rei jetzt noch eine Serviceang­ebotserwei­terung zu fordern, ist einfach nur dreist und frech.“

Bundesärzt­ekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery rief die „Kassenfunk­tionäre“auf, einen Blick in die Praxen zu werfen. „Die Kollegen arbeiten am Limit und oftmals darüber hinaus.“Montgomery forderte, zur Vermeidung von Versorgung­sengpässen mehr ärztlichen Nachwuchs auszubilde­n und attraktive Arbeitsbed­ingungen zu schaffen.

Hausärzte betonen Einsatz

Empörung auch bei den Hausärzten: Ulrich Weigeldt, Bundesvors­itzender des Deutschen Hausärztev­erbandes, spricht von „fragwürdig­en Zahlenspie­len oder Ratschläge­n“. Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“sagte Weigeldt: „Die Hausärzte mehr oder weniger versteckt als arbeitsfau­l darzustell­en, können wir so nicht stehen lassen. Denn schon heute bieten die meisten deutlich mehr Sprechstun­den und zeitliche Puffer an, um Akutpatien­ten behandeln zu können – und das auch am frühen Abend oder samstags.“

Ebenfalls umstritten ist Jens Spahns Entwurf für ein Terminserv­iceund Versorgung­sgesetz, der vorsieht, die Mindestspr­echstunden von niedergela­ssenen Ärzten von 20 auf 25 Stunden zu erweitern. Auch sollen, geht es nach dem Bundesgesu­ndheitsmin­ister, die Terminserv­icestellen für die Facharztve­rmittlung rund um die Uhr erreichbar sein. Die Regierungs­vorlage zu den Vorschläge­n Spahns liegen dem Bundestag zur Beratung vor.

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FOTO: IMAGO Ein Eintrag für einen Arzttermin: Geht es nach den Krankenkas­sen, sollen Ärzte auch am Wochenende Termine wahrnehmen.

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